VwGH 2008/23/0764

VwGH2008/23/076411.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des M I alias C E in W, geboren 1986 alias 1977, vertreten durch Mag. Dr. Markus Christian Weinl, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3/1.Stock - Mahlerstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. September 2006, Zl. 249.663/9-XV/54/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §25 Abs1;
AsylG 1997 §25 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §25 Abs1;
AsylG 1997 §25 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 26. Oktober 2003 einen Asylantrag. Er brachte vor, minderjährig zu sein und gab zunächst an, in Nigeria aufgrund seiner Mitgliedschaft zur Gang Red Axe verfolgt zu werden, später sagte er aus, seine Heimat lediglich aufgrund der ihm durch seine uneheliche Geburt entstandenen Schwierigkeiten verlassen zu haben.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. März 2004 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde der MA 11 - Kompetenzzentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zugestellt.

Der Jugendwohlfahrtsträger erhob dagegen namens des Beschwerdeführers Berufung.

Am 26. Juli 2004 wurde der belangten Behörde vom Bundesasylamt die beabsichtigte Eheschließung des Beschwerdeführers in Österreich mitgeteilt. Dieser Mitteilung waren auch Kopien des Reisepasses des Beschwerdeführers mit dem oben angeführten alias-Namen und dem Geburtsdatum 25. Juli 1977 sowie einer beglaubigten Heiratserklärung der nigerianischen Botschaft mit denselben Personendaten angeschlossen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG als unbegründet ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig. Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer trage den "im Spruch an zweiter Stelle genannten Namen" (d.i. der alias-Name). Dies ergebe sich "zweifelsfrei aus den im Akt befindlichen Personaldokumenten". Wie bereits von der erstinstanzlichen Behörde zutreffend gewürdigt, seien die Angaben des Beschwerdeführers völlig unglaubwürdig und auch aus dem Berufungsschriftsatz ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine gegenteilige Beurteilung. Dieser Eindruck werde noch durch den Umstand verstärkt, dass der Beschwerdeführer nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens und Einbringung der Berufung Personaldokumente zum Zweck der Eheschließung vorgelegt habe, aus denen sich nicht nur ein anderer Name, sondern auch ein völlig anderes Geburtsdatum ergebe. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Asylverfahren unwahre Angaben über seine Identität gemacht habe, um damit seine Chancen auf Asylgewährung zu erhöhen. Zudem sei er als vermeintlich Minderjähriger auch vom zuständigen Jugendwohlfahrtsträger vertreten worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kann sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten. Ist der erstinstanzliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel des Berufungswerbers zur Folge. Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde reicht in derartigen Fällen nur soweit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (siehe die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 13, 18 zu § 63 AVG).

Gemäß § 25 Abs. 1 AsylG sind volljährige Fremde in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Gemäß § 25 Abs. 2 AsylG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) sind mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, berechtigt, Anträge zu stellen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung des Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger.

Die Beschwerde rügt u.a., dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Asylantragstellung volljährig gewesen sei, die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides daher an ihn persönlich und nicht an den Jugendwohlfahrtsträger hätte erfolgen müssen. Da § 23 Abs. 6 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (wonach eine Zustellung, die aufgrund der Angaben des Asylwerbers zu seinem Alter an einen Rechtsberater oder den Jugendwohlfahrtsträger ergeht, auch wirksam ist, wenn der Asylwerber zum Zeitpunkt der Zustellung volljährig ist), auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden war, ist der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen im Recht.

Aus dem angefochtenen Bescheid und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich eindeutig, dass auch die belangte Behörde von der nach Einbringung der Berufung bekannt gegebenen Identität und damit von der - bereits bei Asylantragstellung vorliegenden - Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen ist.

Eine rechtswirksame Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides liegt somit nicht vor, da in der Zustellverfügung der volljährige Beschwerdeführer selbst als Empfänger hätte bezeichnet werden müssen und nicht der vermeintlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger. Dieser ist überdies, ohne zur Vertretung des volljährigen Beschwerdeführers berufen gewesen zu sein, für ihn als Vertreter eingeschritten. Die Berufung ist daher dem Jugendwohlfahrtsträger zuzurechnen und als von ihm im eigenen Namen eingebracht zu behandeln.

Aus dem Gesagten ergibt sich einerseits, dass der erstinstanzliche Bescheid bis dato nicht rechtswirksam erlassen wurde und somit kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für die mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesene Berufung vorlag, andererseits, dass der Jugendwohlfahrtsträger im vorliegenden Verfahren mangels Parteistellung keine Rechtsmittellegitimation hatte. Die Berufung wäre daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 11. November 2009

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