VwGH 2009/17/0020

VwGH2009/17/002013.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der I I G in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Dezember 2008, Zl. Ib-17512-3/2008, betreffend Wasseranschluss- und Kanalanschlussgebühren (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Kitzbühel, vertreten durch Brüggl & Harasser OEG, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art89 Abs1;
GdO Tir 2001 §60;
KanalgebührenO Kitzbühel 2007;
B-VG Art89 Abs1;
GdO Tir 2001 §60;
KanalgebührenO Kitzbühel 2007;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes 1. betreffend die Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hinsichtlich seines Spruchpunktes 2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.222,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zwei Bescheiden, je vom 10. Dezember 2007, wurde der beschwerdeführenden Partei aus Anlass des Neubaus eines Wohnhauses auf einem näher umschriebenen Grundstück im Bereich der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom Bürgermeister derselben eine Kanalanschlussgebühr von EUR 18.460,20 und eine Wasseranschlussgebühr von EUR 16.643,-- (jeweils inklusive USt) vorgeschrieben.

Die Behörde ging dabei von einem der Berechnung jeweils zugrunde zu legenden Gesamtausmaß von 900,36 m2 aus und multiplizierte dieses unter Berufung auf den Gemeinderatsbeschluss vom 13. November 2006 hinsichtlich der Kanalgebühren mit EUR 16,91. Zusätzlich wurde für den Schwimmbeckeninhalt von 41,26 m3 pro m3 EUR 37,73 berechnet.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen beide erstinstanzliche Bescheide in getrennten Schriftsätzen jeweils Berufung, wobei inhaltlich weitgehend übereinstimmend ausgeführt wurde, die Voraussetzungen für eine Vorschreibung der Kanalgebühren bzw. Wasserleitungsgebühren lägen noch nicht vor; es handle sich um ein nicht fertig gestelltes und auch nicht kollaudiertes Objekt. Es sei (zwar) richtig, dass das Objekt an das städtische Kanalnetz angeschlossen sei, wobei allerdings eine Nutzung infolge erheblicher, im Zuge des Baus entstandene Mängel völlig unmöglich sei. Das Objekt sei nicht bewohnt, nicht fertig gestellt und auch nicht benützungsbewilligt.

In der Folge führte die beschwerdeführende Partei hinsichtlich beider erhobenen Berufungen ergänzend aus, die grundsätzliche Problematik sei die Verrechnung eines zweiten Untergeschoßes. Es sei zwar ein derartiges zweites Untergeschoß vorhanden, dieses sei jedoch als reiner Technikbereich anzusehen und könne nicht als Grundlage für die Berechnung der jeweils vorgeschriebenen Gebühren herangezogen werden. Die Wasseranschlussgebühr und die Kanalanschlussgebühr könnten nur von solchen Räumlichkeiten berechnet werden, die tatsächlich auch in irgendeiner Form bewohnbar seien, was bei dem vorliegenden Technikraum von vornherein auszuschließen sei.

Mit Berufungsvorentscheidungen, jeweils vom 20. August 2008, wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufungen der beschwerdeführenden Partei jeweils ab und bestätigte die angefochtenen Bescheide. Die Behörde berief sich in beiden Bescheiden auf die jeweils anzuwendende Kanalgebührenordnung bzw. Wasserleitungsgebührenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Zusammenhang mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 13. November 2006.

Nach dem Akteninhalt stellte die beschwerdeführende Partei (nur) hinsichtlich der Kanalanschlussgebühr einen Vorlageantrag.

Mit seinen Bescheiden, jeweils vom 24. September 2008, wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung sowohl hinsichtlich der Kanalanschlussgebühr wie auch hinsichtlich der Wasseranschlussgebühr ab und bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide.

Auch hier berief sich die Behörde jeweils auf die Kanalgebührenordnung bzw. die Wasserleitungsgebührenordnung in Verbindung mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 13. November 2006.

Mit ihrem Bescheid vom 5. Dezember 2008 wies die belangte Behörde die Vorstellung gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. September 2008 über die Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.) gab jedoch der Vorstellung gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde über die Vorschreibung der Wasseranschlussgebühr Folge und hob den (vor ihr) angefochtenen Bescheid ersatzlos auf (Spruchpunkt 2.).

Hinsichtlich des letztgenannten Spruchpunktes führte die Vorstellungsbehörde aus, die Abgabenbehörde zweiter Instanz habe über die Wasseranschlussgebühr ohne Vorlageantrag der beschwerdeführenden Partei entschieden, weshalb eine Entscheidung einer unzuständigen Gemeindebehörde vorliege und der angefochtene Bescheid zu beheben gewesen sei.

