VwGH 2008/07/0140

VwGH2008/07/014017.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde der A, Verein zur Förderung von bodenständigen Bienenrassen in Österreich in L, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner Promenade 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. April 2008, Zl. LF1-T-106/00 1-2007, betreffend Widerruf einer Bewilligung nach dem NÖ. Bienenzuchtgesetz für die Reinzuchtbelegstelle "J" (mitbeteiligte Partei: W S in Pxxxx), zu Recht erkannt:

Normen

BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs1 idF 6320-3;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs1 Z6 idF 6320-3;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs2 idF 6320-3;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs3 idF 6320-3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs1 idF 6320-3;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs1 Z6 idF 6320-3;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs2 idF 6320-3;
BienenzuchtG NÖ 1980 §9 Abs3 idF 6320-3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. August 2005 wurde der beschwerdeführenden Partei u.a. die Bewilligung der Errichtung und Haltung der Reinzuchtbelegstelle "J" auf dem Grundstück Nr. 123/1, KG. N., für die Bienenrasse "Apis mellifica carnica" erteilt. Als Stamm wurden die Stämme der A - Zuchtpopulation der Carnica-Bienenrassen festgelegt.

Zur Sicherung des Zuchterfolges wurde vorgeschrieben, die Einverständniserklärungen aller Standimker innerhalb des Schutzgebietes sei einzuholen und zur Kontrolle durch die Behörde bereit zu halten. In der Begründung dieses Bescheides wird unter anderem ausgeführt, dass der Schutzgebietsradius 5 km betragen soll.

Ferner wurde in der Begründung dieses Bescheides u. a. ausgeführt, dass sich aus dem Gutachten des beigezogenen bienen- und naturschutzfachlichen Amtssachverständigen auch für das Gebiet der beantragten Reinzuchtbelegstellen keine Bienenwanderung oder Bienendichte, die einer bescheidmäßigen Bewilligung entgegenstehe, ergebe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. April 2008 wurde gegenüber der beschwerdeführenden Partei die erteilte Bewilligung zur Errichtung und Haltung der Reinzuchtbelegstelle "J" auf dem Grundstück Nr. 123/1, KG. N., gemäß § 9 Abs. 2 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes, LGBl. 6320-3, mit sofortiger Wirkung widerrufen.

In der Begründung dieses Bescheides wird insbesondere ausgeführt, es ergebe sich aus den eingeholten Ausführungen der bienenzuchtfachlichen Sachverständigen zusammenfassend, dass im Zeitpunkt der fachlichen Beurteilung des Bewilligungsantrages für die Reinzuchtbelegstelle "J" und der zu Grunde liegenden Gutachtenserstellung vom 30. März 1999 von anderen Voraussetzungen ausgegangen worden sei, die wesentlichen Einfluss auf die getroffene Beurteilung gehabt hätten. Insbesondere sei vom Einvernehmen zwischen den benachbarten Belegstellen "Ö" und "J" ausgegangen worden; damit sei auch das Entstehen eines entsprechenden Carnica-Schutzgürtels begrüßt worden.

Im Zuge der im Widerrufsverfahren durchgeführten Erhebungen habe aber dieses vom Amtssachverständigen dem Gutachten zu Grunde gelegte Einvernehmen aus den von der NÖ. Landes-Landwirtschaftskammer übermittelten Antragsunterlagen für die später bewilligte Reinzuchtbelegstelle "J" nicht entnommen werden können. Vielmehr sei zwar dort die Carnica-Belegstelle der mitbeteiligten Partei im Gebiet der beantragten Reinzuchtbelegstellen ohne weiteren Zusatz erwähnt worden, das Einvernehmen sei aber nur bezüglich der Grundeigentümer der beantragten Belegstellen ausdrücklich angegeben worden. Daraus könne aber nicht logisch abgeleitet werden, dass von der beschwerdeführenden Partei auch auf ein Einvernehmen mit dem Betreiber der bereits seit 1981 bewilligten (fremden) Belegstelle "Ö" der mitbeteiligten Partei hingewiesen werde oder hingewiesen werden sollte.

