Normen
DMSG 1923 §1 Abs5;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §5 Abs1;
DMSG 1923 §5 Abs7;
DMSG 1923 §1 Abs5;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §5 Abs1;
DMSG 1923 §5 Abs7;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 24. Mai 2002 wurde festgestellt, dass die Erhaltung des Wohn- und Geschäftshauses in Wien 1, Kohlmarkt 1/Graben 18, wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung gemäß §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923 idF. BGBl. I Nr. 170/1999 (in der Folge: DMSG), im öffentlichen Interesse gelegen sei.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft (diesbezüglich wird auf das im Gefolge der Unterschutzstellung ergangene hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2003/09/0029, verwiesen).
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 2008 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. April 2006, "die Unterschutzstellung hinsichtlich des Inneren der Mietgegenstände des Gebäudes 1010 Wien, Kohlmarkt 1/Graben 18 aufzuheben und sohin nur die Fassade, das Stiegenhaus und das Vestibül dieses Gebäudes gemäß § 1 Abs. 8 und 3 des Denkmalschutzgesetzes unter Schutz zu stellen", abgewiesen und gemäß § 5 Abs. 7 DMSG festgestellt, dass an der Erhaltung des gegenständlichen Gebäudes ein öffentliches Interesse weiterhin besteht.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 22. September 2008, B 1447/08-3, ihre Behandlung ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier relevanten Stellen des DMSG lauten:
"§ 5 ...
(7) Denkmale (einschließlich Ensembles und Sammlungen), die unter Denkmalschutz stehen und die etwa durch Zeitablauf, Unglücksfälle oder widerrechtlich ohne Bewilligung (§ 5 Abs. 1) zerstört oder verändert wurden oder aus sonstigen Gründen, wie etwa eine wissenschaftliche Neubewertung, jede Bedeutung als schützenswertes Denkmal, derentwegen sie unter Denkmalschutz gestellt wurden oder unter Denkmalschutz gestellt werden könnten, verloren haben, stehen weiterhin (auch hinsichtlich bloßer Reste) so lange unter Denkmalschutz, bis das Bundesdenkmalamt von Amts wegen oder über Antrag (§ 26f) bescheidmäßig festgestellt hat, dass an der Erhaltung kein öffentliches Interesse mehr (oder einschränkend nur mehr an Teilen) besteht (Denkmalschutzaufhebungsverfahren). Vom Antragsteller ist das Zutreffen der für die Denkmalschutzaufhebung geltend gemachten Gründe nachzuweisen, soweit diese nicht offenkundig sind. Ein Rechtsanspruch auf Aufrechterhaltung der Unterschutzstellung besteht - ebenso wie ein Rechtsanspruch auf Unterschutzstellung - in keinem Fall. Sind von einem Denkmal nicht einmal mehr Reste vorhanden, so ist diese Tatsache des Erlöschens durch restlose Zerstörung vom Bundesdenkmalamt innerhalb von sechs Monaten nachdem es von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat, gleichermaßen bescheidmäßig festzustellen."
Die Ausführungen in der Beschwerde basieren im Wesentlichen auf der Rechtsansicht, die Beschwerdeführerin habe ein Denkmalschutzaufhebungsverfahren gemäß § 5 Abs. 7 iVm § 26 Z. 5 DMSG beantragt. Ein Verbot aus dem Rechtsgrund des ne bis in idem würde nur in einem neuerlichen Denkmalschutzverfahren gelten, aber nicht in einem Verfahren betreffend "einen bisher noch nicht gestellten Antrag auf Ausnehmung vom umfassenden Denkmalschutz".
Die Beschwerdeführerin übersieht zunächst, dass ein "neuerliches Denkmalschutzverfahren" im Sinne des Verständnisses der Beschwerdeführerin betreffend ein Objekt, das bereits rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellt ist, nicht denkmöglich ist.
