VwGH 2008/02/0353

VwGH2008/02/035326.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des H S in I, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. September 2008, Zlen. uvs-2003/23/240-27 u. 2003/23/245-17, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §51f Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VStG §51f Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Spruchpunkt I, Übertretung der StVO, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bezüglich der Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird auf die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2006, Zl. 2004/02/0344, sowie vom 25. Juni 2008, Zl. 2006/02/0302, verwiesen.

Der Beschwerdeführer wurde mit den diesen Vorerkenntnissen zugrunde liegenden und im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 2. März 2004 bzw. vom 20. September 2006 für schuldig befunden, er habe am 21. September 2003 in der Zeit von 01.55 bis 02.05 Uhr an einem näher umschriebenen Ort trotz Aufforderung durch ein ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan den "Alkotest" verweigert, obwohl vermutet habe werden können, dass er beim Lenken eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKWs an diesem Tag um 01.30 Uhr (an einem gleichfalls näher umschriebenen Ort) durch Alkohol beeinträchtigt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO begangen; es wurde ein Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Diese Bescheide wurden mit den vorzitierten hg. Erkenntnissen vom 31. März 2006 und vom 25. Juni 2008 jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid der belangten Behörde vom 9. September 2008 wurde unter Spruchpunkt I der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 6. November 2003 insofern Folge gegeben, als aufgrund der langen Dauer des Verfahrens die verhängte Geldstrafe auf EUR 700.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) herabgesetzt und im Übrigen die Berufung gegen das Straferkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde.

Spruchpunkt II des nunmehr angefochtenen Bescheides betrifft die in die Zuständigkeit eines anderen Senates des Verwaltungsgerichtshofes fallende Berufungserledigung betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung. Die diesbezügliche Beschwerde ist zu hg. Zl. 2009/11/0053 anhängig.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, es hätten an der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde weder der Beschwerdeführer noch dessen Rechtsvertreter teilgenommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt u.a., die belangte Behörde habe wiederum keine Verhandlung anberaumt, wiederum sei dem Beschwerdevertreter das Recht auf Vorlage weiterer Beweismittel und die Abhaltung eines Schlussplädoyers vorenthalten worden und es sei der angefochtene Bescheid wiederum nicht mündlich verkündet worden. Weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter seien zur Verhandlung am 8. September 2008 geladen worden, sodass auch dieses Mal wiederum der angefochtene Bescheid für den Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter überraschend zugestellt worden sei.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe in der Urlaubszeit eine von vielen Verständigungen über die Hinterlegung eines Schriftstückes, nämlich die Verständigung vom 22. August 2008, erhalten. Auf dieser Verständigung sei kein Datum angebracht gewesen, für wie lange das Schriftstück bei der Postfiliale I. zur Abholung bereit liege.

Der Beschwerdevertreter habe nach Rückkehr in die Kanzlei am 1. September 2008, somit nach 10 Tagen und innerhalb der gesetzlichen Abholfrist von mindestens 2 Wochen, die Briefsendung(en) bei der zuständigen Postfiliale abholen wollen. Dort habe er jedoch in Erfahrung bringen müssen, dass "die 2 angeführten RSa-Briefe (Zlen. ... und ...) weder in der Postfiliale noch in den umliegenden Postfilialen auffindbar sind". Dieser Misstand sei dem Beschwerdevertreter durch die zuständige Postfiliale bestätigt worden (Gleichzeitig mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof das Original der Hinterlegungsanzeige sowie eine Kopie der Bestätigung der näher genannten Postfiliale vor, in welcher ausgeführt wird, dass die zwei auf der Verständigung angeführten RSa-Briefe weder bei dieser Postfiliale noch bei den umliegenden Postfilialen auffindbar seien).

Nachdem auch nicht zugeordnet werden habe können, zu welchem Akt die Briefsendungen gehörten und welchen Inhalt diese aufwiesen, sei der Beschwerdevertreter davon ausgegangen, dass die versendende Behörde aufgrund des Postfehlberichtes einen neuerlichen Zustellversuch vornehmen werde.

Vermutlich habe es sich beim (bei den) in der Verständigung über die Hinterlegung durch Angabe der Aktenzahlen näher angeführten Schriftstück(en) um die Ladung vor der belangten Behörde am 8. September 2008 gehandelt. Mangels Einhaltung der gesetzlich geregelten Zustellung und mangels Kenntnis über den Verhandlungstermin (sowie wegen des unterlassenen zweiten Zustellversuches) sei der Zustellvorgang nichtig.

In der Gegenschrift führt die belangte Behörde u.a. aus, sie habe wegen des Nichterscheinens des Beschwerdeführers und des Beschwerdevertreters zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2009 beim zuständigen Postamt rückgefragt, ob der Ladungsbescheid behoben worden sei. Im Rahmen einer telefonischen Auskunft sei mitgeteilt worden, dass die Ladungen nicht mehr am Postamt aufliegen würden und daher zugestellt seien. Aus diesem Grunde sei dann die Fortsetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung mit der Verkündung des Berufungsbescheides erfolgt. Unmittelbar nach Abschluss der öffentlichen mündlichen Verhandlung habe ein näher genannter Mitarbeiter des Postamtes angerufen und mitgeteilt, dass die gegenständliche Ladung nicht behoben worden sei und im Postamt zur Abholung bereit liege. Auf weitere Nachfrage sei ferner mitgeteilt worden, dass andere Schriftstücke im Hinterlegungszeitraum vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers behoben worden seien. Aus diesem Grunde sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer ordnungsgemäß zur öffentlichen mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Insofern sei es verwunderlich, wenn nunmehr eine Bestätigung vorgelegt werde, derzufolge die beiden Ladungen am 1. September 2009 nicht mehr auffindbar gewesen seien.

Der Inhalt dieser telefonischen Mitteilungen des Postamtes wurde auch in einem den Verwaltungsakten zuliegenden Aktenvermerk der belangten Behörde vom 8. September 2009 festgehalten.

Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dann hindert dies nach § 51f Abs. 2 VStG weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Da § 51f Abs. 2 VStG ausdrücklich auf die ordnungsgemäße Ladung abstellt, ist die Verhandlung in Abwesenheit der betreffenden Partei nur zulässig, wenn die Ladung fehlerfrei erfolgt ist; das heißt, jeglicher Mangel der Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Partei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2004/02/0032, m.w.N.).

Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem zulässigerweise erstmals in der Beschwerde erstatteten Vorbringen einen Zustellmangel hinsichtlich der Ladung auf, der bei Zutreffen seiner Behauptung die Unzulässigkeit der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers und seines Vertreters im Sinne des § 51f Abs. 2 VStG bewirken könnte.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Da die Mehrwertsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist, war das diesbezügliche den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigende Mehrbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2009

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