Es müsse als öffentliches Interesse der Bienenzucht gesehen werden, dass grundsätzlich besonders eine im Antragsstadium befindliche Belegstelle nicht nur an sich, sondern auch im Verhältnis zu bereits anerkannten Belegstellen bienenzuchtrechtlich und bienenzuchtfachlich zu beurteilen sei. Dabei spiele besonders eine Rolle, ob eine negative Beeinflussung der Reinzucht nicht ausgeschlossen werden könne und es sei dabei jedenfalls auch auf bestehende Rechte Rücksicht zu nehmen.

Dies bedeute im Ergebnis, dass bei der Bewilligung einer neuen Belegstelle grundsätzlich auf bereits bestehende bewilligte Belegstellen Bedacht zu nehmen sei. Auf Grund des angenommenen Einverständnisses zwischen den Belegstellen "Ö" und "J" sei dies daher unproblematisch erschienen.

Die belangte Behörde sei allerdings verpflichtet, dem Vorbringen des Betreibers der Reinzuchtbelegstelle "Ö" nachzugehen, dass er als Züchter des seit 1984 markengeschützten Stammes/Linie Carnica S seine Linienzucht nicht mehr gewährleisten könne, wenn die Bewilligung der Belegstelle "J" mit der Züchtung von A Linien der Bienenrasse Carnica weiterhin aufrecht sei.

Dass eine Einverständniserklärung der mitbeteiligten Partei für die Errichtung und Haltung der Reinzuchtbelegstelle "J" im Zeitpunkt der Antragstellung durch die beschwerdeführende Partei abgegeben worden sei, sei aus den Antragsunterlagen nicht ersichtlich und es sei auch ein derartiges Einverständnis von der beschwerdeführenden Partei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht einmal behauptet worden.

Aus dem Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. November 2005 sei abzuleiten, dass auf Grund der ausdrücklichen Zustimmung zur Schutzradienüberschneidung (mit Steiermärkischen Schutzgebieten) und der Tatsache der Verwendung gleichen Zuchtmaterials die notwendigen Voraussetzungen vorgelegen seien, die in der Steiermark gelegenen Belegstellen nach den einschlägigen Bestimmungen des Steiermärkischen Bienenzuchtgesetzes 1998 anzuerkennen.

Hinsichtlich der Reinzuchtbelegstellen "Ö" und "J" liege aber genau hier der Unterschied. Es würde nämlich weder das Einvernehmen - von dem fälschlicherweise vom Amtssachverständigen im Anerkennungsverfahren für die Belegstelle "J" ausgegangen worden sei - noch, wie sich erst jetzt herausstelle, das gleiche Zuchtmaterial vorliegen.

Ein bloßes Abstellen auf die Rasse "Apis mellifica carnica" greife bei der Beurteilung zu kurz und es komme dies auch in § 9 Abs. 1 Z. 3 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes zum Ausdruck, weil neben der Rasse auch dem Stamm der gezüchteten Bienen (Zuchtrichtung) entsprechende Bedeutung zukomme. Bei der Beurteilung, ob eine Überschneidung von Schutzradien als im Sinne der Bienenzucht zu beurteilen sei, seien nicht nur die rechtlichen Interessen benachbarter Belegstelleninhaber, sondern auch öffentliche Interessen maßgeblich. So sehe etwa § 10 Abs. 5 NÖ. Bienenzuchtgesetz für Inhaber von Stammvölkern innerhalb eines Schutzgebietes bestimmte Verpflichtungen vor. Zusammengefasst werde dadurch die Verpflichtung ausgesprochen, Stammvölker, die nach Rasse und Stamm nicht der Belegstelle entsprächen, entweder aus dem Schutzgebiet zu verbringen oder unter den dort näher dargelegten Umständen auf Rasse und Stamm der Belegstelle umzuweiseln. Im Falle von überschneidenden Schutzradien mit Bienen gleicher Rasse aber unterschiedlichen Stammes bzw. unterschiedlicher Linien könnten Inhaber von betroffenen Standvölkern ihrer Umweiselverpflichtung nicht ordentlich nachkommen, weil im Bereich der Schutzgebietsüberschneidung zwei verschiedene Linien maßgeblich seien. Dies würde aus rein bienenzuchtrechtlicher Sicht den öffentlichen Interessen der Bienenzucht offenkundig widersprechen. Nur für den Fall, dass in den überschneidenden Schutzradienbereichen gleiche Linien gezüchtet würden, erscheine diese Fallkonstellation rechtlich und fachlich gesehen grundsätzlich unproblematisch.