Zu Spruchpunkt 1. verwies die belangte Behörde darauf, dass § 4 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde für die Heranziehung des zweiten Untergeschoßes einen klaren Berechnungsmodus vorgebe. Auf Basis dieser Bestimmung ergebe sich nämlich, dass für eine Außerachtlassung der ins Treffen geführten Räumlichkeit bei der Berechnung der Kanalanschlussgebühr kein Ermessensspielraum für die Abgabenbehörde verbleibe. Auch vermöge das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass bereits ein Kellergeschoß in die Berechnungsgrundlage für die Gebühr einbezogen worden sei, der Vorstellung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ebenfalls nicht entscheidend sei, wann das Objekt oder einzelne Geschoße eines Objektes bewohnbar seien. Aus § 2 Abs. 2 der Kanalgebührenordnung gehe nämlich ausdrücklich hervor, dass die Anschlussgebührenpflicht mit dem tatsächlichen Anschluss von Grundstücken an die bestehende Kanalisationsanlage entstehe. Dass das verfahrensgegenständliche Grundstück an die Kanalisationsanlage tatsächlich angeschlossen sei, sei von der beschwerdeführenden Partei nicht in Abrede gestellt worden.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (einschließlich der Akten betreffend die Kanalgebührenordnung) vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Stadtgemeinde hat das Vorliegen eines Kundmachungsmangels betreffend die angewendete Verordnung (ohne nähere Begründung) bestritten und gleichfalls ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach die Beschwerde abzuweisen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Kanalanschlussgebühr:

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat in der Sitzung vom 19. Juni 1986 und ergänzend am 1. März 1999 und 7. Juni 2001 beschlossen, für die Benützung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage eine Kanalgebührenordnung zu erlassen. Nach § 1 dieser Kanalgebührenordnung erhebt die Stadtgemeinde für die Benützung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage Gebühren in Form einer einmaligen Kanalanschlussgebühr und einer laufenden Kanalbenützungsgebühr. § 2 leg. cit. regelt die Anschlussgebühr wie folgt:

"1. Zur Deckung der Kosten der Errichtung und Erweiterung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage wird eine Anschlussgebühr erhoben.

2. Die Anschlussgebührenpflicht entsteht mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses von Grundstücken an die bestehende Kanalisationsanlage.

3. Die Gebührenpflicht erstreckt sich auf alle Neu-, Zu- und Umbauten sowie auf Schwimmbecken. Bei Zu- und Umbauten und bei Wiederaufbau von abgerissenen Bauten entsteht die Anschlussgebührenpflicht nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.

4. ..."

Die Berechnung der Anschlussgebühr ist näher in § 4 der erwähnten Kanalgebührenordnung geregelt:

"1. Bemessungsgrundlage ist die verbaute Grundfläche der angeschlossenen Gebäude, vervielfacht mit der Anzahl der Geschoße. Nicht ausgebaute Dachgeschoße werden nur zur Hälfte berechnet.

2. ..."

Am 13. November 2006 beschloss der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine "Verordnung über die Festsetzung der öffentlich-rechtlichen Steuern, Abgaben und Gebühren mit Wirkung ab 1. Jänner 2007". Darin ist unter A 8 die Abwasserentsorgungsgebühr wie folgt geregelt:

"(FAG 2005 §§ 14, 15; LGBl. 40/1985; GR 19.6.1986, 1.3.1999)

 

Netto

10 % USt

Brutto

Benützungsgebühr je m3 Wasserverbrauch

1,31

0,13

1,44

Kanalanschlussgebührenje m2 verbaute Fläche pro Etage

16,91

1,69

18,60

zuzügl. Schwimmbecken je m3 Inhalt

37,73

3,77

41,50

Die Anschlussgebühren sind jeweils nach dem zum Zeitpunkt des tatsächlich erfolgten Kanalanschlusses gültigen Sätzen

fällig."

Nach dem Akteninhalt erfolgte die Kundmachung dieser Verordnung in der Form, dass der Beschluss des Gemeinderates während der zweiwöchigen Kundmachungsfrist beim Stadtamt in einem näher umschriebenen Lokal zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt wurde. Die Kundmachung betreffend die Möglichkeit zur öffentlichen Einsichtnahme wurde am 14. November 2006 (an der Amtstafel) angeschlagen und am 30. November 2006 (von der Amtstafel) abgenommen.

