VwGH 2008/22/0664

VwGH2008/22/066422.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D und des N, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 27. Mai 2008, Zlen. 318.241/2-III/4/08 und 318.241/3-III/4/08, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §23 Abs4;
NAG 2005 §47;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §23 Abs1;
NAG 2005 §23 Abs4;
NAG 2005 §47;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer, Geschwister serbischer Staatsangehörigkeit, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zum Zweck einer Familienzusammenführung ab.

In den gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Beschwerdeführer bei ihrem Vater in Wien leben würden, der über eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" verfüge. Nach Zitierung des § 23 Abs. 4 NAG legte die belangte Behörde dar, dass die Mutter der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich sei und sie am 9. Mai 2007 durch eine Zustimmungserklärung beurkundet habe, dass sie damit einverstanden wäre, dass die Kinder beim Vater leben würden. Somit komme aus keinem anderen Grund als wegen des Verzichts der Mutter das alleinige Obsorgerecht dem Vater zu. Demnach sei eine Ableitung des Aufenthaltsrechts vom Vater nicht zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 23 Abs. 4 NAG lautet:

"(4) Handelt es sich um den erstmaligen Antrag eines Kindes (§ 2 Abs. 1 Z 9), richten sich die Art und die Dauer seines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltstitel der Mutter oder eines anderen Fremden, sofern diesem die Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, bei Ableitung vom Vater aber nur dann, wenn diesem aus einem anderen Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukommt. Ist ein Elternteil ein im Bundesgebiet wohnhafter Österreicher, so ist dem Kind jedenfalls ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" (§ 47 Abs. 2) zu erteilen; in allen anderen Fällen ist dem Kind ein Aufenthaltstitel mit dem Zweckumfang der Familienzusammenführung auszustellen."

Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie die Ableitung des Aufenthaltsrechts vom Vater verneint hat. In den Verwaltungsakten liegt die Erklärung der Mutter der Beschwerdeführer vom 9. Mai 2007, dass sie einverstanden sei, dass die Kinder "mit ihrem Vater nach Ausland fahren können". Demgemäß wurde mit Urteil des Gemeindegerichtes in Kovin vom 9. August 2007 die Obsorge dem Vater mit der Begründung übertragen, dass die Mutter ihr Einverständnis dazu abgegeben habe. Dem Beschwerdevorbringen, dass erst auf Grund einer Klage des Vaters diesem das Sorgerecht zuerkannt worden sei, weshalb von einem Verzicht der Mutter nicht die Rede sein könne, ist somit der Boden entzogen. Die Zustimmungserklärung der Mutter wird nämlich nicht dadurch bedeutungslos, dass die Obsorge (auf Grund dieser Zustimmungserklärung) mittels Gerichtsurteils übertragen wird.

Auch der Hinweis auf § 21 Abs. 2 Z 4 NAG und § 30 Abs. 4 FPG führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Mit diesen Bestimmungen wird lediglich geregelt, dass Kinder in den ersten sechs Lebensmonaten unter bestimmten Umständen ein Aufenthaltsrecht in Österreich haben und die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland beantragen können. In den gegenständlichen Verfahren geht es jedoch (allein) darum, ob die Beschwerdeführer einen vom Vater abgeleiteten Aufenthaltstitel erlangen können.

Dennoch kommt der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu. Den Anträgen der Beschwerdeführer vom 17. Dezember 2007 war nämlich die Erklärung des Vaters angeschlossen, in der dieser unter anderem ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Beschwerdeführer mit ihm und mit seiner Mutter leben würden und seine Mutter österreichische Staatsbürgerin sei. Weiters liegt auch eine Kopie des Staatsbürgerschaftsnachweises dieser Mutter im Verwaltungsakt. Aus dem behaupteten Zusammenleben mit ihrer Großmutter könnte somit abgeleitet werden, dass diese, eine österreichische Staatsbürgerin, eine "Zusammenführende" im Sinn des § 47 NAG ist. Unter den dort genannten Voraussetzungen könnte sich ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ergeben. Im Übrigen wird zum aufenthaltsrechtlichen Status der Beschwerdeführer als Enkel einer Österreicherin auf die gleichheitsrechtlichen Bedenken im hg. Beschluss vom heutigen Tag zur Zl. 2009/22/0043 verwiesen.

Gemäß § 23 Abs. 1 NAG sind Fremde zu belehren, wenn sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren ergibt, dass diese einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel für den beabsichtigten Zweck benötigen. Da den Beschwerdeführern zwar nicht die Ableitung eines Aufenthaltstitels von ihrem Vater offen steht, sie aber allenfalls unter Berufung auf ihre österreichische Großmutter eine Aufenthaltsberechtigung erlangen könnten und die belangte Behörde der genannten Belehrungspflicht nicht nachgekommen ist, waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen bereits enthalten ist.

Wien, am 22. September 2009

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