Normen
BAO §22;
EStG §10 Abs5;
EStG §24 Abs1 Z1;
BAO §22;
EStG §10 Abs5;
EStG §24 Abs1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Genossenschaft erwarb im März 1994 das gesamte bewegliche Anlagevermögen des Gerüstebauunternehmens "Ing. KE" und überließ es auf Grund eines Leasingvertrages ihrer 100%igen Tochtergesellschaft WGG. Die Körperschaftsteuer 1994 wurde zunächst erklärungsgemäß unter Berücksichtigung eines Investitionsfreibetrages für die erworbenen Anlagegüter festgesetzt.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde der geltend gemachte Investitionsfreibetrag nicht anerkannt. Dem Prüfungsbericht vom 2. April 1998 ist dazu Folgendes zu entnehmen:
"Im März 1994 wurde das Gerüstebauunternehmen des (Ing. KE) zur Gänze, bis auf die Büroräumlichkeiten, welche ab Erwerb des Unternehmens von (Ing. KE) gemietet wurde, durch die beiden Unternehmen (WGG) sowie die (Beschwerdeführerin) gekauft. Die (WGG) ist seit 16. Februar 1994 im alleinigen Besitz der oben genannten Genossenschaft. Der Kauf des Unternehmens erfolgte in der Weise, dass die von (Ing. KE) übernommenen Arbeitnehmer durch die (WGG) beschäftigt wurden, sämtliche Anlagegüter (bestehend aus Gerüsten u. LKWen) um S 16,000.000.- aus Liquiditätsgründen von der (Beschwerdeführerin) u. nur die Stilllegungsgebühr (in welcher sich (Ing. KE) verpflichtet in den nächsten 20 Jahren nicht in dieser Sparte mehr tätig zu werden) i.H.v. S 3,800.000.- von der (WGG) gekauft wurde. Auch dafür wurde jedoch von der (Beschwerdeführerin) Geld geborgt, wie man dem Verrechnungskonto entnehmen kann. Anschließend wurden die von der (Beschwerdeführerin) gekauften Gerüste u. LKWen an die (WGG) vermietet."
Da ein Investitionsfreibetrag beim Erwerb eines ganzen Betriebes nicht zustehe und die Intention des § 10 EStG 1988 gemäß § 22 BAO auch nicht dadurch umgangen werden könne, dass sämtliche körperlichen Gegenstände durch die liquide Muttergesellschaft erworben und nur die Stilllegungsvereinbarung von der Tochtergesellschaft geschlossen werde, gebiete es die wirtschaftliche Betrachtungsweise gemäß § 21 BAO einen Investitionsfreibetrag nicht zu gewähren, wenn wie im Beschwerdefall eine Muttergesellschaft und ihre 100%ige Tochtergesellschaft zusammen ein Unternehmen kauften.
Das Finanzamt schloss sich dieser Ansicht an, nahm das Körperschaftsteuerverfahren 1994 wieder auf und erließ einen entsprechend geänderten Abgabenbescheid.
In der gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1994 erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass "folgende Tatsachen gegen den Kauf eines Betriebes durch die (Beschwerdeführerin) und für die Anschaffung einzelner Wirtschaftsgüter" und daher für die Berechtigung zur Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages sprächen:
- Die von (Ing.KE) gemieteten Lagerplätze wurden von der (WGG) noch eine gewisse Übergangszeit angemietet, auch Büroräume wurden von der (WGG) noch weiter benutzt.
- Der Kundenstock bildet regelmäßig eine wesentliche Betriebsgrundlage und wurde von der (WGG) um einen Betrag von ATS3.800.000,-- erworben (Doralt EStG Kommentar 3. Auflage §24 Textziffer 37)
- Das gesamte Fachpersonal, welches aufgrund der erforderlichen besonderen fachlichen Qualifikation für ein Gerüstebauunternehmen ebenfalls einen wesentlichen Bestandteil des Betriebes darstellt wurde zur Gänze von der (WGG) übernommen (Doralt aaO Textziffer 41)
- Die (Beschwerdeführerin) hat lediglich einzelne Wirtschaftsgüter erworben, welche nicht einmal im eigenen Unternehmen den Verwendungszweck entsprechend genutzt, sondern weiterverleast wurden.
