VwGH 2008/13/0212

VwGH2008/13/021218.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Ruth E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Otto-Bauer-Gasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 30. Juni 2008, Zl. RV/3671-W/07, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2005 bis Jänner 2006, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der im August 1983 geborene Sohn des Beschwerdeführers im Zeitraum März 2005 bis Jänner 2006 im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) für einen Beruf ausgebildet wurde. Den Streitpunkt bildet die in der zitierten Vorschrift enthaltene Voraussetzung, wonach in Fällen wie dem vorliegenden eine Berufsausbildung "nur dann anzunehmen" ist, wenn das volljährige Kind "die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr" überschreitet. Wird ein Studienabschnitt in der "vorgesehenen Studienzeit" absolviert, so kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird u.a. durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis auf näher geregelte Weise verlängert.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde eine Entscheidung des Finanzamtes vom 6. September 2007, in der der Antrag des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2005 bis Jänner 2006 abgewiesen wurde. Die belangte Behörde gab in der Begründung ihrer Entscheidung den Lauf des Verfahrens wieder, wobei die Wiedergaben insbesondere aus den Schriftsätzen des Beschwerdeführers erkennen lassen, dass dessen Sohn die vorgesehene Studienzeit für den ersten Abschnitt seines Studiums aus Gründen, die dem Vorbringen zufolge zumindest teilweise mit der neunmonatigen Dauer der Korrektur einer schriftlichen Arbeit zusammenhingen, erheblich überschritt, in der Zwischenzeit jedoch schon Prüfungen des zweiten und letzten Studienabschnittes abgelegt hatte und das Studium schließlich mit verhältnismäßig geringer Überschreitung der vorgesehenen Gesamtstudiendauer abschloss.

Die belangte Behörde traf keine zusammenhängenden Feststellungen über den Verlauf des Studiums und die Ursachen der eingetretenen Verzögerung. Ihre fallbezogenen Ausführungen lauteten - im Anschluss an die Darstellung des Verfahrensganges und abstrakte Rechtsausführungen - wie folgt:

"Sachverhaltsmäßig ist unbestritten, dass der Sohn des Bw. den ersten Studienabschnitt am 1.2.2006 mit der ersten Diplomprüfung beendet hat. Der Sohn des Bw. hatte mit 28.2.2005 die vorgesehene Studienzeit für den ersten Studienabschnitt voll ausgeschöpft.

Der unabhängige Finanzsenat teilt die in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamts zum Ausdruck kommende Rechtsansicht, auf die er deshalb ausdrücklich verweist.

Es lag nach Meinung des unabhängigen Finanzsenates kein universitätsseitiges Hindernis für die Ablegung einer Diplomprüfung oder eines Rigorosums, sondern eine im privaten Bereich verursachte Verzögerung vor.

Dies wird auch durch die in der Berufungsvorentscheidung zitierte Bestätigung der Universität Wien untermauert, dass die Semesterarbeit zum Proseminar Bevölkerungsgeographie vom Sohn des Bw. im April 2005 abgegeben worden sei, aber nicht positiv bewertet werden konnte. Der nächste Termin, zu dem der Sohn des Bw. die genannte Lehrveranstaltung positiv abschließen könne, sei Ende Jänner 2006. Dies zeigt, dass die Abgabe im April 2005 bereits nach der vorgesehenen Studiendauer für den

1. Studienabschnitt mit 28.2.2005 erfolgte. Somit kommt es entgegen den Ausführungen in der Berufung nicht darauf an, wann der Professor die Arbeit korrigiert hat, da die Abgabe bereits nach der vorgesehenen Studienzeit erfolgte.

Der Bw. behauptet im Übrigen selbst nicht, dass die Absolvierung des ersten Studienabschnittes nicht in der Mindestzeit plus einem Toleranzsemester möglich gewesen wäre.

Damit liegt die erforderliche Anspruchsvoraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe von März 2005 bis Jänner 2006 nicht vor.

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden."

Die Berufungsvorentscheidung vom 19. November 2007 hatte im Anschluss an abstrakte Rechtsausführungen folgende fallbezogene Begründung enthalten:

"In Ihrer Berufung bringen Sie vor, dass Ihr Sohn F. aus

inneruniversitären Gründen den 1. Studienabschnitt erst am

1.2.2006 habe beenden können. Dem Finanzamt liegt eine Bestätigung

der Universität Wien ... folgenden Inhaltes vor (Zitat): 'Es wird

bestätigt, dass Herr F. ... im April 2005 die Semesterarbeit zum

Proseminar Bevölkerungsgeographie fristgerecht abgegeben hat,

leider konnte die Leistung aber nicht positiv bewertet werden. Der

nächste Termin, zu dem Herr ... die oben genannte

Lehrveranstaltung positiv abschließen kann, ist Ende Jänner 2006' (Zitat Ende).

Ihr Sohn F. hatte mit 28.2.2005 die vorgesehene Studienzeit für den ersten Studienabschnitt voll ausgeschöpft und beendete den ersten Studienabschnitt, wie oben ausgeführt, am 1.2.2006 mit der ersten Diplomprüfung.

Daher war wie im Spruch zu entscheiden."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof und Abtretung zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. September 2008, B 1325/08, erwogen:

Die belangte Behörde hat keinen Sachverhalt festgestellt, der sich im Sinne der von ihr getroffenen Entscheidung unter die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften im Besonderen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG subsumieren ließe. Sachverhaltsfeststellungen fehlen fast völlig, und wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ohne nähere Feststellungen zur Studiendauer in mehrfacher Wiederholung nur entgegen hält, sein Sohn habe die "vorgesehene Studienzeit" für den ersten Studienabschnitt (erst) mit 28. Februar 2005 überschritten, so lässt sich daraus mit Rücksicht auf den Inhalt der maßgeblichen Bestimmung, der zufolge die Überschreitung der "vorgesehenen Studienzeit" pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester den Anspruch auf Familienbeihilfe noch unberührt lässt, das von der belangten Behörde erzielte Ergebnis des Wegfalls des Anspruches mit März 2005 nicht ableiten.

Die belangte Behörde hat sich außerdem - unter Weglassung des Wortes "fristgerecht" in ihrer Bezugnahme auf das Zitat in der Berufungsvorentscheidung - begründungslos darüber hinweggesetzt, dass die Abgabe der Arbeit des Sohnes des Beschwerdeführers im April 2005 nach der vorliegenden Bestätigung "fristgerecht" gewesen sei (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2009, Zl. 2006/13/0195), was eine Prüfung des weiteren Verlaufes - wenn es zutraf - jedenfalls erforderte.

Dass schließlich das von der belangten Behörde offenbar selbst angenommene Verstreichen von mehr als elf Monaten zwischen der Abgabe einer schriftlichen Arbeit und der nächsten Gelegenheit, zu der bei negativer Beurteilung erforderlichen Prüfung anzutreten, eine "im privaten Bereich verursachte Verzögerung" gewesen wäre, kommt im angefochtenen Bescheid, falls er so gemeint sein sollte, nicht schlüssig zum Ausdruck. Die rechtliche Relevanz dieser vom Sohn des Beschwerdeführers allenfalls nicht zu vertretenden Verzögerung ließe sich aber nur auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über den Studienverlauf insgesamt beurteilen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. November 2009

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