VwGH 2009/22/0178

VwGH2009/22/01789.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. Mai 2009, Zl. E1/9779/09, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 53 Abs. 1, 66 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 6. März 2002 rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Er habe über eine bis 30. Jänner 2003 gültige Aufenthaltserlaubnis als "sog. Deutschkurs-Student" verfügt. Am 30. Jänner 2003 habe er einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei "mit 2. April 2009 rechtskräftig (...) negativ abgeschlossen worden". Der unbescholtene Beschwerdeführer sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Er lebe bei seinem Bruder und dessen Familie. Die Eltern des Beschwerdeführers lebten in der Türkei. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch. Am Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführer nicht integriert. Ein Hotelier in F habe sich bereit erklärt, den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers für drei Jahre zu finanzieren.

Es liege daher ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Dies mache aber die Erlassung der Ausweisung im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG nicht unzulässig. Es bestehe ein sehr großes öffentliches Interesse daran, dass sich Fremde (nur) rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Es sei daher zur Erreichung in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele, nämlich des Schutzes der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Einwanderungswesens sowie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen - der rechtswidrige Aufenthalt stelle eine Verwaltungsübertretung dar -, dringend geboten, dass der Beschwerdeführer, der seit Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, dass Bundesgebiet verlasse.

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung, was diese auch nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig mache. Zwar halte sich der Beschwerdeführer seit März 2002 - sohin seit sieben Jahren - im Bundesgebiet auf. "Zum Großteil" sei der Aufenthalt auch rechtmäßig gewesen. Allerdings sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers von vornherein "auf vorübergehend, für die Dauer des Deutschkurses bzw. anschließend des Asylverfahrens angelegt" gewesen. Der Beschwerdeführer sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Beschwerdeführers - infolge dessen, dass er sieben Jahre bei seinem Bruder und dessen Familie gelebt habe - sei "auf Grund seines nicht auf Dauer angelegten Aufenthalts" relativiert. Das Privatleben sei zu einer Zeit entstanden, als sich der Beschwerdeführer der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus' bewusst gewesen sei oder hätte bewusst sein müssen. Das Verlassen der Türkei liege noch nicht so lange zurück, dass sich der Beschwerdeführer mit den dortigen Gegebenheiten nicht mehr zurecht finden würde. Die mit der Ausweisung verbundenen Unannehmlichkeiten müsse er im öffentlichen Interesse in Kauf nehmen. Auch lägen keine Umstände vor, die im Rahmen der Ermessensentscheidung die Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung gebieten würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; 4. der Grad der Integration; 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit; 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht hat die belangte Behörde alle jene Umstände, die in der Beschwerde zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden, bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG berücksichtigt. Die vom Beschwerdeführer gerügten Ermittlungsmängel liegen somit nicht vor. Die belangte Behörde verwies aber auch zutreffend auf das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, gegen das der Beschwerdeführer dadurch verstoßen hat, dass er nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis einen Asylantrag gestellt hat, der sich als von Anfang an unberechtigt erwiesen hat, und dass er nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages Österreich nicht verlassen hat. Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines mehrjährigen Aufenthaltes hielt die belangte Behörde zu Recht entgegen, dass dieser auf den unbegründeten Asylantrag zurückzuführen und seit Beendigung des diesbezüglichen Verfahrens unrechtmäßig war.

Auch kann der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei seinem Heimatland nicht derart entfremdet, dass er sich dort im Falle seiner Rückkehr nicht mehr zurecht finden könnte, nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, zumal der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bis zu seinem 22. Lebensjahr in der Türkei gelebt hat. Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht bestritten, dass auch die Eltern des Beschwerdeführers in der Türkei leben.

Die geltend gemachten Umstände reichen somit auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten (Stellen eines von Anfang an unberechtigten Asylantrages nach Ablauf seines Aufenthaltstitels und unrechtmäßiger Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens) versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, 2008/21/0654).

Die Beurteilung der belangten Behörde, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet seien nicht derart gewichtig, dass sie die Erlassung der Ausweisung unzulässig machen würden, ist somit nicht zu beanstanden.

Soweit der Beschwerdeführer noch meint, es hätte "das Bleiberecht" geprüft werden müssen, so ist er darauf hinzuweisen, dass gemäß § 44b Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) selbst Anträge nach den §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 3 und 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen (vgl. im Übrigen auch die Verfahrensbestimmung des § 44b Abs. 2 NAG).

Zusammenfassend kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des vorliegenden Falles die Ausweisung des Beschwerdeführers für zulässig erachtete.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 9. Juli 2009

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