VwGH 2008/22/0447

VwGH2008/22/04473.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 2007, Zl. 149.385/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 12. Februar 2007 durch seinen Rechtsvertreter per Post einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "Familienangehöriger", den er damit begründete, dass er mit einer slowakischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Dieser Antrag wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 2. März 2007 gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer als Asylwerber nicht dem Anwendungsbereich des NAG unterliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. August 2007 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 NAG ab.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, der Beschwerdeführer habe in der fristgerecht eingebrachten Berufung durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter vorgebracht, das Asylverfahren sei mit Bescheid vom 6. März 2007 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden, der Beschwerdeführer sei jedoch mit einer slowakischen Staatsbürgerin verheiratet, daher sei die einschlägige EU-Richtlinie für seine Aufenthaltsberechtigung anzuwenden.

Die belangte Behörde führte dazu aus, der Beschwerdeführer habe zutreffend dargetan, dass seine Ehefrau das Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Als Angehöriger einer EWR-Bürgerin habe der Beschwerdeführer kein unmittelbares, sondern ein abgeleitetes Recht, das voraussetze, dass er als Angehöriger den EWR-Bürger begleite oder zu ihm nachziehe, beide Alternativen würden durch den Beschwerdeführer nicht erfüllt, da er sich seit seiner Einreise am 14. April 2003 in Österreich aufhalte, seine Gattin aber erst am 20. September 2006 in Wien geheiratet habe. Die Eheschließung für sich genommen schaffe weder ein Aufenthaltsrecht noch ersetze sie das notwendige Begleiten oder Nachziehen im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.

Unter Hinweis auf die §§ 19 Abs. 1 und 21 Abs. 1 NAG werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer entgegen der Bestimmung des § 19 Abs. 1 NAG seinen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" am 12. Februar 2007 durch seinen Rechtsvertreter per Post an die zuständige Behörde und nicht - wie zwingend erforderlich sei - persönlich bei der Behörde gestellt habe. Diese offenkundige Tatsache werde durch seinen Antrag dokumentiert. Eine neuerliche Befassung im Rahmen des Parteiengehörs sei daher entbehrlich.

Der Beschwerdeführer sei am 14. April 2003 illegal nach Österreich eingereist. Sein Asylverfahren sei in zweiter Instanz am 9. März 2007 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden.

Für die belangte Behörde stehe fest, dass der gegenständliche Antrag im Inland eingebracht worden sei und sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Antragstellung im Inland aufgehalten habe. Dieser Umstand werde vor allem durch die Tatsache bekräftigt, dass der Beschwerdeführer seit 14. April 2003 durchgehend im Bundesgebiet polizeilich aufrecht gemeldet sei. Daher stehe fest, dass der Versagungsgrund der unzulässigen Inlandsantragstellung vorliege.

Aus dem gesamten Akteninhalt sowie dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergäben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer slowakischen Staatsbürgerin verehelicht sei, könne nicht als humanitärer Grund im Sinne des § 72 NAG angesehen werden.

Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Prozessgegenstand einer Berufungsentscheidung nach § 66 AVG ist jene Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Instanz vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, so darf die Berufungsbehörde keine Sachentscheidung treffen, weil damit der Partei in der Sachfrage eine Instanz genommen wäre (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 66 AVG, Seite 1273 ff, angeführte hg. Rechtsprechung, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0072).

Im gegenständlichen Fall wies die Behörde erster Instanz den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels lediglich aus Formalgründen, nämlich der von ihr konstatierten Unanwendbarkeit des NAG, zurück. Demnach lag ausschließlich ein verfahrensrechtlicher Bescheid vor, mit dem eine Entscheidung in der Sache, d.h. in der Angelegenheit, die den Inhalt des Antrages bildete, abgelehnt wurde (vgl. nochmals das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0072). Daher war die belangte Behörde als Berufungsbehörde lediglich zur Entscheidung befugt, ob die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen war. Dies allein bildete den Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da die belangte Behörde hingegen den von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Zurückweisungstatbestand als nicht gegeben ansah und in weiterer Folge ungeachtet des Gegenstandes des Berufungsverfahrens eine inhaltliche Entscheidung traf, überschritt sie die ihr im Berufungsverfahren gesetzten Grenzen und belastete ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Im weiteren Verfahren werden von der erstinstanzlichen Behörde die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) vom 25. Juli 2008, Metock u.a. (C-127/08 ), sowie vom 19. Dezember 2008, Sahin (C-551/07 ) zu berücksichtigen sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 3. April 2009

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