VwGH 2008/21/0609

VwGH2008/21/060922.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde von 1. N Z, und 2. A Z und vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 6. März 2008, Zl. 313.163/60- III/4/08, und Zl. 313.163/61-III/4/08, jeweils betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach der Aktenlage ist von folgendem (unstrittigen) Sachverhalt auszugehen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin; beide stammen aus dem Kosovo. Sie reisten gemeinsam mit vier weiteren Kindern bzw. Geschwistern im September 2002 nach Österreich ein, wo sich ihr Ehemann bzw. Vater seit Mai 2001 als Asylwerber aufhielt. Die Asylverfahren aller Familienangehörigen sind rechtskräftig negativ beendet.

Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck leitete im Jahr 2007 von Amts wegen ein Verfahren zur Erteilung humanitärer Aufenthaltsbewilligungen gemäß § 72 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG an die Beschwerdeführerinnen ein. Im Zuge dieses Verfahrens ersuchte er mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 den Bundesminister für Inneres um Zustimmung gemäß § 75 NAG zur Erteilung solcher Aufenthaltsbewilligungen. Am 14. Dezember 2007 erfolgte eine Presseaussendung des Bundesministers für Inneres, mit der bekannt gegeben wurde, dass er der Erteilung von humanitären Aufenthaltsbewilligungen für die Beschwerdeführerinnen nicht zustimme, weil die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 18. Dezember 2007 stellten die beiden Beschwerdeführerinnen an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den Antrag auf "Ausstellung und Zustellung eines anfechtbaren Bescheides betreffend die Ablehnung des Antrages auf humanitäre Niederlassungsbewilligung". Zur Begründung brachten die Beschwerdeführerinnen vor, sie hätten Medienberichten vom 14. Dezember 2007 entnommen, dass der Bundesminister für Inneres der Erteilung humanitärer Niederlassungsbewilligungen für sie nicht zustimme. Durch diese Entscheidung werde in die menschenrechtlich geschützte Rechtsposition der Beschwerdeführerinnen eingegriffen, weshalb es aus rechtsstaatlichen Gründen unerlässlich sei, dass ihnen über die Ablehnung "des Antrags auf humanitäre Niederlassungsbewilligung" ein Bescheid zugehe, um in die Lage versetzt zu werden, den Rechtsweg zu beschreiten.

Dazu äußerte sich der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck in einem Antwortschreiben vom 11. Jänner 2008 wie folgt:

"Sehr geehrter Herr Dr. B!

Unter Bezugnahme auf Ihre schriftliche Eingabe vom 18.12.2007 - bei der BH Vöcklabruck am Postweg eingelangt am 27.12.2007 - wird seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mitgeteilt, dass die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) 2005 kein Antragsrecht auf die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels vorsehen. Demzufolge ergeht über ein negatives Ergebnis einer amtswegigen Prüfung in diesem Bereich auch keine bescheidmäßige Erledigung.

Das Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/4, hat der amtswegigen Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen aus humanitären Gründen zugunsten von Ihren im Betreff genannten Mandanten nicht zugestimmt. Weiters wird darauf verwiesen, dass Ihnen die Möglichkeit einer Einsichtnahme in die Fremdenpolizeiakte Ihrer Mandanten offen steht.

Mit freundlichen Grüßen!"

Die gegen diese Erledigung von den Beschwerdeführerinnen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit den angefochtenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheiden vom 6. März 2008 zurück, weil es sich bei dem zitierten Schreiben des Bezirkshauptmannes - wie die belangte Behörde unter Bezugnahme auf dessen Wortlaut vor dem Hintergrund der ausführlich zitierten Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts näher begründete - nicht um einen anfechtbaren Bescheid, sondern um eine bloße Mitteilung der Rechtslage handle.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Erkenntnis vom 6. Oktober 2008, B 991, 992/08-7, abwies. Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Entscheidung im Anschluss an die Darstellung seiner Rechtsprechung zum Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung fallbezogen wie folgt:

"Dem Schreiben des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom

11. Jänner 2008 fehlen in seiner äußeren Form die nach dem AVG für

einen Bescheid geforderten Kriterien. Aus seinem Inhalt,

insbesondere aus der Verwendung der Wortfolgen "... ergeht über

ein negatives Ergebnis ... keine bescheidmäßige Erledigung",

"Beantwortung Ihrer schriftlichen Eingabe vom 18.12.2007" und

"wird ... mitgeteilt" geht eindeutig hervor, dass der Wille des

Bezirkshauptmannes weder auf die Erlassung eines Bescheides über die Nichterteilung humanitärer Aufenthaltstitel noch eines Feststellungsbescheides über das Nichtbestehen eines Antragsrechtes auf Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel gerichtet war. Das Schreiben beschränkt sich vielmehr darauf, den Beschwerdeführerinnen mitzuteilen, dass die Bestimmungen des NAG kein Antragsrecht auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels vorsehen und daher über ein negatives Ergebnis einer Prüfung von Amts wegen keine bescheidmäßige Erledigung ergeht.