Zusammenfassend seien somit im Lichte der bienenzuchtfachlichen Beurteilung der Amtssachverständigen nach Erteilung der bienenzuchtrechtlichen Bewilligung für die Reinzuchtbelegstelle "J" im Widerrufsverfahren Gründe zu Tage getreten, die ein weiteres Aufrechterhalten dieser Bewilligung nicht mehr rechtfertigen könnten, weil den Interessen der Bienenzucht bezüglich der zeitlich wesentlich früher bewilligten benachbarten Reinzuchtbelegstelle "Ö" nicht (mehr) entsprochen werde. Dies insofern, als einerseits entgegen allen ursprünglichen Annahmen bzw. nunmehrigen Behauptungen das Einvernehmen für eine Schutzgebietsüberschneidung unter den betroffenen Belegstellenbetreibern nicht hätte festgestellt werden können und andererseits auf jeder Reinzuchtbelegstelle unterschiedliche Linien gezüchtet würden. Da eine Reinzuchtbelegstelle der regelmäßigen und nachhaltigen Reinzucht und der Begattung von Bienenköniginnen im Sinne einer (in der Regel selbst) gewählten Zuchtrichtung diene, müsse jede Einwirkung darauf auf ihre bienenzuchtfachlichen Auswirkungen geprüft werden. Es habe der Amtssachverständige auch wirtschaftliche Argumente ins Treffen geführt, die einen ausschlaggebenden Widerspruch zu den Interessen der Bienenzucht bedeuteten. Den Interessen der Bienenzucht widerspreche auch, wenn sich nachträglich herausstelle, dass eine später bewilligte Reinzuchtbelegstelle negativen Einfluss auf eine frühere habe oder haben könne, was im Ergebnis aber nicht bedeute, dass die spätere rein isoliert betrachtet per se den Interessen der Bienenzucht widersprechen müsse.

Nur die Bezugnahme auf andere bereits bewilligte Belegstellen und die näheren Umstände würden hier den Ausschlag geben. Somit seien objektiv nachvollziehbare Gründe für die Entscheidung und keine wie auch immer gearteten persönlichen Gründe maßgebend. Für die Belegstelle "J" sei im Bundesland Niederösterreich im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des § 10 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes noch kein Schutzgebiet verordnet worden und es würden unter Berücksichtigung der bienenzuchtfachlichen Äußerungen der Amtssachverständigen auf Grund der räumlichen Situierung der Belegstelle "Jägertal" die Festlegung eines Schutzgebietes zwangsläufig zur Überschneidung des Schutzradius mit der Reinzuchtbelegstelle "Ö" führen, was jedoch den Interessen der Bienenzucht widersprechen würde. Auch die anhörungsberechtigte NÖ. Landes-Landwirtschaftskammer sei in ihrer Stellungnahme vom 27. März 2008 den Ausführungen des bienenzuchtfachlichen Amtssachverständigen uneingeschränkt gefolgt. Diese halte einen Widerruf der erteilten Bewilligung für die Reinzuchtbelegstelle "J" ebenso aus ihrer Sicht für notwendig und gerechtfertigt. Den Einwendungen der beschwerdeführenden Partei habe daher nicht gefolgt werden können. Auf Grund des Umstandes, dass die Reinzuchtbelegstelle "" im Grenzgebiet zur Steiermark liege, habe die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 3. November 2005 unter anderem für diese Belegstelle einen Schutzradius auf steirischem Gebiet auf Basis der einschlägigen Bestimmungen des Steiermärkischen Bienenzuchtgesetzes 1998 verfügt. Es sei daher auch die Steiermärkische Landesregierung von der gegenständlichen Entscheidung in Kenntnis zu setzen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 19. Juni 2008, Zl. B 1015/08 ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergänzte die beschwerdeführende Partei ihre Beschwerde. Es wurde die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.

