VwGH 2009/08/0007

VwGH2009/08/000730.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Dr. K in N, vertreten durch Dr. Martin Parschalk, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Getreidemarkt 18/11-12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 2. Dezember 2008, Zl. BMSK- 328413/0003-II/A/3/2008, betreffend Beitragszuschlag nach § 35 Abs. 6 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84- 86), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §7 Abs4 Z3;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §7 Abs4 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. August 2007 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt fest, dass die Beschwerdeführerin vom 1. Jänner 2006 bis zum 31. Dezember 2006 auf Grund ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit als Logopädin der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen sei (Spruchpunkt 1). In den Spruchpunkten 2 und 3 dieses Bescheides wurde die endgültige monatliche Beitragsgrundlage für den Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis zum 31. Dezember 2006 festgestellt und die Beschwerdeführerin verpflichtet, für diesen Zeitraum monatliche Beiträge in näher bestimmter Höhe zur Kranken- und Pensionsversicherung zu entrichten.

Mit Spruchpunkt 4 des erstinstanzlichen Bescheides vom 24. August 2007 wurde die Beschwerdeführerin schließlich verpflichtet, gemäß § 35 Abs. 6 GSVG für den Zeitraum vom 1. März 2006 bis zum 31. Dezember 2006 einen monatlichen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 32,38 zu entrichten.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Spruchpunkt Einspruch, dem mit dem angefochtenen Bescheid von der im Devolutionsweg zuständig gewordenen belangten Behörde keine Folge gegeben wurde.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin seit 15. Jänner 2003 selbständig als Logopädin tätig sei. Sie habe diese Tätigkeit und die Erzielung eines jährlichen Einkommens von EUR 15.000,-- in einer Versicherungserklärung vom 5. Februar 2003 der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bekannt gegeben und sei daher ab dem 1. Jänner 2003 in die Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG einbezogen worden.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2006 habe die Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bekannt gegeben, dass sie ihre Tätigkeit seit dem 1. September 2005 auf Grund einer Wohnsitzverlegung nach Deutschland stark eingeschränkt habe und im Jahr 2006 lediglich Einkünfte in der Höhe von voraussichtlich EUR 5.000,-- erwarte. Die Sozialversicherungsbeiträge würden für sie daher ca. EUR 1.250,-- betragen. Sie beantrage daher eine Herabsetzung auf diesen Betrag und eine Stundung der Beiträge.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt habe mit Schreiben vom 14. Februar 2006 geantwortet und mitgeteilt, dass auf Grund der Unterschreitung der Versicherungsgrenze die Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG vorläufig mit dem 28. Februar 2006 ende. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen worden, dass über den Bestand der Pflichtversicherung endgültig erst entschieden werden könne, wenn der Einkommensteuerbescheid für das jeweilige Jahr vorliege; es könne daher auch nachträglich zur Feststellung einer Versicherungspflicht kommen. Die beantragte Stundung sei gewährt und der vorläufige monatliche Beitrag zur Pensions- und Krankenversicherung mit EUR 130,95 für den Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis zum 28. Februar 2006 festgesetzt worden.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2007 habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie auf Grund der Daten aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG vom 1. Jänner 2006 bis zum 31. Dezember 2006 pflichtversichert sei und dass auf Grund der rückwirkenden Einbeziehung ein Beitragszuschlag in der Höhe von 9,3 % der nachzuzahlenden Pensions- und Krankenversicherungsbeiträge einzuheben sei.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, es sei strittig, ob die schriftliche Erklärung der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2006 über die erwartete Höhe ihrer Einkünfte ihre Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG beendet habe. Strittig sei demnach die Interpretation des Parteiwillens der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf, ob eine Fortsetzung der Versicherung nach dem GSVG trotz möglichen Unterschreitens der Versicherungsgrenze gewünscht gewesen sei und ob die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zu Recht von einem vorläufigen Ende der Pflichtversicherung ausgegangen sei.

