VwGH 2009/06/0029

VwGH2009/06/002928.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der E M in H, vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Dezember 2008, Zl. Ve1-8-1/243-3, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2001 §6 Abs6;
BauO Tir 2001 §6 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 17. Oktober 2007 eingebrachten Baugesuch (datiert mit 27. April 2007) kam die Beschwerdeführerin um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Neubau einer Garage auf einem Grundstück im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde ein. Diese Garage soll unmittelbar an der Grundgrenze zu einem angrenzenden Grundstück errichtet werden; die Länge der gemeinsamen Grundgrenze beträgt nach dem Lageplan 17,37 m, die geplante Garage ist (auf der an der Grundgrenze befindlichen Seite) 5,69 m lang. Auf dem Nachbargrundstück (eines anderen Eigentümers) befindet sich ein Gebäude, ein als Garage bezeichneter Gebäudeteil (idF kurz: Garage) schließt ebenfalls unmittelbar an die gemeinsame Grundgrenze an und zwar so, dass diese beiden Bauten zu einem geringen Teil aneinandergebaut wären. Aus dem Lageplan ergibt sich - herausgemessen - eine Überlappung von rund 1,0 m, die am benachbarten Grundstück befindliche Garage ist nach dem Plan rund 5 m lang; unstrittig ist, dass demnach weniger als die Hälfte der Länge der gemeinsamen Grundgrenze von einer Verbauung vollkommen frei wäre.

Für die Errichtung einer Garage auf dem Nachbargrundstück liegt eine Baubewilligung des Bürgermeisters vom 20. August 1968 auf Grundlage eines Antrages vom 1. Juli 1968 (eingebracht am 2. Juli 1968) vor. Auf Grund des Antrages wurde mit Kundmachung des Bürgermeisters vom 31. Juli 1968, welche den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG enthält, die Bauverhandlung für den 8. August 1968 anberaumt. Diese Kundmachung/Ladung wurde an die Beteiligten nicht per Post zugestellt, sondern sichtlich (von der Gemeinde aus) "ausgetragen", im Verteiler scheint auch ein J T auf (der Eigentümer des Grundstückes, auf welchem die nunmehrige Garage errichtet werden soll, also der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin), neben diesem Namen gibt es eine Übernahmebestätigung mit der Unterschrift "A T". In der Verhandlungsschrift vom 8. August 1968 ist vermerkt "Anrainer fehlen". Einwendungen von Anrainern sind nicht aktenkundig. Hierauf erteilte der Bürgermeister mit dem zuvor genannten Bescheid vom 20. August 1968 die angestrebte Baubewilligung, die nur dem damaligen Bauwerber zugestellt wurde.

Im nun gegenständlichen Bauverfahren wies der Bürgermeister nach verschiedenen Verfahrensschritten (Verbesserung der Planunterlagen, wobei es zu näheren Ausführungen der Beschwerdeführerin kam, die die Zulässigkeit ihres Vorhabens unterstrich) mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Jänner 2007 (ohne Durchführung einer Bauverhandlung und ohne Beiziehung von Nachbarn) das Baugesuch ab, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die gemeinsame Grundgrenze bei Ausführung des Bauvorhabens auf einer Länge von ca. 10 m im Mindestabstandsbereich bebaut wäre, wodurch die zulässige Bebauung überschritten wäre. Eine Verbauung von mehr als 50 % der gemeinsamen Grundgrenze wäre lediglich im Fall der nachweislichen Zustimmung des betroffenen Nachbarn zulässig, welche der Baubehörde jedoch nicht vorgelegt worden sei.

Die Beschwerdeführerin berief (unter Wiederholung ihres bisherigen Standpunktes).