In der Beschwerde wird insbesondere vorgebracht, dass nach dem NÖ. Bienenzuchtgesetz ein Widerruf der Bewilligung dann vorgesehen sei, wenn die Belegstelle nicht mehr benützt werde, die Auflagen in Bezug auf Standvölker innerhalb des Schutzgürtels nicht eingehalten werden oder wenn sich der Standort oder der Betreiber ändere.

Ein Widerruf könne aber nicht erlassen werden, wenn sich der Betreiber einer anderen Belegstelle nach Ablauf der gesetzlichen Einspruchsfrist beschwere, dass sich die Schutzgürtel überschneiden würden, obwohl sich Belegstellen, deren Schutzgürtel sich überschneiden, gegenseitig absicherten, weil auf einer Belegstelle immer positiv selektierte Drohnen fliegen würden - im Gegensatz zu unselektierten Völkern von Stand- und Wanderimkern knapp außerhalb des Schutzgürtels oder - wie bei der Belegstelle der mitbeteiligten Partei - auch innerhalb des Schutzgürtels.

Ein Widerruf könne nicht erlassen werden, wenn Gutachter unsachlich ihre Meinung ändern bzw. im Nachhinein sagen würden, dass sie von der Voraussetzung des Einvernehmens zwischen den Belegstellenbetreibern ausgegangen seien. Das Gegenteil sei hier vom Gutachter ursprünglich hervorgehoben worden, obwohl die Nähe zu anderen Belegstellen bekannt gewesen sei. So sei damals ausgeführt worden, dass die drei Belegstellen Teil eines Belegstellen-Schutzgürtels vom Rax-Schneeberg-Gebiet bis Eisenerz/Trieben seien und daher von der räumlichen Situation her optimale Voraussetzungen für die Errichtung von Reinzuchtbelegstellen gegeben seien. Im NÖ. Bienenzuchtgesetz, welches zum Zeitpunkt des Ansuchens gültig gewesen sei, sei nicht gefordert worden, die naheliegenden Belegstellen zu nennen.

Ferner sei in der Fassung des NÖ. Bienenzuchtgesetzes LGBl. 6320-1 kein Hinweis auf ein notwendiges Einvernehmen zwischen zwei nahe gelegenen Belegstellen enthalten. Es sei auch nicht gefordert (wie etwa in der Fassung des Gesetzes LGBl. 6320- 3), benachbarte Belegstellen näher als 10 km anzugeben. Aber auch in dieser Fassung des Bienenzuchtgesetzes werde kein Einvernehmen verlangt. Es könne also ein Widerrufsbescheid nicht auf Annahmen basieren, die in keinem Gesetz gedeckt seien. Die Argumente der beschwerdeführenden Partei seien zwar zitiert, aber kommentarlos und ohne Begründung abgetan worden. Dem angefochtenen Bescheid sei lediglich zu entnehmen, dass den Einwendungen der beschwerdeführenden Partei nicht gefolgt werden könne. An dieser Stelle des Bescheides gehe es beispielsweise vor allem um Paarungsdistanzen unter Berücksichtigung der Topographie. Auf die Hinweise der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf die diesbezügliche wissenschaftliche Literatur sei überhaupt nicht eingegangen worden.

Das Vorbringen der mitbeteiligten Partei sei nach der gesetzlich vorgesehenen Einspruchsfrist erfolgt. Es sei keinesfalls nachzuweisen, dass die mitbeteiligte Partei auf der Belegstelle "Ö" ihre Linienzucht bei Aufrechterhaltung der Bewilligung der Belegstelle "J" nicht gewährleisten könne, denn eher das Gegenteil sei hier fachlich nachweisbar. Außerdem sei angemerkt, dass die Linien der mitbeteiligten Partei nachweisbar zum Großteil aus der Zuchtpopulation der Bundesanstalt für Bienenkunde stammten und damit gleichen genetischen Ursprungs seien.