Nach Ansicht der belangten Behörde habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin, mit dem sie bekannt gegeben habe, dass sie im Jahr 2006 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von EUR 5.000,-- erwarte, abgeleitet, dass die Beschwerdeführerin ihre Pflichtversicherung beenden habe wollen. Da die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Februar 2006 ausdrücklich mitgeteilt habe, dass ihre Pflichtversicherung vorläufig mit 28. Februar 2006 ende und es nach dem Einlangen des Einkommensteuerbescheides zu einer nachträglichen Feststellung der Pflichtversicherung kommen könne, habe die Beschwerdeführerin auch Gelegenheit gehabt, diesem Schreiben entgegenzutreten. Von dieser Möglichkeit habe sie jedoch keinen Gebrauch gemacht und die Vorgangsweise der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt somit akzeptiert. Es könne daher nicht "von einem Fortwirken (...) der ursprünglichen Versicherungserklärung" der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2003 ausgegangen werden.

Es sei richtig, dass der Wortlaut des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2006 nicht ausdrücklich auf eine Beendigung der Versicherung abziele. Die Beschwerdeführerin habe jedoch auf das Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt, in dem ausdrücklich auf das Ende der Pflichtversicherung hingewiesen werde, nicht reagiert. Wäre sie damit nicht einverstanden gewesen, "wäre eher eine Mitteilung der (Beschwerdeführerin) als eine Rückfrage der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu erwarten gewesen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 35 Abs. 6 GSVG haben - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - Versicherte, deren Pflichtversicherung nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises für das maßgebliche Beitragsjahr rückwirkend festgestellt wird, zu den Beiträgen auf Grund der Beitragsgrundlage gemäß § 25 einen Zuschlag in der Höhe von 9,3 % der Beiträge zu leisten.

2. Im Beschwerdefall hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt auf Grund des Einkommensteuerbescheides der Beschwerdeführerin für das Jahr 2006 mit Bescheid vom 24. August 2007 rechtskräftig festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2006 auf Grund ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit als Logopädin der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlag.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt ist dabei davon ausgegangen, dass die seit 1. Jänner 2003 bestehende Pflichtversicherung der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG auf Grund der Mitteilung der Beschwerdeführerin vom 5. Februar 2006, wonach sie im Jahr 2006 Einkünfte von voraussichtlich EUR 5.000,-- erwarte, zunächst (vorläufig) mit 28. Februar 2006 beendet worden sei, sodass die Feststellung der Pflichtversicherung hinsichtlich der Monate März bis Dezember 2006 rückwirkend erfolgt sei.

3. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist allein strittig, ob der Beitragszuschlag wegen rückwirkender Feststellung der Pflichtversicherung für die Monate März bis Dezember 2006 zu Recht vorgeschrieben wurde.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie keine auf die Beendigung der Pflichtversicherung gerichtete Willenserklärung abgegeben habe. Sie habe mit Schreiben vom 5. Februar 2006 der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bekannt gegeben, dass sie im Jahr 2006 lediglich Einkünfte in der Höhe von voraussichtlich EUR 5.000,-- erwarte und deshalb eine Herabsetzung der vorläufigen Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2006 beantragt. Aus diesem Antrag komme eindeutig der Wille hervor, dass die Pflichtversicherung auch im Jahr 2006 fortbestehen solle. Hätte die Beschwerdeführerin ein Ende der Pflichtversicherung gewollt, so hätte sie sich wohl kaum weiterhin zur Zahlung (herabgesetzter) Sozialversicherungsbeiträge bereit erklärt. Indem die belangte Behörde offenbar davon ausgehe, dass die Beschwerdeführerin Beiträge für eine nicht bestehende Versicherung bezahlen wolle, gehe sie klar über den erklärten Parteiwillen hinweg und verkehre ihn geradezu in sein Gegenteil.

