Normen
BWG 1993 §38;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art11 Abs1;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art11 Abs2;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art5;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art6;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
BWG 1993 §38;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art11 Abs1;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art11 Abs2;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art5;
Rechtsschutz Rechtshilfe Abgabensachen BRD 1955 Art6;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955, richtete das Finanzamt Darmstadt an das Finanzamt Feldkirch im Wege der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main ein Ersuchen vom 22. Juni 2006, die in einer beiligenden Rückstandsanzeige ausgewiesenen Abgaben, nämlich Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Umsatzsteuer jeweils samt "Nebenleistungen", im näher aufgegliederten Gesamtausmaß von 160.196,89 EUR zu sichern. Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland seien erfolglos verlaufen. Es stehe zu befürchten, dass ohne Sicherungsmaßnahmen die Vollstreckung durch den Beschwerdeführer vereitelt würde. Der Beschwerdeführer unterhalte bei der V-Bank (in Österreich) ein Konto mit der Nummer 3xx. Der in der Rückstandsanzeige ausgewiesene Betrag sei vollstreckbar.
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main bestätigte die Zuständigkeit des ersuchenden Finanzamtes.
Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde den in der übermittelten Rückstandsanzeige des Finanzamtes Darmstadt vom 22. Februar 2006 angeführten Abgabenrückstand des Beschwerdeführers in der Höhe von insgesamt 160.196,89 EUR "gemäß
Artikel 12" des genannten Vertrages an und erklärte den Abgabenrückstand "zu Sicherungszwecke für vollstreckbar".
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 26. September 2006, B 874/06-9, abgelehnt und über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers die Beschwerde mit Beschluss vom 18. Oktober 2006, B 874/06-12, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art.144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.
Mit der vorliegenden Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer
"in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten auf
Wahrung des Bankgeheimnisses, Entscheidung durch die zuständige Behörde, umfassendes Parteiengehör, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, ordnungsgemäße Bescheidbegründung"
verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und brachte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit sich der Beschwerdeführer in Ausführung des Beschwerdepunktes in Rechten auf "umfassendes Parteiengehör, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, ordnungsgemäße Bescheidbegründung" verletzt erachtet, bezeichnet er mit dieser allgemeinen Formulierung nicht bestimmt ein subjektives Recht, in dem er verletzt zu sein behaupte. Er verwechselt insoweit den Beschwerdepunkt mit den Beschwerdegründen, zu denen Verfahrensverletzungen zählen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2006, 2002/15/0202).
§ 38 BWG in der für den Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 63/1999 lautet auszugsweise:
"§ 38. (1) Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen dürfen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs. 3 anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis). Werden Organen von Behörden sowie der Oesterreichischen Nationalbank bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Tatsachen bekannt, die dem Bankgeheimnis unterliegen, so haben sie das Bankgeheimnis als Amtsgeheimnis zu wahren, von dem sie nur in den Fällen des Abs. 2 entbunden werden dürfen. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt zeitlich unbegrenzt.
(2) Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht nicht
1. im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber Strafgerichten und mit eingeleiteten Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden;
.....
5. wenn der Kunde der Offenbarung des Geheimnisses ausdrücklich und schriftlich zustimmt;
.....
(3) Ein Kreditinstitut kann sich auf das Bankgeheimnis insoweit nicht berufen, als die Offenbarung des Geheimnisses zur Feststellung seiner eigenen Abgabepflicht erforderlich ist.
(4) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 gelten auch für Finanzinstitute und Unternehmen der Vertragsversicherung bezüglich § 75 Abs. 3 und für Sicherungseinrichtungen, ausgenommen die gemäß den §§ 93 bis 93b erforderliche Zusammenarbeit mit anderen Sicherungssystemen sowie Einlagensicherungseinrichtungen und Anlegerentschädigungssystemen.
(5) (Verfassungsbestimmung) Die Abs. 1 bis 4 können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abgeändert werden."
Art. 3, 4, 5, 6, 11 und 12 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955, (im Folgenden: Rechtsshilfevertrag) lauten:
"Artikel 3
Beide Staaten verpflichten sich, in allen Abgabensachen, im Ermittlungs-, Feststellungs- und Rechtsmittelverfahren, im Sicherungs- und Vollstreckungsverfahren sowie im Verwaltungsstrafverfahren einander auf der Grundlage der Gegenseitigkeit nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen Rechtshilfe zu leisten.