Zwischen den beiden Belegstellen "J" und "Ö" würden nur Wald- und Almgebiete und Höhenrücken bis knapp 1500 Meter Seehöhe liegen. Diese würden auch als sichere Überflugsbarriere für Drohnen und Königinnen gelten. Hier würden seit Menschengedenken keine Stand- und Wanderbienenvölker gehalten und es sei daher in diesem Fall die Frage einer Umweiselung der Standvölker entsprechend dem Bienenzuchtgesetz irrelevant.

In Bezug auf die Überschneidung von Schutzgürteln müsse auch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei Drohnenvölkern um positiv selektierte Völker handle. Standvölker, die in beliebiger Anzahl auf den gleichen Standorten aufgestellt werden könnten, seien fast immer unselektiert. Daher könnten Paarungen auf einer Belegstelle (wenn es eine Paarungsüberschneidung gebe) im Gegensatz zu den positiv selektierten Drohnen eine Belegstelle sicher negativ beeinflussen.

Die Belegstelle "J" entspreche wegen des optimalen genetischen Niveaus der Drohnenvölker und vor allem wegen der Öffentlichkeit am ehesten den Interessen der Bienenzucht, weil eine öffentliche Belegstelle große positive Bedeutung für die breite Imkerschaft habe. Alle im Widerruf angeführten Begründungen seien nicht nachweisbar und daher alles andere als wirklich objektiv.

Die mitbeteiligte Partei behaupte, dass es kein mündliches Übereinkommen vor dem Ansuchen um Genehmigung gegeben habe, obwohl 1997 der Vertreter der beschwerdeführenden Partei mit der mitbeteiligten Partei übereingekommen sei, dass die Belegstelle nicht bei der R.-Lacke - wie ursprünglich geplant -, sondern im J errichtet werden solle. Diese Behauptung der mitbeteiligten Partei werde auch im angefochtenen Bescheid übernommen und das, obwohl weder das Gesetz ein solches Übereinkommen vorsehe, noch in der Stellungnahme der NÖ Landes-Landwirtschaftskammer oder im Gutachten des Amtssachverständigen anlässlich des Bewilligungsbescheides davon die Rede gewesen sei. Der amtssachverständige Gutachter habe die Behauptung, dass er von einem Einverständnis ausgegangen sei, mehr als fünf Jahre später nur mündlich erwähnt. Es sei daher nicht widerspruchslos nachweisbar, dass der Gutachter seinerzeit tatsächlich ein Einverständnis der Belegstellenbetreiber zu Grunde gelegt habe. Die mitbeteiligte Partei behaupte, dass sie durch die Belegstelle "J" wirtschaftlichen Schaden erleide. Warum dies der Fall sein sollte, bleibe jedoch im bienenzuchtfachlichen Gutachten nicht begründet. Tatsächlich seien erhöhte Kosten auf Grund der Belegstelle "J" weder argumentierbar noch beweisbar.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Ferner gab die mitbeteiligte Partei mehrere ergänzende Stellungnahmen im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ab, auf die die beschwerdeführende Partei replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 7 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes in der Fassung LGBl. 6320-1 ist eine Reinzuchtbelegstelle ein Bienenstand, der für die Begattung von Königinnen bestimmt und anerkannt ist.

§ 9 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes in der Fassung LGBl. 6320-1 lautete:

"(1) Die Errichtung und Haltung einer Reinzuchtbelegstelle bedarf der Bewilligung der Landesregierung, die vorher die NÖ Landes- Landwirtschaftskammer zu hören hat. Hiebei sind die Rasse und der Stamm der gezüchteten Bienen festzulegen und die zur Sicherung des Zuchterfolges erforderlichen Vorschreibungen zu machen. Die Zuchtrichtung darf nach Anhören der Landes- Landwirtschaftskammer nur mit Bewilligung der anerkennenden Behörde geändert werden.

