VwGH 2006/18/0308

VwGH2006/18/03088.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des J H in W, geboren am 20. Dezember 1962, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Mai 2006, Zl. UVS-FRG/21/2612/2006/1, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 12. Mai 2006 wurde die vom Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Bangladesch, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 17. Februar 2006, mit dem gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen worden war, erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde (u.a.) aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung den Antrag gestellt, "Der Unabhängige Verwaltungssenat möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben". Die Berufung sei bei der Erstbehörde eingebracht worden. Mit Schreiben vom 2. März 2006 sei der fremdenpolizeiliche Akt zuständigkeitshalber der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vorgelegt worden. Diese habe mit Schreiben vom 3. März 2006 den Beschwerdeführer ersucht, bekannt zu geben, ob er - Bezug nehmend auf den vorzitierten Antrag in seiner Berufung - tatsächlich eine Entscheidung der belangten Behörde in dieser Angelegenheit begehre.

Mit Schreiben vom 7. März 2006 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt gegeben, dass dieser als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin ein sogenannter begünstigter Drittstaatsangehöriger wäre, weshalb die Zuständigkeit über die Berufung gegen das erlassene Aufenthaltsverbot tatsächlich bei der belangten Behörde läge.

Nach Hinweis auf § 9 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, und § 2 Abs. 4 Z. 11 leg. cit. führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei, weil einerseits die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin in W geschlossen worden sei und andererseits diese österreichische Staatsbürgerin bereits seit 24. Jänner 2000 mit Hauptwohnsitz in W gemeldet sei. Ferner sei diese seit 14. April 1998 in einem näher genannten Pensionistenwohnhaus (in W) als Küchenhilfe beschäftigt. Sie habe somit nicht ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen. Insoweit habe der Beschwerdeführer seine Ehegattin weder begleiten noch ihr nachziehen können.

Eine Zuständigkeit der belangten Behörde sei daher nicht gegeben. Da jedoch ausdrücklich deren Entscheidung begehrt worden sei, habe die Berufung wegen Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid erweist sich aus einem von Amts wegen aufzugreifenden Grund als rechtswidrig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370, Slg. 14.475/A, zum Ausdruck gebracht, dass ein Spruch, mit dem eine Berufung zurückgewiesen wurde, grundsätzlich nicht in der Weise umgedeutet werden kann, dass er eine bloße Feststellung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde darstellt, die nicht als abschließende Entscheidung über die Berufung qualifiziert werden kann (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2004/21/0259). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Beharren des Antragstellers auf die Entscheidung durch eine bestimmte Behörde nicht zu einer Entscheidungsberechtigung der unzuständigen Behörde führen kann (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2004/18/0223, mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur hätte die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung nicht zurückweisen dürfen, sondern gemäß § 6 Abs. 1 AVG vorgehen müssen. Im Hinblick darauf belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb jener gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 8. Juni 2010

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