VwGH 2009/07/0137

VwGH2009/07/013719.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des W H in W, vertreten durch Mag. Manfred Kantner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Juli 2009, Zl. uvs- 2009/26/1639-2, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §16;
ZustG §21;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §16;
ZustG §21;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft I (BH) erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom 22. April 2009 mit folgendem Spruch:

"Tatzeit:

24.11.2008 um 05.20 Uhr

Tatort:

Gemeinde Völs, auf der A 12, bei km 80.900, in Fahrtrichtung Innsbruck

Fahrzeug:

Sattelzugfahrzeug, RV-JM1028/Anhänger, RV- JM1159

1. Sie haben als LenkerIn des angeführten Fahrzeuges (mit diesem gezogenen Anhänger), bei dem das höchste zulässige Gesamtgewicht des LKW oder Sattelkraftfahrzeuges mehr als 7,5 t und bei LKW mit Anhängern, das höchste zulässige Gesamtgewicht beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, die Bestimmungen des § 3 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 17.12.2007, LGBl. 92/2007, missachtet, da Sie bei dieser Fahrt Schrott (EU Abfallverz. Code 17 04 05) transportiert haben, obwohl seit dem 2. Mai 2008 auf der A 12 Inntalautobahn zwischen Strkm 6,350 im Gemeindegebiet von Langkampfen und Strkm 90,0 im Gemeindegebiet von Zirl das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, und mit denen Abfälle, die im Europäischen Abfallverzeichnis aufgenommen sind (entsprechend der Entscheidung der Kommission über ein Abfallverzeichnis, 2000/532/EG, in der Fassung 2001/573/EG) sowie Steinen, Erden und Aushub transportiert werden, verboten ist. Die Fahrt fiel nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung und Sie waren auch nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung."

Dadurch habe der Beschwerdeführer gegen § 3 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Dezember 2007, LGBl. Nr. 92/2007, verstoßen. Die BH verhängte über den Beschwerdeführer gemäß § 30 Abs. 1 Z 4 des Immissionsschutzgesetzes-Luft eine Geldstrafe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden).

Am 17. Mai 2009 langte bei der BH eine Eingabe des Beschwerdeführers mit folgendem Inhalt ein:

"Sehr geehrter Herr S.,

hiermit lege ich erneut Einspruch gegen die

o. g. Straferkenntnis ein.

Ich werde die Angelegenheit an einen Rechtsanwalt übergeben.

Mit freundlichen Grüßen

..."

Mit an den Beschwerdeführer adressiertem Schreiben vom 22. Juni 2009 teilte die belangte Behörde mit, dass die zitierte Eingabe des Beschwerdeführers keinen begründeten Berufungsantrag aufweise. Der Beschwerdeführer werde daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, diesen Mangel bis längstens 13. Juli 2009 zu beheben. Sollte diesem Auftrag nicht fristgerecht entsprochen werden, müsste die Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 24 VStG iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass ihr einen Verbesserungsauftrag enthaltendes Schreiben vom 22. Juni 2009 dem Beschwerdeführer am 27. Juni 2009 an seine Adresse in der Bundesrepublik Deutschland zugestellt worden sei. Bis zum 17. Juli 2009 sei bei der belangten Behörde keine entsprechende schriftliche Berufungsergänzung eingelangt. Der Eingabe des Beschwerdeführers habe nicht entnommen werden können, weshalb er eine Bestrafung wegen der ihm angelasteten Übertretung für unrichtig erachte. Weiters sei darin nicht ausgeführt, was "mit dem Rechtsmittel konkret bezweckt" werde. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen, diese inhaltlichen Mängel durch Einbringung einer Berufungsergänzung zu beheben. Da diese Mängel innerhalb der eingeräumten Frist jedoch nicht verbessert worden seien, sei die Berufung gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Begründend führt der Beschwerdeführer aus, dass er offensichtlich mit Schreiben der belangten Behörde vom 22. Juni 2009 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung aufgefordert worden sei. Gemäß dem den Verwaltungsakten zuliegenden Rückschein sei die entsprechende Aufforderung eingeschrieben versandt worden. Dem Beschwerdeführer selbst sei dieses Schreiben jedoch nicht zugegangen. Entgegengenommen sei das Schriftstück nämlich - soweit dies die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung erkennen lasse - von einer Person namens "Stauber" worden. Bei Überprüfung des Akteninhaltes sei zudem ersichtlich, dass es sich bei der Unterschrift des Beschwerdeführers um einen vollkommen anderen Schriftzug handle als jenen, wie er am Rückschein betreffend die Aufforderung der belangten Behörde vom 22. Juni 2009 angeführt sei. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen nachvollziehbar zu überprüfen, inwieweit dem Beschwerdeführer die Aufforderung vom 22. Juni 2009 tatsächlich zugegangen sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 1 ZustellG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist im Art. 10 des genannten Vertrages geregelt.

Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann die Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

Im Beschwerdefall wurde ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung betreffend das Schreiben der belangten Behörde vom 22. Juni 2009 benötigt. Gegenteiliges wird von der belangten Behörde auch nicht behauptet. Es hätte daher nach der zuvor zitierten Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 des Rechtshilfevertrages vorgegangen und das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerkes "Eigenhändig" unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung wäre in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl. 2006/03/0152, mwN).

In den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich die Beschwerdebehauptungen bestätigt. Auf dem den Verwaltungsakten zuliegenden internationalen Rückschein betreffend die Zustellung des Schreibens der belangten Behörde vom 22. Juni 2009 an die Adresse des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland findet sich die Unterschrift - soweit leserlich - einer Person namens "Stauber". Auch handelt es sich bei dieser Unterschrift um einen vollkommen anderen Schriftzug als jenen des Beschwerdeführers, dessen eigenhändige Unterschrift sich den vorgelegten Verwaltungsakten ebenfalls entnehmen lässt.

In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen, nähere Feststellungen dazu zu treffen, von wem ihr Verbesserungsauftrag am 27. Juni 2009 übernommen wurde und ob dieser dem Beschwerdeführer tatsächlich zugegangen ist.

Da somit im Hinblick auf die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ungeklärt blieb, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. November 2009

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