Artikel 4
(1) Rechtshilfeersuchen werden von der ersuchenden Behörde an das örtlich zuständige Finanzamt des ersuchten Staates gerichtet. Ihre Übermittlung und Entgegennahme erfolgt vorbehaltlich des Absatzes 2 in der Bundesrepublik Deutschland durch die Oberfinanzdirektionen, in der Republik Österreich durch die Finanzlandesdirektionen.
(2) Die Finanzämter können Zustellungsersuchen, Mitteilungen über den Vollzug von Rechtshilfeersuchen und über ihre Rücknahme oder Einschränkung unmittelbar an das ersuchte Finanzamt übersenden. Entsprechendes gilt in dringenden Fällen auch für andere Rechtshilfeersuchen der Finanzämter.
Artikel 5
(1) Das ersuchte Finanzamt ist vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 6 verpflichtet, dem Ersuchen zu entsprechen. Die Art und Weise der Erledigung richtet sich nach den Gesetzen des ersuchten Staates; für das Verfahren sind die Vorschriften anzuwenden, die für die von dem Finanzamt verwalteten Abgaben gelten. Auf Antrag der ersuchenden Behörde ist jedoch nach einer besonderen Form zu verfahren, sofern diese der Gesetzgebung des ersuchten Staates nicht zuwiderläuft.
(2) Die Anwendung eines im Gebiet des ersuchten Staates zulässigen Zwangsmittels ist ausgeschlossen, soweit der ersuchende Staat im Falle eines entsprechenden Ersuchens nicht in der Lage wäre, ein gleichartiges Zwangsmittel anzuwenden.
(3) Die ersuchende Behörde ist auf ihr Verlangen von der Zeit und dem Ort der auf das Ersuchen vorzunehmenden Handlung zu benachrichtigen. Die Beteiligten sind berechtigt, der Handlung nach den allgemeinen, in dem Gebiet des ersuchten Staates maßgebenden Vorschriften beizuwohnen oder sich dabei vertreten zu lassen.
Artikel 6
(1) Rechtshilfe wird nicht geleistet, wenn der ersuchte Staat Grund für die Annahme hat, daß die Leistung der Rechtshilfe geeignet sein würde, wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu gefährden.
(2) Der ersuchte Staat kann die Rechtshilfe ablehnen,
1. wenn Auskünfte oder Gutachten von Personen, die nicht als Abgabenpflichtige beteiligt sind, eingeholt werden sollen, soweit der ersuchende Staat nach seiner Gesetzgebung nicht in der Lage ist, entsprechende Auskünfte oder Gutachten zu verlangen;
2. soweit das Ersuchen auf Mitteilung tatsächlicher Verhältnisse oder rechtlicher Beziehungen gerichtet ist, und die Kenntnis dieser nur auf Grund von Auskunfts-, Anzeige- oder Gutachterpflichten gewonnen werden kann, die in dem Gebiete des ersuchenden Staates nicht bestehen.
.....
Artikel 11
(1) Dem Ersuchen um Vollstreckung von Verfügungen, die unanfechtbar und vollstreckbar sind, ist eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates beizufügen, in der die Unanfechtbarkeit bestätigt wird. Vorbehaltlich des Artikels 13 ist die Zuständigkeit dieser Behörde durch die jeweils zuständige Oberfinanzdirektion oder Finanzlandesdirektion des ersuchenden Staates zu bescheinigen. Als Grundlage der Vollstreckung können an die Stelle der im ersten Satz bezeichneten Verfügungen auch Rückstandsausweise treten.
(2) Verfügungen (Rückstandsausweise), die den Bestimmungen des Absatzes 1 entsprechen, sind vorbehaltlich des Artikels 13 von den jeweils zuständigen Oberfinanzdirektionen oder Finanzlandesdirektionen des ersuchten Staates anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Artikel 6 bleibt unberührt.
(3) Die in Absatz 2 bezeichneten Verfügungen werden durch die Finanzämter oder Gerichte gemäß der Gesetzgebung des ersuchten Staates vollstreckt.
Artikel 12
Auf Grund von vollstreckbaren, jedoch noch nicht unanfechtbaren Verfügungen, einschließlich der Sicherstellungsanordnungen (Arrestanordnungen) kann nur um die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen ersucht werden. Ihre Durchführung erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften über die Vollziehung des dinglichen Arrestes, in der Republik Österreich nach den Vorschriften über die Exekution zur Sicherstellung. Artikel 11 findet sinngemäß Anwendung."
