VwGH 2009/18/0107

VwGH2009/18/01072.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des E A, geboren am 15. Februar 1978, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Februar 2009, Zl. E1/40.027/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 11. November 2002 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am darauffolgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug vom unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG abgewiesen worden sei. Diese Entscheidung sei am 3. November 2008 in Rechtskraft erwachsen. Mit demselben Datum sei auch die ihm erteilte vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG widerrufen worden. Laut Mitteilung des Bundesasylamtes vom 6. Februar 2009 sei die Behandlung der von ihm dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde abgelehnt worden.

Der Beschwerdeführer halte sich unbestrittenermaßen seit Abschluss des Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel - sohin unrechtmäßig - in Österreich auf, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Er lebe in Wien mit seinen Eltern (sein Vater sei österreichischer Staatsbürger) im gemeinsamen Haushalt. Sein jüngerer Bruder sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und zum dauerhaften Aufenthalt in Österreich berechtigt. Auch seine Schwester sei mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und lebe mit diesem in einem eigenen Haushalt. Er gehe keiner Beschäftigung nach, sondern helfe seiner Familie im Haushalt und sei durch die Caritas medizinisch versorgt. Im vorliegenden Fall sei daher von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der unrechtmäßige weitere Aufenthalt im Bundesgebiet im Anschluss an ein negativ erledigtes Asylverfahren jedoch gravierend. Die familiären Bindungen und das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration des Beschwerdeführers erführen insofern eine Relativierung bzw. eine maßgebende Verminderung, als er während seines anhängigen Asylverfahrens bloß zum vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei, wobei sich sein Asylantrag als unberechtigt erwiesen habe und er keinesfalls davon habe ausgehen dürfen, sich auf Dauer in Österreich niederlassen zu können.

Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung sei daher dringend geboten und im Sinn des § 66 FPG zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde auch keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, dass das den Beschwerdeführer betreffende Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet worden sei und er über keinen Aufenthaltstitel verfüge, begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass die belangte Behörde keine Abwägung zwischen den öffentlichen und den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers vorgenommen habe. Dieser lebe unbestrittenermaßen in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern, und es bestehe ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Er helfe im Ausgleich für Kost und Logis durch seine Eltern mit seiner Arbeit im Haushalt. Auch bestehe zu seinen in Österreich legal aufhältigen Geschwistern, nämlich seinem Bruder und seiner Schwester, die mit österreichischen Staatsbürgern eine Ehegemeinschaft eingegangen seien und einen eigenen Haushalt gegründet hätten, eine enge Bindung. Der - unverheiratete - Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 2002 derjenige, der stets im Haushalt seiner Eltern gewohnt habe, sodass die belangte Behörde von einem ausreichend intensiven Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK hätte ausgehen müssen. Auch wenn er erwachsen sei, sei durch das jahrelange gemeinsame Leben im gemeinsamen Haushalt eine Schwelle des Privat- und Familienlebens erreicht, die eine Ausweisung unzulässig mache.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat bei der gemäß § 66 Abs. 1 FPG durchzuführenden Interessenabwägung im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit November 2002 und seine familiären Bindungen zu seinen Eltern, in deren Haushalt er lebt, und seinen ebenso hier aufhältigen beiden Geschwistern, die mit österreichischen Staatsbürgern verheiratet sind und in einem eigenen Haushalt leben, zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Die aus dieser Aufenthaltsdauer resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers sind allerdings an Gewicht insoweit zu relativieren, als er bisher lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG auf Grund eines Asylantrages verfügt hat, der sich als unberechtigt herausgestellt hat.

Den genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2008, Zl. 2008/18/0363). Die angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers stellen auch unter Berücksichtigung der in der Judikatur des EGMR aufgestellten Kriterien (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, mwN) keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahren in sein Heimatland zurückzukehren. Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen, wie oben dargestellt, relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken. Hiebei kann - entgegen der Beschwerdeansicht - keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde, die in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf diese gegenläufigen Interessen eingegangen ist, keine Interessenabwägung vorgenommen habe.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 2. April 2009

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