In der aufgezeigten Konstellation ist daher davon auszugehen, dass die (WGG) mehr wesentliche Grundlagen des Vorgängerbetriebes erworben hat als die (Beschwerdeführerin)."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie stützte sich hierbei im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
Für die strittige Frage, ob die Beschwerdeführerin einen Betrieb erworben habe und somit die Geltendmachung eines IFB gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 ausgeschlossen sei, sei auf die Vorschriften über die Betriebsveräußerung abzustellen. Aufbauend auf die diesbezügliche, im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Rechtsprechung kam die belangte Behörde zum Schluss, dass gegenständlich ein Betriebserwerb (nämlich eines Gerüstebauunternehmens) seitens der Beschwerdeführerin vorliege. Die Tätigkeit einer Gerüstebaufirma bestünde darin, Kenntnis von Bauvorhaben zu erlangen, den Auftrag für eine "Ummantelung" des Bauwerkes zu erhalten und anschließend Partien für die Gerüstschalungen zusammenzustellen. Die bezeichnete Tätigkeit sei weder als besonders orts- noch als kundengebunden anzusehen. Die Hauptarbeiten bestünden im Transport, in der Aufstellung und im Abtransport der Gerüste. Gerüstanlagen und Transportfahrzeuge gehören demgemäß zu den wesentlichsten Betriebsgrundlagen. Dass die Beschwerdeführerin diese Anlagen weitervermietet habe, sei für die Beurteilung, ob ein Betriebserwerb vorliege, unbeachtlich. Entscheidend sei, ob objektiv gesehen eine Betriebsübertragung vorliege und der Betrieb - wiederum objektiv gesehen - weitergeführt werden könne.
Zusätzlich zu dem Umstand, dass es für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin keines mit Fachwissen spezialisierten Personals bedürfe, käme es nach der Rechtsprechung schon ganz allgemein nicht darauf an, dass bei einer Betriebsübertragung das Personal mitübertragen werde und der Betrieb nur mit eigenem Personal (weiter)geführt werden könne. Vielmehr reiche auch bei einer Betriebsveräußerung eine "Gestellung" aus. So hätten die benötigten Arbeiter jederzeit von der 100%igen Tochter WGG geleast oder am Markt kurzfristig besorgt werden können.
Dem behaupteten Erwerb des Kundenstocks durch die WGG sei entgegenzuhalten, dass ein solcher nicht dokumentiert sei. Das Dokument über die Ablösezahlung von 3,800.000 S für die Nichtausübung der Tätigkeit durch Ing. KE enthalte einen solchen Passus nicht. Die belangte Behörde gehe auch nicht davon aus, dass die Kundenkontakte zu den unabdingbaren Grundlagen dieses Betriebes zählten, zumal die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben in der Berufungsverhandlung selbst 72 Baumeister für Akquirierungen "an der Hand hatte". Vielmehr ziehe die belangte Behörde aus dem Umstand, dass die Gerüste um rund 15,790.000 S von der Beschwerdeführerin erworben worden seien, während diese in der Verkäuferbilanz zum 31. Dezember 1993 mit Anschaffungskosten von nur 8,612.721 S und einem Buchwert von 1,134.810 S enthalten waren, den Schluss, dass mit der Zahlung von 15,790.000 S seitens der Beschwerdeführerin auch ein Firmenwert in nicht unbeträchtlicher Höhe mitabgegolten worden sei. In dieser Firmenwertzahlung stecke offenkundig auch ein Kundenstockanteil, während die WGG für den Verzicht auf die Ausübung der Tätigkeit bezahlt habe.