(2) Die Bewilligungen gemäß Abs. 1 sind zu erteilen, wenn die angestrebten Maßnahmen im Interesse der Bienenzucht gelegen sind.

(3) Anerkannte Reinzuchtbelegstellen dürfen nur in abgelegenen, möglichst bienenleeren Gegenden gehalten werden. In Gebieten, die wegen ihrer Tracht von Wanderimkern aufgesucht werden oder in denen durch die Belegstelle eine Beeinflussung von Bienenständen von bestehenden Forschungseinrichtungen anzunehmen ist, dürfen Belegstellen nicht errichtet werden."

§ 10 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes in der Fassung LGBl. 6320-1 lautete auszugsweise:

"(1) Für jede Reinzuchtbelegstelle ist durch Verordnung der Landesregierung ein Schutzgebiet zu bestimmen.

(2) Als Schutzgebiet ist unter Berücksichtigung des Geländes eine Fläche festzulegen, dass die Reinzucht durch fremde Bienen nicht gefährdet wird. Es soll mindestens fünf km und darf höchstens zehn km im Umkreis umfassen.

(3) Von jeder Reinzuchtbelegstelle sind für je angefangene fünfzig Königinnen fünf Vatervölker (Dronenvölker) aufzustellen. Von jeder Reinzuchtbelegstelle sind jedoch während der Betriebszeit mindestens zehn Vatervölker zu halten.

(4) Wandervölker dürfen in das Schutzgebiet nicht eingebracht werden.

..."

Gemäß § 1 Abs. 9 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes in der Fassung LGBl. 6320-3 (in Kraft seit 25. Jänner 2007) ist eine Reinzuchtbelegstelle ein Bienenstand, welcher der regelmäßigen und nachhaltigen Reinzucht und Begattung von Bienenköniginnen dient und dafür anerkannt ist.

§ 9 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes in der Fassung LGBl. 6320-3 lautet:

"(1) Die Errichtung und der Betrieb einer Reinzuchtbelegstelle bedarf der Bewilligung der Landesregierung.

Der Antrag hat zu enthalten:

1. Namen und Anschrift der antragstellenden Person (Betreiber oder Betreiberin, Inhaber oder Inhaberin),

2. Namen und Anschrift des oder der für die Zuchtarbeit Verantwortlichen,

  1. 3. Rasse und Stamm der gezüchteten Bienen (Zuchtrichtung),
  2. 4. Namen und grundbuchsmäßige Bezeichnung der Reinzuchtbelegstelle unter Anschluss einer Lagekarte im Maßstab 1:50.000, aus der auch die Lage der unmittelbar benachbarten bewilligten Reinzuchtbelegstellen und zur Landesgrenze hervorgeht, wenn diese weniger als zehnkm im Umkreis entfernt ist,
  3. 5. Die Belegstellenordnung,
  4. 6. Die Zustimmung des Grundeigentümers oder der Grundeigentümerin zur Errichtung und zum Betrieb der Reinzuchtbelegstelle am Standort.

(2) Im Verfahren ist die NÖ Landes-Landwirtschaftskammer zu hören. Bewilligungen gemäß Abs. 1 sind zu erteilen, wenn die angestrebten Maßnahmen nicht den Interessen der Bienenzucht, dem Abs. 3 und dem § 10 widersprechen. In den Bewilligungen können zur Sicherung und Überwachung des Zuchterfolges erforderliche Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorgeschrieben werden. Die Bewilligungen haben dingliche Wirkung. Die Änderung in den Tatbeständen des Abs. 1 Z. 1 (Betreiber oder Betreiberin, Inhaber oder Inhaberin), 2 und 5 sind der Landesregierung unverzüglich zu melden. Änderungen in den Tatbeständen des Abs. 1 Z. 3 und 4 sind nur auf Grund einer neuen Bewilligung zulässig. Bei Wegfall der Voraussetzungen sind die Bewilligungen zu widerrufen. Vor Widerruf ist bei behebungsfähigen Mängeln eine angemessene Frist zur Abstellung des Mangels einzuräumen. Wird der Mangel zeitgerecht behoben, hat der Widerruf zu unterbleiben.

