VwGH 2008/22/0784

VwGH2008/22/078410.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 13. Juni 2007, Zl. Fr-4250b-11/07, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §25;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §25;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 54 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer am 7. Oktober 2005 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "Begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreicher" mit der Begründung gestellt habe, dass seine Mutter mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei. Die begehrte Niederlassungsbewilligung sei dann am 1. Dezember 2005 ausgestellt worden. Mit dem am 19. Oktober 2005 rechtskräftig gewordenen Urteil des "Grundgerichtes in Vlasenica" sei jedoch die Ehe seiner Mutter geschieden worden. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Niederlassungsbewilligung sei somit seine Mutter nicht mehr mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen. Weiters habe der frühere Ehemann der Mutter des Beschwerdeführers erklärt, dass die Unterschrift auf der Zusage über die Unterhaltsgewährung nicht von ihm stamme und er auch keine Unterhaltsleistung für seinen Stiefsohn erbracht habe. Jedenfalls habe der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ausstellung der Niederlassungsbewilligung am 1. Dezember 2005 "mangels fehlender Unterhaltsleistung durch einen österreichischen Staatsangehörigen" nicht die Voraussetzungen für die Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger erfüllt. Somit seien die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Z 1 FPG gegeben.

Der Beschwerdeführer sei in Bosnien-Herzegowina aufgewachsen und habe dort bis zum Jahr 2005 gelebt. Nun lebe er bei seiner Mutter und gehe einer Arbeit nach. Somit sei von einem "gewissen Eingriff" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Durch seinen Aufenthalt gefährde der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung, weil damit die Bemühungen der Republik Österreich unterlaufen bzw. erheblich gestört würden, eine geregelte und kontrollierte Fremdenpolitik zu betreiben. Der (mit der Ausweisung verbundene) Eingriff sei daher dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich seien nicht so stark ausgeprägt, dass sie die besagten öffentlichen Interessen überwiegen würden. Der Beschwerdeführer befinde sich nun mit 31 Jahren in einem Alter, in dem er nicht mehr auf einen direkten Kontakt mit seiner Mutter angewiesen sei. Einer gemeinsamen Ausreise mit seiner Mutter stehe kein unüberwindliches Hindernis entgegen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2008, B 1287/07-6, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten. Dieser hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 54 Abs. 1 FPG lautet:

"Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre oder

2. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht."

In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass die Ehe der Mutter des Beschwerdeführers mit einem österreichischen Staatsbürger zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels bereits geschieden war und dies der die Niederlassungsbewilligung erteilenden Behörde damals nicht bekannt war.

Da die Angehörigeneigenschaft zu seinem österreichischen Stiefvater zum Zeitpunkt der Gewährung des Aufenthaltstitels bereits weggefallen war, hatte der Beschwerdeführer in diesem Zeitpunkt schon deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger (§ 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 des - bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen - Fremdengesetzes 1997). Auf die weitere Voraussetzung der Unterhaltsgewährung an den auch damals bereits über 21 Jahre alten Beschwerdeführer kommt es entgegen der Beschwerdemeinung somit nicht an, um den Ausweisungstatbestand des § 54 Abs. 1 Z 1 (zweiter Fall) FPG als verwirklicht ansehen zu dürfen.

Bei dieser Beurteilung kann dahin stehen, ob - rückblickend gesehen - der Gewährung des Aufenthaltstitels das Fehlen einer allgemeinen oder einer besonderen Erteilungsvoraussetzung entgegen gestanden wäre. Diese Unterscheidung bei der Auslegung des Begriffs "Versagungsgrund" kommt im Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 Z 2 FPG Bedeutung zu. Dies wurde in der Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 13. November 2007, 2006/18/0301, und diesem folgend etwa jenes vom 31. März 2008, 2006/21/0308) daraus abgeleitet, dass eine Vorgangsweise nach § 25 NAG (Verständigung der Fremdenpolizeibehörde durch die Niederlassungsbehörde im Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels zur Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungsverfahrens) nur bei Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 NAG in Betracht kommt. Fehlen hingegen besondere Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, so hat die Niederlassungsbehörde den Antrag abzuweisen. Dementsprechend kann es sich bei einem zur Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG führenden "Versagungsgrund" nur um das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 NAG handeln. Das bloße Fehlen von besonderen Voraussetzungen für einen angestrebten Titel ist hingegen - ohne Hinzutreten von Gründen für die Versagung gemäß § 11 NAG, wie etwa die Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch einen weiteren Inlandsaufenthalt des Antragstellers (§ 11 Abs. 2 Z 1 leg. cit.) - für sich allein kein Grund für die fremdenpolizeiliche Maßnahme der Ausweisung des Antragstellers.

Diese Überlegungen greifen aber nicht in der Konstellation, die dem § 54 Abs. 1 Z 1 FPG zugrunde liegt. Dieser knüpft die Ausweisung an einen Versagungsgrund für den bereits erteilten Aufenthaltstitel an. Zu beurteilen ist somit nicht das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung für einen beantragten weiteren Aufenthaltstitel. Nur in dem letztgenannten Fall der beabsichtigten Verweigerung einer Verlängerung des Aufenthaltstitels kann sich aber die Frage, ob nach § 25 NAG (Einschaltung der Fremdenpolizeibehörde) vorzugehen oder aber der Antrag von der Niederlassungsbehörde selbst abzuweisen ist, überhaupt stellen. Demnach kommt dem Begriff "Versagungsgrund" in der Ziffer 1 des § 54 Abs. 1 FPG nicht der eingeschränkte Bedeutungsumfang wie in dessen Ziffer 2 zu.

Es verbleibt noch die Beurteilung der behördlichen Abwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009). Auch wenn die belangte Behörde die Feststellungen über die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und dessen inländische Integration sehr kurz gehalten hat, ist ihr doch darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer wegen seines Alters auf ein Familienleben mit seiner Mutter nicht mehr angewiesen ist und sich wegen seines Heimataufenthaltes bis zum Jahr 2005 erst auf einen ca. zweijährigen inländischen Aufenthalt im maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung berufen kann.

Wenn die belangte Behörde angesichts dieser Umstände dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein höheres Gewicht zumaß als dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, kann dies nicht als rechtswidrig gesehen werden. Ob der Mutter des Beschwerdeführers an der Scheidung ein Verschulden anzulasten ist, ist nicht von maßgeblicher Bedeutung. Der in der Beschwerde angesprochene "Verlust der Existenzgrundlage" (in Österreich) ist die in Kauf zu nehmende Folge der Ausweisung. Angesichts des bis zum Jahr 2005 währenden Heimataufenthaltes des Beschwerdeführers ist im Übrigen eine Entwurzelung von seinem Heimatland nicht anzunehmen.

Letztlich ist kein Umstand zu erkennen, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. November 2009

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