Diese Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrates vom 20. Mai 2008 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung heißt es zusammengefasst, gemäß § 6 Abs. 6 dritter Satz TBO 2001 müsse zu jeder Seite der Grundgrenze - also auf beiden Seiten - mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von baulichen Anlagen frei bleiben. Dies wäre bei Verwirklichung des Vorhabens nicht mehr der Fall. Maßgeblich für die Beurteilung durch die Behörde, in welchem Ausmaß ein Bauvorhaben an der gemeinsamen Grundgrenze ausgeführt werden dürfe, sei der genehmigte Ist-Zustand der bereits erfolgten Verbauung. Zum Vorbringen, die Garage auf dem Nachbargrundstück sei ein nicht konsentiertes Bauwerk, sei auszuführen, dass die Kundmachung zur damaligen Bauverhandlung vom 8. August 1968 dem damaligen Eigentümer des nunmehrigen Baugrundstückes nachweislich zugestellt worden sei (übernommen von der Ehefrau A T). Bei der Bauverhandlung seien keine Nachbarn erschienen und es seien auch keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben worden. § 50 der Tiroler Landesbauordnung (TLBO) habe vorgesehen, dass vom Bescheid des Bürgermeisters der Bauwerber sowie ausschließlich jene Anrainer, die bei der Bauverhandlung Einwendungen erhoben hätten, schriftlich unter Rechtsmittelbelehrung zu verständigen seien. Da der frühere Eigentümer des nunmehrigen Baugrundstückes nach ordnungsgemäßer Verständigung der Bauverhandlung ferngeblieben sei und keine Einwendungen erhoben habe, sei ihm kraft Gesetzes der Baubescheid nicht zuzustellen gewesen und auch ihm gegenüber in Rechtskraft erwachsen. An die damalige baubehördliche Bewilligung seien 14 Vorschreibungen geknüpft gewesen, darunter Nr. 6, "zur ständigen Entlüftung der Garage pro Stellplatz nahe dem Fußboden (Garagentor) Öffnungen von mindestens 200 cm2 Gesamtquerschnitt vorzusehen sind, welche mit engmaschigen Drahtgittern auszustatten sind", und in Nr. 11 sei angeführt worden (in Übereinstimmung mit § 51 TLBO), dass vor Rechtskraft des Bescheides mit den Bauarbeiten nicht begonnen werden dürfe. Dies bedeute, dass der Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides unabhängig von der Erfüllung baupolizeilicher Bedingungen erfolgt sei. Ob und in welchem Umfang diese baupolizeilichen Bedingungen, die nach nunmehriger Terminologie als Auflagen zu sehen seien, vom Bauwerber eingehalten worden seien, könnte allenfalls nur Gegenstand eines gesondert durchzuführenden baupolizeilichen Verfahrens seien. Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, dass die baubehördlich bewilligte Garage auf dem Nachbargrundstück nicht im Sinne des genehmigten Verwendungszweckes benützt werde, sei darauf zu verweisen, dass dies nicht die Rechtmäßigkeit des Bestandes berühre.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Zur Begründung heißt es zusammengefasst, die hier maßgebliche Bestimmung des § 6 Abs. 6 TBO 2001, wonach oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. a und b dieses Paragraphen nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden dürften, dass gegenüber dem angrenzenden Grundstück zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von baulichen Anlagen frei bleibe, außer der betroffene Nachbar stimme einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu, bedeute, dass der Abstand von 3 m an beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze, eben nach jeder Seite hin, gewahrt werden müsse (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1989, Zl. 86/06/0263, Slg. 12866/A).