(3) Reinzuchtbelegstellen dürfen nur in abgelegenen, möglichst bienenleeren Gegenden bewilligt werden. In Gebieten, die wegen ihrer Tracht nachweislich von Wanderimkern oder Wanderimkerkinnen aufgesucht werden oder in denen durch die Belegstelle eine Beeinflussung von Bienenständen oder von bestehenden Forschungseinrichtungen anzunehmen ist, dürfen Belegstellen nicht errichtet werden."

Nach § 9 Abs. 2 des NÖ. Bienenzuchtgesetzes i.d.F. LGBl. Nr. 6320-3 sind Bewilligungen "bei Wegfall der Voraussetzungen" zu widerrufen.

Angesichts der seinerzeitigen Beurteilung vermag die belangte Behörde allein mit dem Hinweis auf die fälschliche Annahme der Zustimmung des Mitbeteiligten zur Erteilung einer bienenzuchtrechlichen Bewilligung für die Belegstelle "J" keinen rechtlich relevanten Wegfall der Voraussetzungen für die Bewilligung aufzuzeigen, zumal eine solche Zustimmung dem Bienenzuchtgesetz i.d.F. LGBl. Nr. 6320-1, das in dieser Fassung zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung anzuwenden war (siehe insbesondere § 9 Abs. 3 leg. cit.), nicht entnommen werden kann.

Auch § 9 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. i.d.F. der Novelle LGBL. Nr. 6320-3 verlangt lediglich die Zustimmung der Grundeigentümer für die Errichtung und zum Betrieb der Reinzuchtbelegstelle "am Standort", nicht jedoch die Zustimmung des Betreibers einer anderen Reinzuchtbelegstelle.

Was daher die im angefochtenen Bescheid erwähnte fehlende Zustimmung durch den Mitbeteiligten als Inhaber einer Reinzuchtbelegstelle anbelangt, so war weder nach altem noch nach neuem Recht eine solche vorgesehen, und es war auch im Bewilligungsbescheid der beschwerdeführenden Partei aus dem Jahre 2005 keine solche gefordert.

Die belangte Behörde begründet den Widerruf der Bewilligung für die Reinzuchtbelegstelle "J" auch mit einer nicht gewährleisteten Reinzucht für die Belegstelle "Ö" des Mitbeteiligten wegen Überschneidung der Schutzradien und wegen der Züchtung von Bienen gleicher Rasse, aber mit unterschiedlichen Stämmen bzw. Linien.

Ein Widerruf kommt jedoch - wie sich schon aus dem Wort "Wegfall" in § 9 Abs. 2 NÖ. BienenzuchtG i.d.g.F. ergibt - nur dann in Frage, wenn eine gesetzliche Bewilligungsvoraussetzung, die zur Zeit der Bewilligung erfüllt war, nachträglich weggefallen ist. Das Fehlen einer Bewilligungsvoraussetzung, die auch im Zeitpunkt der Bewilligung nicht gegeben war, stellt hingegen keinen Widerrufsgrund dar (vgl. die in diesem Zusammenhang das zum Widerruf der Zusicherung der Staatsbürgerschaft ergangene hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2004/01/0444).

Dass nachträglich eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung weggefallen wäre, ist aufgrund des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht ersichtlich. Eine nachträglich geänderte fachliche Beurteilung des schon seit dem Zeitpunkt der Bewilligung unverändert gebliebenen Sachverhaltes vermag jedoch einen Widerruf nicht zu rechtfertigen. Da - wie sich im Beschwerdefall zeigt - lediglich eine geänderte fachliche Beurteilung der Bewilligungsvoraussetzungen bei unverändert gebliebenem Sachverhalt erfolgte, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren betreffend Schriftsatzaufwand für eine Replik war abzuweisen, weil ein gesonderter Schriftsatzaufwand in diesem Zusammenhang von der zuletzt genannten Verordnung nicht vorgesehen ist.

Wien, am 17. Juni 2010

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