Normen
KO §1 Abs1;
KO §3 Abs1;
VwRallg;
KO §1 Abs1;
KO §3 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 10. Mai 2002 wurde über das Vermögen der O. GmbH der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Mag. H. zum Masseverwalter bestellt.
Im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung nahm das Finanzamt das mit "Bescheid" vom 1. September 2003 abgeschlossene Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2002 mit "Bescheid" vom 4. November 2003 wieder auf und erließ zugleich einen geänderten "Umsatzsteuerbescheid", mit dem die Umsatzsteuer dieses Jahres in Höhe von 101.807,50 EUR festgesetzt wurde. Beide Erledigungen ergingen an die O. GmbH z.H. Mag. H.
Die gegen die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung von Mag. H. erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 11. Juli 2007 mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass die angefochtene Erledigung keine Rechtswirksamkeit erlangt habe, weil der Gemeinschuldnerin während des Konkursverfahrens hinsichtlich der die Masse betreffenden Angelegenheiten gemäß § 1 Abs. 1 KO die Verfügungsfähigkeit entzogen sei. Wirksame Erledigungen seien daher ausschließlich an den Masseverwalter und nicht an die Gemeinschuldnerin zu richten.
Das Finanzamt erließ daraufhin - ohne die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verfügen - den (nicht in den vorgelegten Akten enthaltenen, aber unstrittig ergangenen) Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 20. Oktober 2007, mit dem die Umsatzsteuer neuerlich in Höhe der Erledigung vom 4. November 2003 festgesetzt wurde. Die vom Masseverwalter eingebrachte Berufung wurde von der belangten Behörde mit Berufungsentscheidung vom 16. September 2008 abgewiesen. Dagegen erhob der Masseverwalter Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof u.a. mit der Begründung, dass der Umsatzsteuerbescheid vom 20. Oktober 2007 ohne wirksame Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen sei, weil der Wiederaufnahmebescheid vom 4. November 2003 ebenso wie der Sachbescheid vom 4. November 2003 an die Gemeinschuldnerin ergangen sei.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 hob die belangte Behörde die Berufungsentscheidung vom 16. September 2008 gemäß § 300 Abs. 1 BAO auf. Die belangte Behörde schloss sich dabei der Ansicht des Masseverwalters an, dass keine wirksame Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Umsatzsteuerverfahrens für 2002 vorliege.
In der Folge erging die nunmehr vom Finanzamt gemäß § 292 BAO angefochtene Berufungsentscheidung, mit der der Berufung Folge gegeben und der Umsatzsteuerbescheid für 2002 insoweit abgeändert wurde, als die belangte Behörde die Umsatzsteuer in Höhe von 46.886,19 EUR mit der Begründung festsetzte, dass der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes vom 20. Oktober 2007 insoweit mit einer Rechtswidrigkeit belastet sei, als er ohne Vorliegen einer Rechtsgrundlage, nämlich einer rechtswirksamen Wiederaufnahme erlassen worden sei.
Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 2009 räumten die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend ein, dass auch der (vermeintlich erste) mit 1. September 2003 datierte "Umsatzsteuerbescheid 2002" an die O. GmbH, z.H. Mag. H., gerichtet war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Finanzamt erhobene Beschwerde erwogen:
Das Finanzamt bringt vor, dass die belangte Behörde trotz Fehlens eines Wiederaufnahmebescheides entgegen "ihrem eigenen Willen" nicht mit einer Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides vom 20. Oktober 2007 vorgegangen sei, sondern (wie im ersten Rechtsgang) selbst eine Sachentscheidung getroffen habe.
Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides, der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes vom 20. Oktober 2007 sei ohne Vorliegen einer Rechtsgrundlage, nämlich einer rechtswirksamen Wiederaufnahme erlassen worden, eine Abgabenfestsetzung durch die belangte Behörde nicht tragen konnte. Traf es zu, dass das Finanzamt mit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 20. Oktober 2007 gegen die Rechtskraft eines zuvor ergangenen Umsatzsteuerbescheides verstoßen hatte, fehlte es auch einer Umsatzsteuerfestsetzung im Instanzenzug an der verfahrensrechtlichen Grundlage.
Ein solcher Fall liegt allerdings gegenständlich gar nicht vor, weil auch der vermeintlich erste "Umsatzsteuerbescheid vom 1. September 2003" nach der Konkurseröffnung ergangen und nicht an den Masseverwalter, sondern an die Gemeinschuldnerin gerichtet war, sodass bereits diese Abgabenfestsetzung keine Rechtswirksamkeit erlangen konnte (zur Bescheiderlassung im Konkursverfahren vgl. für viele den hg. Beschluss vom 24. März 2009, 2009/13/0013).
Nach der Aktenlage handelte es sich bei dem Bescheid vom 20. Oktober 2007 um die erstmalige (rechtswirksame) Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2002. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde - entgegen der im ersten Rechtsgang erfolgten Klaglosstellung - sehr wohl dazu verhalten, über die vom Masseverwalter erhobene Berufung in der Sache zu entscheiden und die Berufung, entweder wie im ersten Rechtsgang abzuweisen oder ihr, wie nunmehr erfolgt, stattzugeben. In diesem Fall hätte sie sich aber mit dem Standpunkt des Finanzamtes auseinander setzen und darlegen müssen, warum sie der rechtlichen Beurteilung des Prüfers (anders als im ersten Rechtsgang) nicht folgen konnte.
Da die Begründung des angefochtenen Bescheides dessen Spruch nicht zu tragen vermag, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 28. Mai 2009
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