Hinsichtlich des Garagengebäudes auf dem Nachbargrundstück sei festzuhalten, dass dieses mit Bescheid vom 20. August 1968 baurechtlich bewilligt worden sei, wobei der Bescheid lediglich dem damaligen Bauwerber zugestellt worden sei. Gemäß den Ausführungen im Berufungsbescheid hätte der Bescheid vom 20. August 1968 dem damaligen Eigentümer des Grundstückes, J T, der diesbezüglich Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin sei, nicht zugestellt werden müssen, weil er an der mündlichen Verhandlung am 8. August 1968 nicht teilgenommen und keine Einwendungen im damaligen Verfahren erhoben habe, daher präkludiert sei. Gemäß dem von der Berufungsbehörde vorgelegten Bauakt sei die Kundmachung nicht von J T, sondern von A T entgegengenommen worden. Nunmehr bringe die Beschwerdeführerin vor, dass A T zum damaligen Zeitpunkt nicht die Ehefrau von J T gewesen sei und diesem daher die Ladung zur mündlichen Verhandlung nach dem damaligen zustellrechtlichen Bestimmungen nicht wirksam zugestellt worden sei. J T bzw. die Beschwerdeführerin als seine Rechtsnachfolgerin wären daher (so das Vorbringen) übergangene Parteien, ihnen gegenüber sei der Baubewilligungsbescheid vom 20. August 1968 nicht in Rechtskraft erwachsen, weshalb die Garage auf dem Nachbargrundstück hinsichtlich der Frage der Einhaltung der Abstandsbestimmungen des § 6 Abs. 6 TBO 2001 nicht hätte berücksichtigt hätte werden dürfen.

Diesbezüglich sei darauf zu verweisen, dass zum Zeitpunkt der Kundmachung zur mündlichen Verhandlung die Zustellvorschriften des AVG 1950 in Kraft gewesen seien (Hinweis auf § 23 Abs. 1 leg. cit.). Angesichts dessen und des Umstandes, dass ein rechtskräftiger Baubewilligungsbescheid für das Garagengebäude auf dem Nachbargrundstück Voraussetzung für die Berücksichtigung dieses Gebäudes sei, wäre von der Berufungsbehörde der entscheidungsrelevante Sachverhalt auch dahingehend zu ermitteln gewesen, ob der Bescheid des Bürgermeisters vom 20. August 1968 gegenüber J T und damit auch gegenüber der Beschwerdeführerin in Rechtskraft erwachsen sei. Daher hätte die Berufungsbehörde bei Einhaltung des Parteiengehörs und bei Feststellung des für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhaltes möglicherweise zu einem anderen Ermittlungsergebnis und zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kommen können. Es bestünde somit zumindest die Möglichkeit, dass eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin erfolgt sei. Im fortgesetzten Verfahren werde daher die Berufungsbehörde die entsprechenden Ermittlungen durchzuführen haben.

Der Vollständigkeit halber sei abschließend zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach dem Garagenbau ein gültiger Baukonsens deshalb fehle, weil 1. das Garagentor entgegen dem Bescheid vom 20. August 1968 ohne Lüftungsgitter ausgeführt worden sei und 2. die Garage nicht zum Abstellen von Kraftfahrzeugen sondern als Material- und Gerätelager diene, auszuführen, dass der Beschwerdeführerin diesbezüglich nach § 25 Abs. 3 TBO 2001 keine Parteirechte zukämen und im Übrigen diese Vorbringen allenfalls geeignet seien, ein Verfahren zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 37 TBO 2001 durch die zuständige Baubehörde einzuleiten. Jedoch werde durch eine allfällige Nichteinhaltung einer Nebenbestimmung bzw. durch eine allfällige Änderung des Verwendungszweckes alleine ein aufrechter Baukonsens nicht beseitigt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (TBO 2001 - Wiederverlautung), in der Fassung LGBl. Nr. 63/2007 anzuwenden.

§ 6 TBO 2001 enthält Abstandsvorschriften und lautet auszugsweise:

"(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:

a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Rauchfang-, Abgasfang- oder Abluftfangmündungen aufweisen, einschließlich der Zufahrten; oberirdische bauliche Anlagen, die dem Schutz von Tieren dienen, dürfen in den Mindestabstandsflächen auch keine sonstigen Öffnungen ins Freie aufweisen; die Ausstattung von oberirdischen baulichen Anlagen mit begehbaren Dächern ist nur zulässig, wenn diese höchstens 1,50 m über dem anschließenden Gelände liegen oder wenn der betroffene Nachbar dem nachweislich zustimmt; begehbare Dächer dürfen mit einer höchstens 1 m hohen Absturzsicherung ausgestattet sein;

b) oberirdische bauliche Anlagen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen, wie Terrassen, Pergolen und dergleichen, wenn sie überwiegend offen sind, sowie offene Schwimmbecken;

c) ...

