VwGH 2009/21/0162

VwGH2009/21/01628.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des U, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. April 2009, Zl. Senat-FR-08-3053, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1 impl;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1 impl;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der bekämpfte Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (insoweit er die zu Grunde liegende Administrativbeschwerde abweist) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. April 2008 verhängte die Bundespolizeidirektion Schwechat gegen den Beschwerdeführer, gegen den 2005 ein Aufenthaltsverbot erlassen worden war, gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft. In dieser verblieb er bis 18. Juli 2008.

Mit Schriftsatz vom 7. August 2008 erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde; er beantragte, der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) möge die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie die Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft "ab Beginn bis Ende" feststellen.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid entschied die belangte Behörde darüber wie folgt:

"Der Beschwerde wird gemäß § 83 FPG 2005 teilweise Folge gegeben und festgestellt, dass der Vollzug der Schubhaft vom 3.7.2008 bis 18.7.2008 mit Rechtswidrigkeit belastet sind."

Außerdem erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Aufwandersatz zu.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer bei einer polizeilichen Kontrolle am 6. April 2008 im Bereich des Flughafens Wien-Schwechat fremder Reisedokumente bedient habe. Im Hinblick darauf sei er festgenommen und der Bundespolizeidirektion Schwechat vorgeführt worden. "Im Rahmen der durchgeführten Erhebungen" sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt habe, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. April 2008 zurückgewiesen worden sei. Allerdings sei diese Entscheidung erst mit 13. Mai 2008 in Rechtskraft erwachsen. Einer gegen die zweitinstanzliche asylrechtliche Entscheidung erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof habe dieser mit Beschluss vom 3. Juli 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer wieder die Rechtsstellung als Asylwerber zukomme.

Rechtlich argumentierte die belangte Behörde dann wie folgt:

"Im Hinblick auf die in § 76 (1 und 2) FPG 2005 umschriebenen Schubhaftzwecke ist grundsätzlich im Zeitpunkt der Haftverhängung durch die Behörde nicht abschließend zu beurteilen, ob die im Gesetz durch die Haft zu sichernden Maßnahmen wie Aufenthaltsverbot, Ausweisung oder Abschiebung auch tatsächlich erlassen oder verhängt werden. Es genügt vielmehr, wenn die Behörde aufgrund der ihr bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Umstände miteinander logisch verknüpften Sachverhaltselemente berechtigten Grund zur Annahme haben kann, dass die oben angeführten Maßnahmen, Verfahrensschritte oder Vollzugshandlungen möglich sein werden."

Dies führe - so die belangte Behörde weiter - im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers zu Recht erfolgt sei und "auch prinzipiell" die Voraussetzungen für die Verhängung einer Schubhaft als gegeben anzunehmen seien. Die Verhängung der Schubhaft unter Berufung auf § 76 Abs. 1 FPG in Unkenntnis der Tatsache, dass die Zurückweisung des Asylantrages noch nicht in Rechtskraft erwachsen gewesen sei, könne den Bescheid und den Vollzug der Schubhaft noch nicht mit Rechtswidrigkeit belasten. Allerdings erweise sich die über den 3. Juli 2008 hinausgehende Anhaltung in Schubhaft angesichts der mit diesem Tag erfolgten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung "der VwGH-Beschwerde" bis zur Entlassung des Beschwerdeführers am 18. Juli 2008 als mit Rechtwidrigkeit belastet. Es sei daher der Beschwerde in dieser Hinsicht Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Der bekämpfte Bescheid enthält keinen ausdrücklichen abweisenden Spruchteil. Vor dem Hintergrund der erhobenen Schubhaftbeschwerde einerseits und der dargestellten Begründung andererseits kann allerdings nicht zweifelhaft sein, dass mit der im Spruch enthaltenen Floskel "teilweise Folge gegeben" die Abweisung des davon nicht betroffenen Teils der zu Grunde liegenden Administrativbeschwerde (Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung vom 7. April 2009 bis 2. Juli 2009) zum Ausdruck gebracht werden sollte. Diese Abweisung bekämpft die vorliegende Beschwerde mit Erfolg:

Sie weist zutreffend darauf hin, dass die Schubhaft in Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bei Erlassung des Schubhaftbescheides Asylwerber war, nicht auf § 76 Abs. 1 FPG hätte gestützt werden dürfen. Eine dem Gesetz entsprechende Verhängung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer nach § 76 Abs. 1 FPG schied damit von vornherein aus, der allein auf diese Bestimmung gegründete Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 7. April 2009 erweist sich damit entgegen der Ansicht der belangten Behörde als rechtswidrig (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 2007, Zlen. 2006/21/0067, 0068, und Zl. 2007/21/0348, sowie das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0446). War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das aber auch für die auf ihn gestützte Anhaltung gelten, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass mit rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens - lt. unbekämpfter Feststellung des bekämpften Bescheides per 13. Mai 2008 - nunmehr die Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs. 1 FPG in Betracht gekommen wäre. Der einmal rechtswidrige Schubhaftbescheid kann nämlich nicht - quasi partiell für einen "Teilzeitraum"- konvalidieren, zumal dies im Ergebnis einer im Gesetz insoweit nicht vorgesehenen Schubhaftverhängung "auf Vorrat" gleichkommen würde. Der bekämpfte Bescheid war daher im gesamten Umfang seiner Anfechtung - soweit er den Antrag, es mögen der Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung bis 2. Juli 2009 für rechtswidrig erklärt werden, abweist - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 8. September 2009

Stichworte