VwGH 2007/01/0164

VwGH2007/01/016421.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde 1. der S A (geboren 1972) und 2. des G A (geboren 2001), beide in L, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 18. Jänner 2007, Zlen. 308.524-C1/E1- XI/33/07 (1.) und 308.523-C1/E1-XI/33/07 (2.), jeweils betreffend §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §34;
AsylG 2005 §75 Abs1;
AsylG 2005 §75 Abs5;
AsylG 2005 §75 Abs6;
AsylG 2005 §34;
AsylG 2005 §75 Abs1;
AsylG 2005 §75 Abs5;
AsylG 2005 §75 Abs6;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40, sohin insgesamt EUR 2.212,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Mazedonien, sie gehören der albanischen Volksgruppe an und stellten am 1. Dezember 2006 (der minderjährige Zweitbeschwerdeführer vertreten durch seine Mutter, die Erstbeschwerdeführerin) Anträge auf internationalen Schutz.

Der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers, R A (geboren 1964), stellte am 28. November 2001 einen Asylantrag. Das Asylverfahren des R A (im Folgenden: RA) war im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide - nach einer für ihn negativen erstinstanzlichen Entscheidung vom 22. September 2003 gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I  Nr. 101/2003 und einer dagegen erhobenen Berufung - seit 15. Oktober 2003 bei der belangten Behörde im Stadium eines offenen Berufungsverfahrens anhängig.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde jeweils die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 20. Dezember 2006 - mit denen jeweils die Anträge auf internationalen Schutz abgewiesen, den beschwerdeführenden Parteien der Status eines Asylberechtigten sowie eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Mazedonien ausgewiesen worden waren - gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (jeweils Spruchpunkt I.) und erkannte den beschwerdeführenden Parteien jeweils gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten (bezogen auf den Herkunftsstaat Mazedonien) nicht zu (jeweils Spruchpunkt II.). Eine Ausweisung wurde im Spruch der angefochtenen Bescheide nicht verfügt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten weder eine asylrelevante Bedrohung geltend gemacht, noch hätten sie Umstände dargetan, die auf eine ihnen im Herkunftsstaat Mazedonien drohende unmenschliche Behandlung schließen ließen. Die Erstbeschwerdeführerin habe nur angegeben, sie wolle bei ihrem Ehegatten, den sie seit fünf Jahren nicht mehr gesehen habe, sein. Entgegen der Ansicht der Erstbehörde sei eine Ausweisung beider Beschwerdeführer nicht auszusprechen; zum derzeitigen Zeitpunkt würde ihre Ausweisung einen Eingriff in ihr Familienleben darstellen, weil der Ehegatte/Vater in Österreich auf Grund eines anhängigen Asylverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung besitze. Anhaltspunkte dafür, dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens in einem anderen Staat möglich sei, bestünden nicht.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht im Ergebnis zu Recht geltend, dass die Beschwerdeführer Familienangehörige des Asylwerbers RA i.S. des § 34 AsylG 2005 sind.

Nach den Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 5 und 6 AsylG 2005 behalten positive Asyl- und Refoulemententscheidungen nach AsylG 1991 oder AsylG 1997, die vor Inkrafttreten des AsylG 2005 getroffen wurden, ihre Geltung und werden in den Status des Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten übergeleitet (arg. "gilt"). Dass eine derartige Überleitung positiver Entscheidungen in Verfahren, die gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen sind, hingegen nicht erfolgen soll, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Ausgehend von dieser auch im Asylverfahren des RA möglichen Überleitung in den Status des Asylberechtigten/subsidiär Schutzberechtigten hätten für die Beschwerdeführer bezogen auf das noch nicht abgeschlossene Asylverfahren ihres Ehegatten/Vaters die Sonderbestimmungen für das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 zur Anwendung gelangen müssen (vgl. sinngemäß auch das hg. Erkenntnis vom 9. April 2008, Zl. 2008/19/0205).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde die Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Demnach hätte die belangte Behörde die bei ihr anhängigen Berufungsverfahren der Beschwerdeführer und des RA unter einem zu führen gehabt. Richtigerweise hätten auch die von RA zur Stützung seines Asylantrages vorgebrachten Gründe in Betracht gezogen werden müssen, weil sie sich auch auf die Beschwerdeführer auswirken würden.

Da die belangte Behörde derartige Erwägungen nicht vorgenommen hat und die Bestimmungen des Familienverfahrens außer Acht ließ, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 52 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Oktober 2010

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