(6) Die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 15 v. H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinne des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 verbaut werden. Dabei bleiben bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. c und d sowie Pflasterungen und dergleichen unberücksichtigt. Oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. a und b dürfen überdies nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, dass gegenüber den angrenzenden Grundstücken zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von baulichen Anlagen frei bleibt, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu. Gemeinsame Grenzen von weniger als 3 m Länge auf einer Seite bleiben unberücksichtigt."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 dritter Satz TBO 2001 gegeben sind. Zutreffend unstrittig ist, dass die Garage auf dem Nachbargrundstück wie auch die projektierte Garage oberirdische bauliche Anlagen im Sinne dieses Satzes sind, und dass der betroffene Nachbar einer weitergehenden Verbauung der gemeinsamen Grundgrenze (über die Hälfte hinaus) nicht nachweislich zugestimmt hat. Zutreffend ist auch die Auffassung, dass das tatsächlich bestehende Garagengebäude auf dem Nachbargrundstück nur dann im Sinne dieses dritten Satzes zu berücksichtigen ist, wenn es rechtmäßig besteht.

Ebenfalls zutreffend verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass den tragenden Gründen einer aufhebenden Vorstellungsentscheidung für das weitere Verfahren Bindungswirkung zukommt, woraus sich (hier) die Berechtigung der Beschwerdeführerin ergibt, in diesem Sinne tragende Aufhebungsgründe zu bekämpfen, wenn sie diese für unzutreffend hält (siehe dazu beispielsweise Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, Seite 161, mwN).

Tragender Grund der Aufhebung war im Beschwerdefall die zu klärende Frage, ob der Baubewilligungsbescheid vom 20. August 1968 gegenüber J T und damit auch gegenüber der Beschwerdeführerin in Rechtskraft erwachsen ist, wobei die gehörige Ladung des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin, J T, zur Bauverhandlung am 8. August 1968 nicht ausreichend feststehe, weil sachverhaltsmäßig nicht ausreichend klar sei, ob die Übernahme der Ladung durch A T rechtswirksam sei.

Unausgesprochene Voraussetzung der Überlegungen der belangten Behörde in diesem Zusammenhang war, dass bei einer gehörigen Ladung des J T zur Bauverhandlung von einer Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vom 20. August 1968 auszugehen sei, weil J T keine Einwendungen erhoben hatte, wobei sich die Berufungsbehörde diesbezüglich auf § 50 TLBO gestützt hatte.

Im damaligen Zeitraum galt die Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901 (wiederverlautbart in der Fassung der II. Bauordnungsnovelle mit LGBl. Nr. 12/1928, wobei, soweit ersichtlich, keine neue Bezeichnung eingeführt wurde), in der Fassung LGBl. Nr. 10/1960.

§ 48 TLBO traf nähere Bestimmungen zur Bauverhandlung, und ordnete unter anderem an, dass zur Bauverhandlung (nebst anderen Personen) "sämtliche unmittelbare Nachbarn des Bauwerbers (Anrainer) und allfällige andere Interessenten" vorzuladen waren, wobei die Ausweise über die Zustellung der Vorladungen (Zustellscheine) bei den Bauverhandlungsakten aufzubewahren waren.

Der bezogene § 50 TLBO regelte die "Verständigung der Beteiligten von der Erledigung des Baugesuches". Der hier maßgebliche Absatz 1 lautete:

"Von dem Bescheid des Bürgermeisters (Bauausschusses) sind der Bauwerber sowie die Anrainer, die bei der Bauverhandlung Einwendungen erhoben haben, schriftlich unter Rechtsmittelbelehrung zu verständigen."

