VwGH 2008/21/0276

VwGH2008/21/02768.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde von 1. T,

2. D, 3. T, 4. B und 5. I, alle in G und alle vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark je vom 26. Februar 2008, Zlen. 2 F 664/2007 (ad 1.) und 2 F 537/2007 (ad 2. bis ad 5.), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet, die übrigen Beschwerdeführer sind die gemeinsamen Kinder. Alle sind türkische Staatsangehörige.

Der Erstbeschwerdeführer reiste am 17. Oktober 2002 illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Bereits im April 2003 wurde dieser Antrag vom Bundesasylamt gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen; außerdem sprach es aus, dass die Abschiebung des Erstbeschwerdeführers in die Türkei zulässig sei.

Am 9. August 2005 reiste die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Dritt- und dem Viertbeschwerdeführer legal über den Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein. In der Folge stellte sie für sich und die beiden genannten Kinder - nach Geburt der Fünftbeschwerdeführerin auch für diese - einen Asylantrag, welche Anträge im Jänner bzw. im Mai 2006 erstinstanzlich abgewiesen wurden. Das Bundesasylamt erklärte auch im Falle der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer ergänzend die Abschiebung in die Türkei für zulässig.

Mit Bescheiden vom 23. März 2007 wies der unabhängige Bundesasylsenat die von allen Beschwerdeführern erhobenen Berufungen als unbegründet ab. Mit Beschluss vom 16. Mai 2007, Zlen. 2007/01/0474 bis 0478, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerden ab.

In der Folge wies die Bundespolizeidirektion Graz die Beschwerdeführer mit Bescheiden vom 7. November 2007 gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus. Sie begründete das im Wesentlichen jeweils damit, dass die nach rechtskräftig negativem Abschluss ihrer Asylverfahren nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführer keine Anstrengungen unternommen hätten, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Es habe daher eine Ausweisung zu erfolgen, die im Hinblick auf die gleichzeitige Setzung dieser Maßnahme gegenüber allen Familienmitgliedern lediglich in deren Privatleben eingreife. Diesbezüglich habe sich ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer einer Beschäftigung als Reinigungskraft nachgehe und dabei monatlich EUR 1.153,34 ins Verdienen bringe; darüber hinaus erhielten die Beschwerdeführer von der Caritas einen monatlichen Unterstützungsbetrag in der Höhe von EUR 420,--. Diesen Gesichtspunkten stehe jedoch gegenüber, dass den Beschwerdeführern bereits ab erstinstanzlicher Abweisung des Asylantrages des Erstbeschwerdeführers im April 2003 hätte bewusst sein müssen, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nur vorübergehend sein werde. Angesichts dessen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen, die die Beschwerdeführer durch ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet missachteten, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme, erweise sich damit bei Abwägung aller Gesichtspunkte die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen als dringend geboten. Bei der Entscheidungsfindung sei sowohl auf die Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführer als auch auf ihre Integration und die familiären und sonstigen Bindungen zum Bundesgebiet Bedacht genommen worden. Das der Behörde offen stehende Ermessen habe jedoch nicht zu Gunsten der Beschwerdeführer geübt werden können.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den gegen die erstinstanzlichen Ausweisungsbescheide erhobenen Berufungen keine Folge. Sie führte jeweils aus, sich der Bescheidbegründung der erstinstanzlichen Behörde vollinhaltlich anzuschließen und diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides zu erheben. Soweit die Beschwerdeführer in der Berufung eine Gefährdung in ihrem Heimatland geltend gemacht hätten, sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass diese Frage nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung zu prüfen sei.

Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Die Beschwerdeführer stellen nicht in Frage, dass sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und dass daher der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt ist. Sie bringen jedoch - primär unter dem Gesichtspunkt des der Behörde bei Erlassung einer Ausweisung offen stehenden Ermessens - vor, dass keine ausreichende Interessenabwägung bzw. Prüfung der individuellen persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer stattgefunden habe. In diesem Zusammenhang verweisen sie auf den "beinahe" fünfjährigen Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers, der "durchgehend" einer legalen Beschäftigung nachgegangen sei. Im Hinblick auf diese Beschäftigung bestehe umfassender Krankenversicherungsschutz, außerdem seien der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer durch ihren Volksschulbesuch voll integriert, was sich darin manifestiere, dass sie die deutsche Sprache einwandfrei beherrschten, während sie der türkischen Sprache nur eingeschränkt mächtig seien.

Auf diese Gesichtspunkte hat die Bundespolizeidirektion Graz, auf deren Bescheide die belangte Behörde zulässigerweise verweisen durfte, im Wesentlichen ohnehin Bedacht genommen. Lediglich die behaupteten Sprachkenntnisse der beiden älteren Kinder wurden nicht gesondert gewürdigt, welchem Umstand aber fallbezogen angesichts dessen, dass sie bei Bescheiderlassung erst neun bzw. sieben Jahre alt waren, keine wesentliche Bedeutung zukommt. Entscheidend ist vielmehr - und das hat die Bundespolizeidirektion Graz zutreffend hervorgehoben -, dass die erste negative Entscheidung über den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers unbestritten bereits im April 2003 erging. Er durfte daher spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht darauf vertrauen, ein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich zu erlangen. Alle in der Folge gesetzten Integrationsschritte sind unter diesem Aspekt in ihrem Gewicht maßgeblich reduziert, insbesondere die Berufstätigkeit des Erstbeschwerdeführers und die sich aus der Einreise der "Restfamilie" erst per August 2005 ergebenden Bindungen zu Österreich (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zlen. 2007/21/0477 bis 0479).

Nach dem Gesagten trifft der Vorwurf, die bekämpften Bescheide ließen eine Beschäftigung mit den individuellen persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer vermissen, nicht zu. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die trotz negativen Abschlusses ihrer Asylverfahren in Österreich - unrechtmäßig - verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt. Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angesehen hat. Es kann aber auch nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn von einer Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführer abgesehen wurde. Der Vorwurf, die Ermessensentscheidung sei begründungslos geblieben, trifft nicht zu, Gesichtspunkte, warum sie anders hätte ausfallen müssen, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

Zusammenfassend war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 8. Juli 2009

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