VwGH 2008/13/0127

VwGH2008/13/012718.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Waldviertel in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 58, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 26. Mai 2008, Zl. RV/0780-W/08, betreffend Familienbeihilfe ab 1. Oktober 2007 (mitbeteiligte Partei: F in G), zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Am 27. Oktober 2007 teilte der Mitbeteiligte dem Finanzamt - in Beantwortung einer Aufforderung, einen Studienerfolgsnachweis für seinen im März 1987 geborenen Sohn vorzulegen - mit, sein Sohn habe das Studium an der Universität für Bodenkultur abgebrochen, um eine Ausbildung zum Golflehrer zu durchlaufen. Gemäß den Ausbildungsbestimmungen der PGA (Professional Golfers' Association) of Austria sei dazu ein Ausbildungsvertrag mit einem aktiven Golflehrer abzuschließen. Der Sohn des Mitbeteiligten werde "ab dem Frühjahr 2008 voraussichtlich beim Golfclub Lengenfeld zusätzlich eine Anstellung bekommen". Im "Rahmen des Ausbildungsverhältnisses bei Hrn. S." habe er trotz eines Lehrverhältnisses keine regelmäßigen Einkünfte. Der Mitbeteiligte ersuche daher "rückwirkend um Zuerkennung" der Familienbeihilfe.

Zu diesem Vorbringen übermittelte der Mitbeteiligte in Kopie zwei von S., "tätig im Golfclub Lengenfeld", unterfertigte Formblätter der PGA of Austria.

Im Formblatt "Bestätigung für die Ausbildertätigkeit" bestätigte S. unter Beifügung des Datums 3. September 2007, der "Lehrherr" des Sohnes des Mitbeteiligten zu sein. Er werde sich an alle Regeln und Richtlinien halten und u.a. berücksichtigen, dass der Sohn des Mitbeteiligten "die ganze Saison über" grundsätzlich mindestens vierzig Stunden pro Woche auf der gleichen Golfanlage wie S. zu arbeiten habe und der PGA eine "Kopie des rechtskräftigen Vertrages" zu übermitteln sei.

Im Formblatt "Mustervertrag Lehrherr-Trainee (bzw. Qualified) Assistant", das unter Beifügung des Datums 11. Oktober 2007 nur die Unterschrift von S. trägt, wurde der Sohn des Mitbeteiligten "für die Dauer von drei Jahren" mit bestimmten Tätigkeiten "beauftragt", von denen an erster Stelle die Erteilung von Golfunterricht gegen näher geregelte Entlohnung genannt war. Während der Golfsaison, die "normalerweise von März bis Oktober" dauere, stünden ihm sechs freie Tage pro Monat zur Verfügung, was ihm die Teilnahme an Seminaren und Turnieren ermögliche und einen freien Tag pro Woche inkludiere. Während der Vertragsdauer werde er ausgebildet, danach müsse er zur "Assistentenprüfung" antreten.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 wies das Finanzamt den Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Oktober 2007 ab, weil bei der Ausbildung zum Diplomgolflehrer das Erlernen von Fertigkeiten im Vordergrund stehe, die theoretische Ausbildung nur von untergeordneter Bedeutung sei und daher keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) vorliege.

In der Berufung vom 9. Jänner 2008 gegen diesen Bescheid legte der Mitbeteiligte dar, weshalb es sich seines Erachtens um eine Berufsausbildung handle. Er bezog sich u.a. auf die "wöchentliche Arbeitszeit von mindestens 40 Stunden" und erwähnte u. a., dass Aufnahmeanträge bis spätestens 10. September des jeweiligen Jahres einzutreffen hätten und ein "Playing Ability Test" abzulegen sei, für den Anfang und Ende Oktober zwei Termine vorgesehen seien. Die Ernsthaftigkeit und das Bemühen seines Sohnes seien daran zu erkennen, dass er "bereits gegen Ende der letzten Golfsaison nach Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages bei seinem Lehrherrn tätig" gewesen sei.

Den beigelegten Ausbildungsrichtlinien der PGA of Austria war u. a. zu entnehmen, dass der "Lehrbeginn ... spätestens am 1. April des jeweiligen Jahres" sei, "wobei die Lehrzeit mindestens 6 Monate pro Jahr beträgt".

In einer Stellungnahme vom 27. März 2008 zum Vorlagebericht des Finanzamtes führte der Mitbeteiligte u.a. aus, es sei richtig, dass sein Sohn "überwiegend zur Erteilung von Golfunterricht verpflichtet" sei. Dies sei auch der Sinn der Ausbildung, so wie ein Tischlerlehrling überwiegend Tischlerarbeiten unter Anleitung und Aufsicht eines Gesellen oder Meisters verrichten werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Sie folgte der Ansicht des Mitbeteiligten, dass es sich um eine Berufsausbildung handle. Die theoretische Ausbildung sei zwar von nur untergeordneter Bedeutung, doch stünden auch bei vielen anderen Berufen die praktischen Kenntnisse im Vordergrund.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der volljährige Sohn des Mitbeteiligten im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG "für einen Beruf ausgebildet" wurde. Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2009/15/0089).

Die belangte Behörde hat die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen über die Ausbildung seines Sohnes zum Golflehrer an diesem Maßstab zu messen versucht und ist dabei zu der Auffassung gelangt, es handle sich um Berufsausbildung und nicht, wie die Amtsbeschwerde meint, um eine "Berufseinstiegsphase".

Die belangte Behörde hat aber jedenfalls der Frage nach dem Beginn dieser Ausbildung keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt. Die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen und sein eigenes Vorbringen lassen keinen Zweifel daran, dass die im Zentrum der Ausbildung stehende Erteilung von Golfunterricht unter der Aufsicht von S. im Rahmen der mindestens vierzig Wochenstunden umfassenden Tätigkeit erst mit Saisonbeginn im Frühjahr 2008 einsetzen sollte. Der Mitbeteiligte hatte zwar vorgebracht, sein Sohn sei "bereits gegen Ende der letzten Golfsaison nach Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages bei seinem Lehrherrn tätig" gewesen. Dass die von der belangten Behörde an Hand der nach "Lehrjahren" gegliederten Unterlagen geprüfte und als schulisch oder kursmäßig im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eingestufte Ausbildung des Sohnes des Mitbeteiligten schon im Oktober 2007 begonnen hätte, geht aus dem angefochtenen Bescheid aber nicht hervor. Welchen Ausbildungsmaßnahmen sich der Sohn des Mitbeteiligten vor Beginn der Golfsaison im Frühjahr 2008 und somit während eines Großteils der Zeit bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unterzog, steht in keiner Weise fest.

Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 18. November 2009

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