Die Kundmachung von Verordnungen, sonstigen Rechtsakten und Mitteilungen von Gemeinden ist in § 60 der Tiroler Gemeindeordnung 2001 - TGO, LGBl. Nr. 36/2001, näher geregelt. Die hier entscheidungswesentlichen Abs. 1 und 2 lauten wie folgt:

"(1) Verordnungen von Gemeindeorganen und Rechtsakte, die einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen, sowie alle an die Allgemeinheit gerichteten Mitteilungen sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, unverzüglich durch öffentlichen Anschlag

a) an der Amtstafel der Gemeinde für die Dauer von zwei Wochen und

b) in sonst ortsüblicher Weise

kundzumachen. Besteht eine Gemeinde aus mehreren Ortschaften, so ist die Kundmachung in jeder Ortschaft vorzunehmen.

(2) Enthalten Verordnungen, Rechtsakte oder Mitteilungen im Sinne des Abs. 1 Teile wie Pläne, Karten und dergleichen, deren Anschlag wegen ihres Umfanges oder ihrer technischen Gestaltung einen nicht vertretbaren Aufwand verursachen würde, so sind diese Teile durch Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme im Gemeindeamt während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden zu verlautbaren. Jedermann hat das Recht, beim Gemeindeamt gegen Ersatz der Gestehungskosten eine Kopie dieser Teile zu verlangen, sofern die Herstellung der Kopie mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand technisch möglich ist."

Die "Verordnung über die Festsetzung der öffentlichrechtlichen Steuern, Abgaben und Gebühren mit Wirkung ab 1. Jänner 2007" besteht aus drei Blättern. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Verordnung nicht durch öffentlichen Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde für die Dauer von zwei Wochen kundgemacht hätte werden können. Die Kundmachung durch öffentliche Einsichtnahme im Gemeindeamt gemäß § 60 Abs. 2 TGO kam jedenfalls wegen des Fehlens von Plänen, Karten oder anderer kundzumachender Bestandteile, deren Anschlag wegen ihres Umfanges oder ihrer technischen Gestaltung einen nicht vertretbaren Aufwand verursachen würde, nicht in Betracht.

Damit hat aber der Verwaltungsgerichtshof, der gemäß Art. 89 Abs. 1 BVG berechtigt ist, die gehörige Kundmachung von Verordnungen selbst zu prüfen, die genannte "Verordnung über die Festsetzung der öffentlich-rechtlichen Steuern, Abgaben und Gebühren mit Wirkung ab 1. Jänner 2007" mangels gehöriger Kundmachung nicht anzuwenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2008, Zl. 2005/12/0177).

Im Hinblick darauf, dass § 60 Abs. 1 TGO eine Kundmachung in lit. b nach sonst ortsüblicher Weise nur kumulativ zum Anschlag an der Amtstafel nach lit. a vorsieht, war auf die Frage, ob durch die (nicht wortgleiche) Veröffentlichung der Verordnung im Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung im Dezember 2006 eine gehörige Kundmachung vorgenommen wurde, nicht weiter einzugehen.

Waren aber mangels gehöriger Kundmachung die mit Wirkung ab 1. Jänner 2007 geltenden Bestimmungen über die Kanal(anschluss)gebühren (einschließlich der Berechnung je Quadratmeter verbaute Fläche pro Etage statt der verbauten Grundfläche) vom Verwaltungsgerichtshof demnach nicht zugrundezulegen, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er musste daher insoweit (in seinem Spruchpunkt 1.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

2. Zur Aufhebung der Berufungsentscheidung hinsichtlich der Wasseranschlussgebühren:

Die beschwerdeführende Partei führt in diesem Zusammenhang vor dem Verwaltungsgerichtshof aus, sie habe in beiden Angelegenheiten (sowohl der Kanalanschlussgebühr wie auch der hier gegenständlichen Wasseranschlussgebühr) einen Vorlageantrag per Einschreiben an den Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde verfasst und diesen in einem Kuvert am 11. September 2008 zur Post gegeben. Die Feststellung der belangten Behörde, dass kein Vorlageantrag gestellt worden sei, sei sohin unrichtig und unbegründet.

Die belangte Behörde hat festgestellt, dass der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Abgabenbehörde II. Instanz über die Wasseranschlussgebühr ohne Vorlageantrag der beschwerdeführenden Partei entschieden hat; sie hat jedoch hierzu die beschwerdeführende Partei nicht gehört. Diese konnte daher zulässigerweise vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Vorbringen erstatten und so darlegen, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften (möglicherweise) zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455 im Rahmen des gestellten Begehrens.

Wien, am 13. Oktober 2009

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