Nach § 51 Abs. 1 TLBO durfte vor eingetretener Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit dem Bau nicht begonnen werden.

Diese drei Bestimmungen sind im Zusammenwirken dahin zu verstehen, dass kraft Gesetzes eine Zustellung des Baubewilligungsbescheides nur an jene (gehörig geladenen) Nachbarn zu erfolgen hatte, die Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hatten, demnach (kraft Umkehrschlusses) nicht auch an die (gehörig geladenen) Nachbarn, die keine Einwendungen erhoben hatten, und der Bescheid demnach auch diesen gegenüber ohne Zustellung in Rechtskraft im Sinne des § 51 Abs. 1 TLBO erwuchs, somit der Bau errichtet werden durfte (und demnach die hier bestehende Garage rechtmäßig bestünde).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat die belangte Behörde zutreffend darauf abgestellt, dass zu klären sei, ob die Ladung des J T durch Ersatzzustellung an A T gehörig erfolgte, und diesbezüglich weitere Erhebungen für erforderlich erachtet.

Die Auslegung der belangten Behörde des § 6 Abs. 6 dritter Satz TBO 2001 ist zutreffend: Die Anordnung des Gesetzes, dass gegenüber den angrenzenden Grundstücken "zu jeder Seite hin" mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von baulichen Anlagen frei zu bleiben hat, bezieht sich auf den Abstandsbereich beidseits der gemeinsamen Grenze, dieser hat frei von solchen baulichen Anlagen zu sein. In diesem Sinne ist die Wendung "zu jeder Seite hin" zu verstehen (in diesem Sinne übrigens schon zur früheren, aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles im Wesentlichen gleichen Rechtslage das genannte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1989, Zl. 86/06/0263, Slg. 12866/A (mit verkürzter Sachverhaltsdarstellung) - der Verwaltungsgerichtshof führte darin aus, die Wendung "zu jeder Seite hin" sei dahin zu verstehen, dass der Abstand von 3 m an beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze, eben nach jeder Seite hin gewahrt werden müsse, und lehnte dabei die Auffassung der Verwaltungsbehörden ab, dass für die Ermittlung der Länge der gemeinsamen Grenze isoliert auf jede einzelne Seite des Grundstückes abzustellen sei, es komme daher nicht bloß auf die - damals - nördliche Grundstücksgrenze an, sondern auf die gesamte gemeinsame Grundstücksgrenze). Die von der Beschwerdeführerin gewünschte Auslegung dieser Bestimmung würde bedeuten, dass die Eigentümer aneinander grenzender Grundstücke jeweils ohne Zustimmung des jeweils anderen Nachbarn die gemeinsame Grundgrenze jeder bis zur Hälfte, somit insgesamt zur Gänze verbauen könnten, was dem Regelungsgehalt dieser Bestimmung nicht unterstellt werden kann. Vielmehr kann im Sinn des Gesetzes, die Mindestabstandsflächen (wenn überhaupt) nur bis zu einem gewissen Grad bebauen zu dürfen, nichts Unsachliches erblickt werden. Besteht die Garage auf dem Nachbargrund rechtmäßig, muss das Vorhaben der Beschwerdeführerin so den Gegebenheiten angepasst werden, dass mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grundgrenze beidseits im erforderlichen Abstandsbereich von einer Verbauung frei bleibt (es sei denn, der Nachbar stimmte zu), was beim vorliegenden Projekt (den rechtmäßigen Bestand der Garage auf dem Nachbargrund vorausgesetzt) aber nicht gegeben ist.

Die weiteren Ausführungen der belangten Behörde, welche dahin gehen, dass bestimmte Vorbringen der Beschwerdeführerin unzutreffend seien, sind schon begrifflich keine "tragenden Aufhebungsgründe" (weil sie nicht zur Aufhebung führten), die somit in diesem Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg bekämpft werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen, weil diese nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Wien, am 28. April 2009

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