Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung für Abgaben dieser GmbH, nämlich Lohnsteuer im Zeitraum Juni bis Oktober 2006, in Anspruch genommen. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - aus, der Beschwerdeführer sei seit 28. April 2005 Geschäftsführer der primärschuldnerischen GmbH gewesen. Über das Vermögen der GmbH sei am 7. Dezember 2006 das Konkursverfahren eröffnet worden. Das Finanzamt habe den Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid vom 8. August 2007 für Abgabenansprüche in Höhe von insgesamt EUR 830.401,25 in Anspruch genommen. Zur Inanspruchnahme für aushaftende Lohnsteuer habe es auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 verwiesen. Weiters habe das Finanzamt ausgeführt, aus einer Anfechtung von Zahlungen der GmbH an den Abgabengläubiger vor Konkurseröffnung seien EUR 600.000,-- an die Konkursmasse zurückzuzahlen gewesen. Die im Konkursverfahren zu erwartende Quote werde auf die durch diese Rückzahlung wieder aufgelebten, gegenüber den haftungsgegenständlichen Abgaben älteren Abgabenschulden verrechnet werden, sodass durch einen Quoteneingang die Haftungsschulden nicht vermindert werden.
Der Beschwerdeführer habe in der Berufung Berechnungen zur Frage der Befriedigungsquote bei Gleichbehandlung aller Gläubiger angestellt.
Der Masseverwalter habe einen Zwischenverteilungsentwurf vorgelegt, demzufolge eine Teilquote von 2 % an die Konkursgläubiger ausgeschüttet werden sollte. Tatsächlich sei aber eine Verteilung unterblieben. Dazu habe der Masseverwalter ausgeführt, im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin seien noch immer langwierige Prozesse anhängig, deren Ausgang nicht absehbar sei. Die Ausschüttung der im Zwischenverteilungsentwurf angeführten Quote von 2 % sei unterblieben, um allfällige weitere Kosten in den laufenden Prozessen bestreiten zu können. Der voraussichtliche Zeitpunkt für den Abschluss des Konkursverfahrens könne noch nicht abgeschätzt werden. Die Konkursquote werde realistischerweise zwischen 3 % und 5 % betragen. Die Erreichung einer Zwangsausgleichsquote von 20 % sei völlig ausgeschlossen.
Die belangte Behörde habe diesen Sachverhalt dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs bekannt gegeben und im Vorhalt vom 27. November 2008 darauf hingewiesen, dass im Zwischenverteilungsentwurf Forderungen des Finanzamtes in Höhe von EUR 1,066.641,30 und EUR 600.000,-- festgestellt worden seien. Selbst bei einem Zwangsausgleich würde sich daher für das Finanzamt nur eine Konkursquote von rund EUR 330.000,-- ergeben, mit der nur ein Teil der durch die Anfechtung wieder aufgelebten alten Abgabenforderungen abgedeckt werden könnte. Das Finanzamt sei daher im Haftungsbescheid zutreffend davon ausgegangen, dass es durch die Konkursquote zu keiner Verminderung der haftungsgegenständlichen Abgaben kommen werde.
Der Beschwerdeführer sei in seiner Stellungnahme diesen Feststellungen nicht entgegengetreten.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, die haftungsgegenständliche Lohnsteuer sei von der Primärschuldnerin dem Finanzamt bekannt gegeben worden und sei sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach unbestritten. Der Beschwerdeführer sei im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Die Lohnsteuer sei vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen. Reichten die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuer aus, dürfe der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden könne. Werde die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, dann sei ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen.
Die ungekürzte Auszahlung der den haftungsgegenständlichen Lohnsteuern zu Grunde liegenden Löhne und Gehälter sei im Zuge der Lohnsteuerprüfung festgestellt und vom Beschwerdeführer nie in Abrede gestellt worden. Es sei daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers auszugehen.
Hinsichtlich der dem Gleichbehandlungsgebot unterliegenden anderen Abgabenschuldigkeiten sei hingegen der Berufung stattzugeben gewesen.
Die Geltendmachung der Haftung stelle die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin sei zwar noch nicht abgeschlossen, allerdings sei eine Uneinbringlichkeit bereits dann anzunehmen, wenn im Laufe des Insolvenzverfahrens fest stehe, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden könne. Diesfalls sei ein Abwarten der vollständigen Abwicklung des Konkurses nicht erforderlich. Es bedürfe lediglich konkreter Feststellungen der Abgabenbehörde über die Befriedigungsaussichten beim insolventen Primärschuldner. Solche Feststellungen habe die belangte Behörde in dem an den Beschwerdeführer gerichteten Vorhalt getroffen. Er sei diesen Feststellungen nicht entgegengetreten. Es könne daher von der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin ausgegangen werden.
Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiege bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung auch allfällige Billigkeitsgründe. Der Beschwerdeführer sei Rechtsanwalt. Die Einkommensteuervorauszahlungen für 2008 seien über Antrag auf Null herabgesetzt worden, weil nach den Angaben des Beschwerdeführers in diesem Jahr mit keinem nennenswerten Gewinn zu rechnen sei. Der Beschwerdeführer beziehe aber auch Einkünfte aus einer unselbständigen Tätigkeit. Auch sei Grundvermögen des Beschwerdeführers aktenkundig. Es sei daher nicht von vornherein davon auszugehen, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben zur Gänze und auf Dauer beim Beschwerdeführer uneinbringlich wären. Auch dürfe die Haftung keineswegs etwa nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden. Eine angespannte wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen stehe für sich allein einer Geltendmachung der Haftung nicht entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Abgabengläubiger sei grundsätzlich auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes zu bedienen. Die Auswirkung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 könnte nicht dazu führen, dass der Abgabengläubiger über Gebühr, also doppelt, bevorzugt werde.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Lohnsteuer ergibt sich bereits aus § 78 Abs. 3 EStG 1988, dass der Arbeitgeber, falls die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Auszahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat. Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten einer GmbH nach ständiger hg. Rechtsprechung von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen, was zu dessen Inanspruchnahme als Haftender führt. Eine Begrenzung der Haftung in Höhe des sogenannten Quotenschadens kommt diesbezüglich nicht in Betracht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, vom 25. Februar 2003, 97/14/0164, vom 29. Jänner 2004, 2000/15/0168, vom 23. April 2008, 2004/13/0142, und vom 22. April 2009, 2008/15/0283).
Ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger hätte daher der Beschwerdeführer die einzubehaltende Lohnsteuer zur Gänze abzuführen gehabt, weswegen er zu Recht zur Haftung für die bei der GmbH nicht mehr einbringliche Lohnsteuer herangezogen worden ist. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Entrichtung der Abgaben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Verletzung dieser Pflicht Ursache für die Uneinbringlichkeit der nicht entrichteten Abgaben gewesen ist.
Der Beschwerdeführer erblickt einen wesentlichen Verfahrensmangel darin, dass die belangte Behörde über seine persönlichen, wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich an Hand des Fragebogens der Finanzbehörde geurteilt habe.
Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Vermögenslosigkeit und/oder Arbeitslosigkeit des Haftenden stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung. Eine allfällige, derzeitige Uneinbringlichkeit schließt es nämlich nicht aus, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen und künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Juni 1999, 99/14/0128, vom 14. Dezember 2006, 2006/14/0044, und vom 28. Mai 2008, 2006/15/0007, und 2006/15/0089).
Soweit der Beschwerdeführer die Uneinbringlichkeit der Forderung unter Hinweis auf die Mitteilung des Masseverwalters bestreitet, wonach von einer Quote im Umfang von 3 % bis 5 % ausgegangen werden könne, ist er im Recht:
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Haftungsvoraussetzung ist insoweit die objektive Uneinbringlichkeit der Abgabe. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (vgl. Ritz, BAO, 3. Auflage, § 9 Tz 4 ff). Die Uneinbringlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO muss im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehen.
Die belangte Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren der Annahme der Uneinbringlichkeit der Abgaben nicht entgegengetreten sei. Das Finanzamt habe im Haftungsbescheid vom 8. August 2007 und auch die belangte Behörde in ihrem Vorhalt vom 27. November 2008 darauf hingewiesen, dass der Abgabengläubiger im Konkursverfahren der vom Beschwerdeführer vertretenen Gemeinschuldnerin andere Forderungen in Höhe von EUR 1,066.641,30 und EUR 600.000,-- angemeldet hat, die auch festgestellt worden sind. Die im Konkurs festgestellten Forderungen beträfen ältere Abgabenschulden als die haftungsgegenständlichen. Eine allenfalls im Konkursverfahren zu erwartende Quote wäre auf die angemeldeten, älteren Abgabenschulden zu verrechnen. Das Finanzamt und auch die belangte Behörde hätten dazu dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass eine allfällige Quote im Konkursverfahren zu keiner Verminderung der haftungsgegenständlichen Abgaben führen würde, weil die Quote auf die angemeldeten, älteren Abgabenschulden zu verrechnen wäre.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer für den gesamten, im Konkursverfahren nicht angemeldeten Abgabenrückstand der Primärschuldnerin zur Haftung herangezogen. Ihre Ausführungen zeigen aber, dass in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht ausgeschlossen ist, dass ein Teil dieser Abgabenschuld, nämlich eine mögliche Konkursquote, von der Primärschuldnerin eingebracht werden könnte. Da hinsichtlich dieses Teiles der Abgabenschuld die Uneinbringlichkeit nicht feststeht, der Beschwerdeführer aber dennoch zur Haftung für die gesamte Schuld herangezogen worden ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 8. Juli 2009
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)