Der Umfang des Bankgeheimnisses iSd § 38 BWG wird durch den Rechtshilfevertrag nicht eingeschränkt, verweisen doch Art. 5 und Art. 6 des Rechtshilfevertrages auf die Gesetzeslage im jeweils ersuchten Staat (vgl. das vom Beschwerdeführer selbst zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2006, 2004/14/0022).
Der Beschwerdeführer erachtet die belangte Behörde als zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unzuständig, weil entgegen Art. 11 Abs. 2 des Rechtshilfevertrages nicht die (nicht mehr bestehende) Finanzlandesdirektion den Rückstandsausweis anerkannt und für vollstreckbar erklärt habe und mangels sonstiger Regelungen eine gesetzlich bestimmte zuständige Behörde fehle. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf den erwähnten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2006 zu verweisen. Der Verfassungsgerichtshof hat dem Beschwerdeführer darin dargelegt, dass der im unmittelbar anwendbaren Rechtshilfevertrag vorgesehenen Zuständigkeitsregelung durch den (im Beschwerdefall noch anwendbaren) § 17a Abs. 2 AVOG derogiert worden sei. Nach dieser Bestimmung fielen die u.a. im Rechtshilfevertrag geregelten Zuständigkeiten der Finanzlandesdirektionen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Finanzen.
Soweit der Beschwerdeführer nicht das Finanzamt Darmstadt, sondern die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main zur Stellung des Rechtshilfeersuchens für zuständig erachtet, bewegt er sich außerhalb des den Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens absteckenden Beschwerdepunktes und ist überdies darauf hinzuweisen, dass die Oberfinanzdirektion nach Art. 11 iVm Art. 12 des Rechtshilfevertrages lediglich die Zuständigkeit des ersuchenden Finanzamtes zu bestätigen, nicht aber selbst das Ersuchen zu stellen hatte.
Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte zunächst klarstellen müssen, auf welche - rechtmäßige - Weise die ersuchende Behörde "in den Besitz der Kontonummer" gelangt sei. Die Bearbeitung eines Sicherungsersuchens, in welchem die Existenz einer Kontonummer ohne Angabe von Gründen nur behauptet werde, verstoße gegen das Bankgeheimnis.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei Vorliegen der - durchwegs formellen - Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 des Rechtshilfevertrages für die nach Art. 11 Abs. 2 zuständige Behörde nicht nur die Berechtigung, sondern die Verpflichtung besteht, ohne dass vorherige weitere Erhebungen auch nur zulässig wären, Rückstandsausweise anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. September 2003, 2003/15/0012, vom 30. April 2003, 2002/13/0197, und vom 31. Oktober 2000, 2000/15/0092, mwN).
Ob der behauptete Verfahrensfehler, die belangte Behörde hätte "einfach ein behauptetes Konto ungeprüft gepfändet" vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung überhaupt vorliegt, kann jedoch dahin gestellt bleiben. Denn der Beschwerdeführer behauptet nicht substantiiert und konkret, dass das Bankgeheimnis verletzt worden wäre, sondern hält es für möglich, dass die ersuchende Behörde die Kenntnis von der Kontonummer unter Verstoß gegen § 38 BWG erlangt habe. Er lässt auch offen, auf Grund welchen Inhaltes der bei der ersuchenden Behörde ihn betreffend geführten Verwaltungsakten die ersuchende Behörde die Existenz der Kontonummer einfach habe behaupten können und auf welche Weise sie Kenntnis von dieser Kontonummer erlangt habe. Solcherart legt der Beschwerdeführer die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht dar.
Deshalb erübrigen sich auch Überlegungen zu einem allenfalls möglichen Beweisverwertungsverbot. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fehlen einer "Vollstreckungsnotwendigkeit", mit welchem er der Aussage im Rechtshilfeersuchen entgegentritt, Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland seien erfolglos verlaufen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, sieht der Rechtshilfevertrag solche "Vollstreckungsnotwendigkeit" doch weder als Tatbestandsmerkmal noch als Erfordernis für den angefochtenen Bescheid vor. Der Beschwerdeführer hat hier anscheinend § 4 Abs. 1 Z 2 lit. b des EG-VAHG vor Augen, welches den Rechtshilfevertrag aber insoweit nicht eingeschränkt hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Die Durchführung der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, weil Abgabenangelegenheiten nicht "civil rights" betreffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2007, 2007/14/0015).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 21. September 2009
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)