Die von der Tochtergesellschaft weiterbenutzten Büros und Lagerräume stellten ebenfalls keine wesentlichen Betriebsgrundlagen dar, weil verzinkte Gerüste praktisch überall gelagert werden könnten und auch diesbezüglich die WGG jederzeit für die Beschwerdeführerin hätte tätig werden können. Am Markt oder bei Tochterunternehmen beschaffbare betriebliche Lagerplätze hätten aber ausgereicht, um den gegenständlichen Gerüstebaubetrieb weiterzuführen.
Daraus schließe die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin die wesentlichen Teile der Gerüstebaufirma (inklusive eines nicht ausgewiesenen und in den Anlagewerten nicht unterzubringenden Firmenwertes und Kundenstockanteils) übernommen habe, während die WGG lediglich eine Zahlung für die Nichtausübung der Tätigkeit des Ing. KE geleistet habe. Die Gerüste und LKW würden jene Grundlage bilden, mit denen ein solcher Betrieb geführt werden könne. Alle anderen Bestandteile und das Personal hätten am Markt oder von der Tochtergesellschaft geleast werden können.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Vorwurf der inhaltlichen Rechtswidrigkeit.
Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie jeweils zwei weiterer Repliken durch die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988 in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 101/2006 durfte ein Investitionsfreibetrag u. a. bei Erwerb eines Betriebes nicht geltend gemacht werden.
Der Erwerb eines Betriebes liegt immer dann vor, wenn die erworbenen Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des bisherigen Betriebes gebildet haben und an sich geeignet waren, dem Erwerber die Fortführung des übernommenen Betriebes zu ermöglichen. Es muss ein in seinen wesentlichen Grundlagen vollständiger Organismus des Wirtschaftslebens übertragen werden, wobei es nicht entscheidend ist, ob der Erwerber tatsächlich willens ist, den erworbenen Betrieb unverändert weiterzuführen. Es genügt, dass die insgesamt erworbenen Wirtschaftsgüter objektiv die Fortführung des Betriebes ermöglichen. Dabei ist der zivilrechtliche Titel, der den Erwerber zur Nutzung bestimmter Teile des Betriebsvermögens berechtigt, nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die tatsächliche Einräumung des Verfügungsrechtes in einer Weise, die es ermöglicht, den Betrieb im Wesentlichen unverändert weiterzuführen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2006, 2006/15/0033).
Ebenso wie bei der Veräußerung eines ganzen Betriebes iSd § 24 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 kommt es auch beim Erwerb eines solchen Betriebes nach der Bestimmung des § 10 Abs. 5 leg.cit. darauf an, ob die wesentlichen Grundlagen des Betriebes übertragen werden. Welche Betriebsmittel zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes gehören, bestimmt der jeweilige Betriebstypus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2005, 2000/15/0214, sowie mit weiteren Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 24 Tz. 13).
Einen tauglichen Maßstab für die vorzunehmende Wertung, ob ein Betrieb übertragen wird, gibt die Beschreibung der bisherigen in der Hauptsache ausgeübten betrieblichen Tätigkeit. Ihre Art, ihr Umfang und ihr geschäftlicher Wirkungskreis müssen aufrechterhalten werden können, soll durch die Sachmittelübertragung der Übergang des Betriebes als bewirkt zu betrachten sein. Bei Beurteilung dieser Frage wird insbesondere zu prüfen sein, ob die ihrer Funktion nach für den übergehenden Betrieb in seiner bisherigen Art und Größe bestimmenden Wirtschaftsgüter übergehen, denn dies sind die Betriebsgrundlagen, die die Betriebsfortführung beim Erwerber ermöglichen (vgl. Stoll, Rentenbesteuerung4, Rz. 208).
Die Beschwerdeführerin bringt vor, auf Grund von Veränderungen der Marktgegebenheiten in den letzten 15 bis 20 Jahren komme dem Anlagevermögen eines Gerüstebauunternehmens nicht mehr die primäre Bedeutung wie in den Siebziger oder Achtziger Jahren zu. In zunehmendem Maße würden Anlagegüter im Wege des Leasings oder kurzfristiger Anmietungen zur Verfügung gestellt, sodass der Substanzwert auch bei Unternehmensbewertungen in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren habe.