Mangels eines entsprechenden Bescheidwillens handelt es sich bei der in Briefform ergangenen Erledigung des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 11. Jänner 2008 um eine bloße Mitteilung, nicht aber um einen anfechtbaren Bescheid (vgl. zB VfSlg. 10.778/1986 und 11.094/1986).

Da Berufungen - wie aus § 63 Abs 3 bis 5 AVG hervorgeht - nur gegen Bescheide, nicht jedoch gegen andere behördliche Erledigungen - wie zB Mitteilungen - zulässig sind, hat eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung der Berufung gegen die Mitteilung des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 11. Jänner 2008 nicht stattgefunden."

Über gesonderten Antrag wurde die Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. November 2008 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die mit Schriftsatz vom 25. Dezember 2008 ergänzte Beschwerde erwogen hat:

In der Beschwerdeergänzung wird zunächst "vollinhaltlich" auf die Argumente in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verwiesen. Daran anschließend wiederholen die Beschwerdeführerinnen, bei verfassungskonformer Interpretation der "maßgeblichen Gesetzesbestimmungen über den humanitären Aufenthalt" hätten sie ein Recht auf Zustellung eines Bescheides über die Ablehnung des für sie geltend gemachten humanitären Aufenthaltstitels. Folge man der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246/07 ua, müsse bei verfassungskonformer Interpretation der nach wie vor gültigen Gesetzesbestimmungen eine bescheidmäßige Erledigung der Abweisung des für die Beschwerdeführerinnen beantragten Aufenthaltstitels erfolgen. Wenn den Beschwerdeführerinnen ein Bescheid vorenthalten werde, widerspreche dies der Verfassungsrechtslage (Art. 8 iVm Art. 13 EMRK). Um dieses verfassungswidrige Ergebnis zu vermeiden, müsse der gegenständlichen Erledigung Bescheidqualität zukommen.

Voranzustellen ist, dass die Beschwerdeführerinnen keinen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gestellt hatten. Der Antrag vom 18. Dezember 2007 auf Ausstellung und Zustellung eines anfechtbaren Bescheides betreffend die Ablehnung "des Antrages auf humanitäre Niederlassungsbewilligung" kann sich somit nur auf die im Rahmen der amtswegigen Prüfung erfolgte Ablehnung der Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel beziehen.

Weiters ist klarzustellen, dass die Beschwerdeführerinnen dem gegenständlichen Schreiben des Bezirkshauptmannes vom 11. Jänner 2008 nach dem Inhalt der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgenommenen Beschwerdeergänzung nicht (mehr) unterstellen, es sei damit eine bescheidmäßige Erledigung des Antrages vom 18. Dezember 2007 im Sinne einer Zurück- oder Abweisung dieses Antrages vorgenommen worden. Die Beschwerdeführerinnen gehen vielmehr erkennbar davon aus, es handle sich bei dem gegenständlichen Schreiben des Bezirkshauptmannes um jenen Bescheid, dessen Erlassung beantragt worden war, nämlich um den bescheidmäßigen (negativen) Abspruch über humanitäre Aufenthaltstitel für die Beschwerdeführerinnen.

Dem kann aber nicht gefolgt werden. Am Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bescheidqualität einer in Briefform gekleideten Mitteilung (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 99/20/0182, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) kommt dem gegenständlichen Antwortschreiben - aus den schon vom Verfassungsgerichtshof in seinem beschwerdeabweisenden Erkenntnis dargestellten, oben wiedergegebenen - Gründen nämlich kein Bescheidcharakter zu. Der Beschwerdeergänzung sind auch keine Argumente zu entnehmen, aus welchen Gründen der brieflichen, unter Verwendung von Höflichkeitsfloskeln erfolgten bloßen Darstellung der Rechtslage samt kommentarloser Mitteilung über die Versagung der Zustimmung des Bundesministers für Inneres zur amtswegigen Erteilung von humanitären Aufenthaltstiteln in Verbindung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Akteneinsicht Bescheidqualität zukommen soll. Soweit die Beschwerdeführerinnen meinen, es bestünde aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung, läge aber lediglich eine - wie zu betonen ist: im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilende - Säumnis der Behörde vor. Für die Frage, ob dem gegenständlichen Schreiben des Bezirkshauptmannes Bescheidqualität zukommt, ist daraus angesichts seines eindeutigen, nicht auf eine normative Erledigung gerichteten Inhalts nichts zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund wurde die Berufung der Beschwerdeführerinnen gegen das Schreiben des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 11. Jänner 2008 mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht zurückgewiesen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Jänner 2009

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