Im Hinblick auf die verschiedenen Tatbestände, die in § 5 Abs. 7 DMSG geregelt werden, ist zu differenzieren, ob der erste Fall ("durch Zeitablauf, Unglücksfälle oder widerrechtlich ohne Bewilligung (§ 5 Abs. 1) zerstört oder verändert") oder der zweite Fall ("aus sonstigen Gründen, wie etwa eine wissenschaftliche Neubewertung") vorliegt.
In beiden Fällen ist hinsichtlich des Zustandes des Objektes zum Zeitpunkt der Erlassung des Unterschutzstellungsbescheides und der Frage, ob in diesem Zeitpunkt Schutzwürdigkeit im Sinne des § 1 DMSG (die nach dessen Abs. 5 unter "Bedachtnahme auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse" zu beurteilen ist) vorlag, die Wirkung ne bis in idem gegeben. Es ist dabei unbeachtlich, aus welchen Gründen der Unterschutzstellungsbescheid in Rechtskraft erwuchs.
Dies bedeutet für den ersten Fall (Veränderung oder Zerstörung), dass nur solche Änderungen zu beachten sind, die nach der Unterschutzstellung stattgefunden haben (vgl. zu einem solchen Fall das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 2001/09/0059). Diesbezüglich legt die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde konkret dar, welche (wesentlichen) Veränderungen seit der Unterschutzstellung eingetreten wären. Insoweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde auf die Genehmigung der Umgestaltung des Dachgeschosses mit Bescheid vom 18. April 2005 des Bundesdenkmalamtes hinweist, legt sie damit nicht dar, dass diese Veränderung auch tatsächlich durchgeführt worden wäre (vgl. dazu auch § 5 Abs. 6 DMSG), sodass auch diesbezüglich nicht von einer konkret durchgeführten Veränderung ausgegangen werden kann.
Insofern die Beschwerdeführerin auf die als Beispiel für den zweiten Fall ("sonstige Gründe") genannte "wissenschaftliche Neubewertung" zielt, ist ihr zu entgegnen, dass eine "wissenschaftliche Neubewertung" dann anzunehmen ist, wenn sich der Stand der Wissenschaft in Bezug auf die Bewertung des geschützten Objektes geändert hat. Es ist zwar das gesamte Objekt einer neuen Prüfung zugänglich (diesbezüglich entspricht die abweichende Ansicht der belangten Behörde nicht dem Gesetz), es ist allerdings gegenüber der Bewertung zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung in qualifizierter Weise darzulegen, weshalb im jetzigen Zeitpunkt infolge einer Änderung des Standes der Wissenschaft keine Schutzwürdigkeit mehr vorliegt (arg.: "jede Bedeutung als schützenswertes Denkmal, derentwegen sie unter Denkmalschutz gestellt wurden ..., verloren haben"). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich die Behörde im Falle eines Antrages auf Aufhebung des Denkmalschutzes gemäß der ausdrücklichen Anordnung des § 5 Abs. 7 DMSG nur mit Gründen auseinandersetzen muss, die von den Parteien vorgebracht und nachgewiesen werden konnten.
Dabei genügen nicht bloße, wenn auch in Form eines Gutachtens erstattete Äußerungen. Eine "wissenschaftliche Neubewertung" im Sinne des § 5 Abs. 7 DMSG wird nur anzunehmen sein, wenn von den Parteien Erkenntnisse vorgelegt werden bzw. solche offenkundig sind, in denen die Änderung des Standes der Wissenschaft bezogen auf das unter Schutz gestellte Objekt "lege artis" (das heißt, in wissenschaftlicher Arbeitsweise unter Befassung mit der Fachliteratur) nachgewiesen wird.
Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag und ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren der Behörde erster Instanz auf ein "Privatgutachten" des Dr. G vom 5. April 2006 und dessen Ergänzung vom 20. April 2007. Dieses Gutachten wird aber den obigen Anforderungen nicht gerecht, weil es sich zwar (vor allem in der Ergänzung) mit dem Ergebnis des von der Behörde erster Instanz durchgeführten Ortsaugenscheins vom 21. August 2006 befasst, sich aber nicht mit dem in der Fachliteratur vertretenen Stand der Wissenschaft, etwa zu der in den Vordergrund gerückten Frage äußert, ob die im gegenständlichen Haus zum bedeutenden Teil in den Mieteinheiten im Original erhaltenen Stuckelemente den schutzwürdigen Charakter des Hauses (mit)repräsentieren oder nicht (wie Dr. G meint). Ebenso fehlt eine derartige Qualität betreffend die Befassung mit der in den Unterschutzstellungsbescheid vom 24. Mai 2002 bereits eingeflossenen (und im Sinne der obigen Ausführungen auf Grund der Rechtskraft für diesen Zeitpunkt nicht in Frage zu stellenden) Bewertung, dass selbst unter Berücksichtigung der im Bescheid näher angeführten Änderungen gegenüber dem Originalzustand u.a. auch die "einen integrierenden Bestandteil des Denkmals bildenden Wohneinheiten" eine schutzwürdige Bedeutung hätten, weshalb die "Voraussetzungen für eine Teilunterschutzstellung" nicht vorlägen.
Da das genannte Gutachten die aufgezeigte notwendige Qualität nicht aufweist, ist die Ansicht der Beschwerdeführerin verfehlt, dass auf Grund dieses Gutachtens bereits eine "wissenschaftliche Neubewertung" vorliegen würde.
Gleiches gilt für die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten "gutachtlichen Stellungnahmen" des Architekten DI Dr. H vom "Februar 2008" (der sogar entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin "das gesamte Haus" als so bedeutend bewertet, "dass für die Erhaltung dieser Gesamtheit öffentliches Interesse besteht und gesetzlichen Schutz verdient", allerdings in einem angeschlossenen "Plansatz" wiederum nur Teile der Wohnungen als bewahrungswürdig erachtet und von Raum zu Raum sowie von Mauer zu Mauer differenziert) und des Architekten DI S vom 27. März 2008 (das in weiten Teilen aus rein sprachlicher Auseinandersetzung mit im Akt einliegenden Schriftstücken besteht, aber keine Aussagen enthält, die auf eine konkrete Änderung des Standes der Fachwissenschaft zur Schutzwürdigkeit des gegenständlichen Objektes deuten), wobei beide "gutachtliche Stellungnahmen" von ihrer Qualität bei weitem nicht an das "Gutachten" des Dr. G heranreichen.
Das nach Durchführung eines Augenscheines am 6. November 2007 von der Amtssachverständigen Dr. P erstellte und der Beschwerdeführerin vorgehaltenen ergänzende Gutachten betreffend Erhaltungszustand und Bedeutung des gegenständlichen Hauses geht ohnehin in Richtung jener Ermittlungsergebnisse, die zum Unterschutzstellungsbescheid vom 24. Mai 2002 führten und ist schon deshalb nicht geeignet, eine "wissenschaftliche Neubewertung" herbeizuführen.
Es ist daher im Ergebnis die Ansicht der belangten Behörde, es sei keine wissenschaftliche Neubewertung durchzuführen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Das Argument der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte sich mit privaten Interessen (Sicherstellung der wirtschaftlichen Erhaltungsfähigkeit) befassen müssen, das die Beschwerdeführerin mit Zitaten zur Erledigung eines Antrages auf Zerstörung oder Veränderung belegt, geht schon deshalb ins Leere, weil es hier um einen Antrag auf Teilaufhebung der Unterschutzstellung, nicht aber um Zerstörung oder Veränderung geht. Sollte die Beschwerdeführerin damit aber meinen, es sei die Unterschutzstellung im Hinblick auf die privaten Gründe neu zu prüfen, wird auf die obigen Ausführungen zur Rechtskraftwirkung des Unterschutzstellungsbescheides verwiesen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 24. März 2009
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