4. Gemäß § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG endet bei den im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Personen die Pflichtversicherung mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte entgegen der Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z. 5 oder 6) nicht übersteigen werden.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen hat die Beschwerdeführerin am 5. Februar 2003 eine Versicherungserklärung abgegeben, in der sie die Erzielung "eines jährlichen Einkommens" von EUR 15.000 bekannt gegeben hat. Nach dieser in den Verwaltungsakten erliegenden Erklärung hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie voraussichtlich jährlich - ab dem Kalenderjahr 2003 - Einkünfte erzielen werde, die über der Versicherungsgrenze liegen. Dieser Erklärung kommt insoweit die Rechtswirkung eines "opting in" zu, als damit das Versicherungsverhältnis für den Zeitraum der Ausübung der betreffenden selbständigen Erwerbstätigkeit auch dann bestehen bleibt, wenn sich nach Einlangen des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides herausstellt, dass die Einkünfte die Versicherungsgrenze nicht überstiegen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 2000/08/0085). Diese Rechtswirkung kann - abgesehen von der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit oder dem Wegfall der berufsrechtlichen Berechtigung - erst durch eine gegenteilige Erklärung beendet werden, mit der gemäß § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG mitgeteilt wird, dass die Einkünfte die maßgebende Versicherungsgrenze nicht übersteigen werden.

5. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 5. November 2003 ausgesprochen hat, dürfen an die Widerrufserklärung keine überspitzten Anforderungen gestellt werden. Ausgehend von dem dem genannten Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass auch eine Erklärung, nicht mehr versichert sein zu wollen (im konkreten Fall durch einen Antrag, von der Pflichtversicherung ausgenommen zu werden), als Widerrufserklärung ausreicht.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, dass eine Erklärung im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG jedenfalls auch eine auf die Beendigung der Pflichtversicherung gerichtete Willenserklärung zu umfassen hat.

§ 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG knüpft die Rechtsfolge der Beendigung der Pflichtversicherung (mit dem Letzten des Kalendermonats) an eine Erklärung des Versicherten, dass seine Einkünfte - entgegen der zunächst abgegebenen Erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz GSVG - nicht die in Betracht kommende Versicherungsgrenze übersteigen werden. Maßgebend sind demnach die bekannt gegebenen voraussichtlichen Einkünfte; liegen diese unter der jeweiligen Versicherungsgrenze, so kommt es zur Beendigung der Pflichtversicherung, ohne dass dafür noch eine auf diese Beendigung gerichtete Willenserklärung des Versicherten erforderlich wäre.

Vor diesem Hintergrund braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, ob der Wille der Beschwerdeführerin darauf gerichtet war, durch die Bekanntgabe ihrer (unter der Versicherungsgrenze liegenden) voraussichtlichen Einkünfte die Beendigung der Pflichtversicherung herbeizuführen.

Auch das Ersuchen um Stundung bzw. Herabsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen, das mit der Bekanntgabe der deutlich unter der Versicherungsgrenze liegenden voraussichtlichen Einkünfte verbunden war, stand zu dieser Bekanntgabe nicht in einem von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt aufzuklärenden Widerspruch, zumal es sich - im Hinblick auf die erst im Februar 2006 abgegebene Erklärung - auf die Beiträge für die Monate Jänner und Februar 2006 beziehen konnte.

Dass die Beschwerdeführerin im Übrigen selbst davon ausging, dass ihre Erklärung die Beendigung der Pflichtversicherung zur Folge hatte, zeigt auch das in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegende Schreiben ihres Rechtsvertreters an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt vom 22. Juli 2007, in dem sie die bescheidmäßige Feststellung beantragte, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Pflichtversicherung bestanden habe.

6. Schließlich ändert auch der von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Umstand, dass die Ausnahme von der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 5 GSVG auf die Höhe der Beitragsgrundlagen abstellt, die Erklärung nach § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG (ebenso wie die Erklärung nach § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz GSVG) hingegen auf die Höhe der Einkünfte, nichts daran, dass es für die Rechtswirkung der (vorläufigen) Beendigung der Pflichtversicherung auf Grund einer Erklärung nach § 7 Abs. 4 Z. 3 GSVG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ausschließlich darauf ankommt, dass der Versicherte Einkünfte - nicht aber (voraussichtliche) Beitragsgrundlagen - bekannt gibt, welche die Versicherungsgrenze nicht übersteigen.

Da die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 5. Februar 2006 eine derartige Erklärung abgegeben hat, ist die belangte Behörde zu Recht von einer rückwirkenden Feststellung der Pflichtversicherung für die Monate März bis Dezember 2006 ausgegangen, sodass die Voraussetzungen für die Vorschreibung des - der Höhe nach nicht bestrittenen - Beitragszuschlags vorlagen.

7. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 30. Juni 2009

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