Dieser Einwand übersieht, dass es für die Frage, ob ein Betrieb übergegangen (erworben worden) ist, nicht auf allgemeine Fragen der Unternehmensbewertung ankommt, sondern entscheidend darauf, ob der Betrieb in seiner konkreten, gerade den übertragenen Betrieb ausmachenden Art übergeht. Das sind vor allem die Aktiva, die für die Führung des Betriebes notwendig waren und tatsächlich der Erfüllung des Betriebszweckes gedient haben und nach der Übertragung für die Erfüllung des Betriebszweckes objektiv notwendig sind. Wirtschaftsgüter bilden somit eine wesentliche Grundlage des konkreten Betriebes, wenn sie für die Betriebsführung ein besonderes wirtschaftliches Gewicht haben. Es muss sich um Wirtschaftsgüter handeln, bei denen es aus der Sicht des Betriebes wirtschaftlich einen deutlichen Unterschied macht, ob sie vorhanden sind und dem Betrieb dienen oder nicht, wenn sie also geradezu - gemessen an der Art, der Struktur und dem Umfang des fortzuführenden Betriebes - unentbehrlich sind (vgl. Stoll, aaO, Rz. 210). Genau dies trifft auf die von der Beschwerdeführerin erworbenen beweglichen Anlagegüter zu. Besteht die betriebliche Tätigkeit wie im Beschwerdefall im Errichten von Gerüsten, stellt das Gerüstmaterial die wesentlichste Betriebsgrundlage dar. Da auf die Verhältnisse des konkreten Betriebs abzustellen ist und der übertragene Betrieb nicht mit gemietetem, sondern mit eigenem Gerüstmaterial geführt wurde, kam dem Erwerb dieser Anlagegüter - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - besonderes wirtschaftliches Gewicht zu.
Im Beschwerdefall ist der übertragene Betrieb - ungeachtet des Auftretens zweier juristischer Personen - im Ganzen erhalten geblieben und in einem einheitlichen Vorgang auf die Beschwerdeführerin und deren Tochtergesellschaft übergegangen. Dies wird auch in der Beschwerde bestätigt, wenn dort ausgeführt wird, dass die WGG auf Grund der effektiven Weiterführung des von Ing. KE erworbenen Betriebes nach den Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, AVRAG, zum Eintritt in die bis dahin zum Veräußerer bestehenden Dienstverhältnisse verpflichtet war.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt es nicht darauf an, ob die Fortführung des Betriebes der Beschwerdeführerin oder "nur" ihrer Tochtergesellschaft "zugerechnet" werden kann. Auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Verbindung - die WGG ist 100%ige Tochtergesellschaft der beschwerdeführenden Genossenschaft - liegt ein Betriebserwerb auch dann vor, wenn einzelne Wirtschaftsgüter von der einen, andere Wirtschaftsgüter von der anderen Gesellschaft erworben werden oder wie im Beschwerdefall eine Trennung in eine Betriebs- und eine Besitzgesellschaft erfolgt. Der Investitionsfreibetrag steht in einem solchen Fall keiner der am Betriebserwerb beteiligten Gesellschaften zu, weil auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der am Erwerb des Betriebes beteiligten Gesellschaften sichergestellt ist, dass der Betrieb in der selben Weise weitergeführt werden kann, wie er bisher vom früheren Betriebsinhaber geführt worden war. Eines Rückgriffs auf die Bestimmung des § 22 BAO bedarf es dazu nicht. Dass für die gewählte Gestaltung wirtschaftliche Gründe vorlagen, wie in der Beschwerde betont wird, ändert nichts daran, dass in der gegebenen Konstellation die von der Beschwerdeführerin erworbenen Anlagegüter Teile eines im Ganzen erhalten gebliebenen Betriebes gebildet haben und ein Investitionsfreibetrag nach der Bestimmung des § 10 Abs. 5 EStG 1988 in der oben angeführten Fassung daher nicht zustand.
Da die Beschwerde somit insgesamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermag, erweist sie sich als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. Juni 2010
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