VwGH 2008/21/0524

VwGH2008/21/05248.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des L in G, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 7. Juli 2008, Zl. 2 F 285/1-2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §2 Abs1 Z14;
FrPolG 2005 §62;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z14;
FrPolG 2005 §62;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 bis 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf 10 Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass das Landesgericht für Strafsachen Graz mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Dezember 2007 über den Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 StGB sowie § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall sowie Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG eine bedingt nachgesehene achtmonatige Freiheitsstrafe verhängt habe. Er habe am 17. Juni 2007 den A. durch Versetzen von Faustschlägen gegen die Brust und das Gesicht, wodurch dieser eine Schwellung unterhalb des linken Auges erlitten habe, vorsätzlich am Körper verletzt. Zwischen Herbst 2005 und Juli 2007 habe er in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, anderen Personen überlassen, indem er unbekannte Mengen Marihuana gewinnbringend weiterverkauft habe. Weiters habe er im selben Zeitraum Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider erworben und besessen, indem er unbekannte Mengen Marihuana angekauft und selbst konsumiert habe.

Der Beschwerdeführer sei am 11. März 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am Tag darauf einen Asylantrag gestellt. Über diesen sei - infolge Erhebung einer Berufung gegen den erstinstanzlich abweisenden Bescheid durch den Beschwerdeführer - bislang noch nicht rechtskräftig entschieden worden.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe nach eigenen Angaben "weder in Österreich noch im übrigen Europa familiäre Beziehungen". In Nigeria habe er hingegen eine sieben Jahre alte Tochter, die bei ihrer Mutter lebe. Er verkaufe seit Jänner 2005 die Zeitschrift "Das Megaphon", wodurch er monatlich rund EUR 350,-

- verdiene. Abgesehen davon beziehe er Sozialhilfe. Für ein von ihm angemietetes Zimmer habe er monatlich EUR 260,-- (zuzüglich rund EUR 20,-- für den elektrischen Strom) zu zahlen.

Auf Grund der dargestellten rechtskräftigen Verurteilung - so argumentierte die belangte Behörde weiter - sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das beschriebene Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maße, sodass sich auch die in § 62 Abs. 1 FPG dargestellte Annahme als berechtigt erweise. Es könne daher gegen den Beschwerdeführer als Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer habe keine familiären Bindungen im Bundesgebiet und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Das Rückkehrverbot bewirke somit keinen relevanten Eingriff in sein Privat- oder Familienleben. Dazu komme, dass die Erlassung des Rückkehrverbotes im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele ungeachtet des mehrjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dringend geboten sei. Eine Verhaltensprognose könne in Ansehung der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der bei Suchtgiftdelikten besonders hohen Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen. Erst nach Ablauf von 10 Jahren bestehe Grund zur Annahme, dass eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit weggefallen sein werde.

Soweit der Beschwerdeführer Gefahren oder Bedrohungen im Fall seiner Abschiebung (nach Nigeria) releviere, seien solche nicht im vorliegenden Verfahren, sondern in einem Verfahren gemäß § 51 FPG zu prüfen. Auch werde mit dem Rückkehrverbot nicht darüber abgesprochen, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen hätte oder allenfalls dorthin abgeschoben werde.

Angesichts der Schwere des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und seines sich daraus ergebenden Charakterbildes könne von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 62 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt nachgesehenen achtmonatigen Freiheitsstrafe keinen Bedenken. Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt dieser Verurteilung - neben einer am 17. Juni 2007 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung - zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Jahr nach seiner Einreise in Österreich begonnen hat, an mehrere Kunden gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Suchtgift zu verkaufen. In Anbetracht dieses erheblichen, jahrelang fortgesetzten Fehlverhaltens und des großen öffentlichen Interesses insbesondere an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Gerade bei der Suchtmittelkriminalität handelt es sich nämlich um eine besonders gefährliche Kriminalitätsform, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist. Das bloße Beschwerdevorbringen, künftiges Wohlverhalten zu versprechen, ist daher aus diesem Blickwinkel unbeachtlich. Im Übrigen ist der seit der Begehung der dargestellten Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz, um bereits jetzt einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr anzunehmen, sodass auch deshalb - entgegen der Beschwerde - kein Grund dafür bestand, eine günstige Verhaltensprognose zu treffen (vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2009/18/0049, mwN).

Soweit die Beschwerde ins Treffen führt, die Erlassung eines Rückkehrverbotes wäre vor Rechtskraft des Abschlusses des genannten Asylverfahrens unzulässig, ist dem zu entgegnen, dass das in § 62 FPG normierte Rechtsinstitut des Rückkehrverbotes gerade an die Eigenschaft als Asylwerber anknüpft. Es kann daher keine Rede davon sein, vor Erlassung eines Rückkehrverbotes müsste die Beendigung des Asylverfahrens und damit das Ende der Stellung eines Asylwerbers abgewartet werden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164, und vom 27. Mai 2009, Zl. 2007/21/0134).

Ebenso ist die belangte Behörde - entgegen der Beschwerde - mit ihrer Ansicht im Recht, dass über Fragen einer allfälligen Gefährdungs- oder Bedrohungssituation im Heimatstaat nicht im Verfahren betreffend die Erlassung eines Rückkehrverbotes, sondern im Verfahren über die Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutzes gemäß § 8 AsylG 2005, im Verfahren nach § 50 Abs. 1 oder 2 FPG bzw. über die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG abzusprechen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0118, und vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0749, jeweils mwN).

Auch gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes sei zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (nämlich zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer Personen) dringend geboten (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen jedenfalls nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 2 FPG), bestehen keine Bedenken. Wenn der Beschwerdeführer auch auf gewisse Kenntnisse der deutschen Sprache, den Erwerb eines Freundes- und Bekanntenkreises und die Erzielung von Einkünften als Zeitschriftenverkäufer verweist, so fällt doch entscheidend das Fehlen familiärer Bindungen im Bundesgebiet (anders als im Heimatstaat) ins Gewicht. Die persönlichen Interessen des - schon auf Grund des von ihm selbst eingeräumten Bezugs von Sozialhilfe - nicht selbsterhaltungsfähigen Beschwerdeführers sind daher insgesamt nur schwach ausgeprägt. Konkrete Umstände, die zu einer ins Gewicht fallenden Verstärkung dieser Interessen führen könnten, werden in der Beschwerde nicht behauptet. Damit ist es dem Beschwerdeführer auch nicht gelungen, die Relevanz in diesem Zusammenhang geltend gemachter Verfahrensmängel aufzuzeigen.

Diesen persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich steht die aus seinem jahrelang fortgesetzten strafbaren Verhalten resultierende große Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, sodass gegenläufige Interessen des Beschwerdeführers im Vergleich dazu zurückzutreten haben.

Ebenso sind keine besonderen Umstände erkennbar, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, im Rahmen des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbotes Abstand zu nehmen.

Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 8. Juli 2009

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