VwGH 2007/21/0344

VwGH2007/21/034418.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier und Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Andreas Hofer-Straße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Juli 2007, Zl. Fr 263/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1986 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im März 2003 im Besitz einer - in der Folge bis 3. Februar 2005 verlängerten - gültigen (Erst)Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privatquotenpflichtig, § 18 Abs. 4 FrG 1997" in das Bundesgebiet ein. Am 7. Februar 2005 heiratete der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin Sabrina P., geboren am 2. Dezember 1984. Einige Tage später stellte er unter Berufung auf diese Ehe einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG 1997".

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. Juli 2007 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer ein (insbesondere) auf § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Ausgehend von näher begründeten beweiswürdigenden Überlegungen kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe lediglich für den Zweck geschlossen, sich einen Aufenthaltstitel zu verschaffen, der die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ermögliche. Ein gemeinsames Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK sei nicht - auch nicht an den Wochenenden am Wohnort des Beschwerdeführers in Böheimkirchen - geführt worden. Das sei auch von vornherein nicht geplant gewesen. Sabrina P. habe vielmehr seit Jänner 2002 ununterbrochen - somit auch nach der Eheschließung mit dem Beschwerdeführer - mit dem Vater ihres Kindes, Alexander L., eine Lebensgemeinschaft in Wien geführt. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei ein evidenter Rechtsmissbrauch und bedeute eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, sodass - so lässt sich die Begründung der belangten Behörde verstehen - die Annahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Da sich der Beschwerdeführer seit März 2003 durchgehend in Österreich aufhalte und mit seinem Bruder, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitze, dessen Familie und seiner Mutter zusammenwohne, werde durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Diese persönlichen Beziehungen seien jedoch durch die Volljährigkeit relativiert. Das gelte auch für die Aufenthaltsdauer und die Berufstätigkeit, die im Hinblick auf die Täuschungs- und Umgehungshandlungen im Zusammenhang mit der Aufenthaltsehe nicht besonders zu gewichten seien. Deshalb erweise sich das Aufenthaltsverbot im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG als dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG für zulässig. Die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich hätten eindeutig hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zurückzutreten. Die belangte Behörde könne auch keine "günstigen Parameter" erblicken, um das Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. zum Ganzen etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, Zl. 2007/21/0256, mit weiteren Hinweisen).

Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Bekämpfung der behördlichen Beweiswürdigung unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde stützte sich auf Ungereimtheiten in den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 7. März 2005 und auf Widersprüche zur Aussage von Sabrina P. bei ihrer Befragung am 9. Mai 2005. Insbesondere zeigte die belangte Behörde auf, dass der Beschwerdeführer den Familiennamen seiner Ehefrau falsch geschrieben und in Bezug auf deren sechs Monate alten Sohn Alexander - trotz wiederholten Nachfragens - behauptet habe, bei dem Kind handle es sich um eine Tochter namens Alexandra. Die schulische Laufbahn und der erlernte Beruf von Sabrina P. seien ihm unbekannt gewesen. In Bezug auf den Zeitpunkt des Kennenlernens hätten die Angaben des Beschwerdeführers ("Sommer 2004") zu jenen seiner Ehefrau ("März 2004") divergiert. Während der Beschwerdeführer behauptet habe, seine Ehefrau in ihrer Wohnung in Wien, die sie gemeinsam mit dem Vater ihres Kindes, Alexander L., bewohne, zweimal besucht zu haben, habe Sabrina P. angegeben, der Beschwerdeführer sei noch nie in Wien gewesen. Sie habe den Beschwerdeführer in Böheimkirchen bisher viermal am Wochenende besucht, seit ca. fünf Wochen aber keinen Kontakt mehr gehabt. Einem polizeilichen Bericht über Erhebungen am Wohnort des Beschwerdeführers vom 14. März 2005 sei unter anderem zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ältere und abgetragene Damenbekleidung vorgewiesen habe, die eine 21-jährige Frau mit Sicherheit nicht tragen würde.

Den vor allem auf die erwähnten Umstände und das unbestrittene Zusammenleben von Sabrina P. mit dem Vater ihres Kindes gegründeten Überlegungen der belangten Behörde tritt die Beschwerde nicht entgegen. Der Beschwerdeführer rügt lediglich, er habe im Verwaltungsverfahren auf die Aussagen der Silvia L. und seines Bruders im (derzeit ruhenden) Scheidungsverfahren verwiesen, welche die belangte Behörde hätte auch berücksichtigen müssen.

Entgegen diesen Ausführungen hat sich die belangte Behörde aber ohnehin mit diesen Angaben des Bruders des Beschwerdeführers genügend auseinandergesetzt. Dieser habe nach dem Inhalt des Protokolls vom 31. Mai 2006 gedacht, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau intime Beziehungen gehabt habe, weil sie am Wochenende im Zimmer des Bruders übernachtet habe. Sabrina P. habe von der Familie des Beschwerdeführers für den Ankauf von Möbeln EUR 4.000,-- erhalten. Der Beschwerdeführer habe ein gutes Verhältnis zum Kind seiner Ehefrau gehabt, weil es bei den Besuchen - der Beschwerdeführer habe bis Mitte Jänner 2006 an den Wochenenden ständig Kontakt mit seiner Frau gehabt - zumeist mitgekommen sei. Dazu konstatierte die belangte Behörde zutreffend, dass diese Angaben mit den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht vereinbar seien. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde diesen Angaben keinen maßgeblichen Beweiswert zugemessen hat, zumal die Behauptungen hinsichtlich der Treffen am Wochenende weit über die diesbezüglichen Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers hinausgingen. Im Übrigen wäre es bei dem behaupteten guten Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Stiefkind noch weniger nachvollziehbar, dass er Geschlecht und Namen des Kindes falsch angegeben hatte. Schließlich spricht die Leistung einer Zahlung durch die Familie des Beschwerdeführers zum Ankauf von Möbeln für eine nicht vom Beschwerdeführer benützte Wohnung eher für eine Aufenthaltsehe als dagegen.

Der vom Beschwerdeführer auch ins Treffen geführten Aussage der Silvia L. - dabei handelt es sich um die Mutter des Kindesvaters, die der Meinung gewesen sei, der Beschwerdeführer und Sabrina L. hätten "etwas miteinander gehabt" - fehlt aber schon mangels eigener Wahrnehmungen zum Bestehen eines Familienlebens die Relevanz.

Die Beschwerde rügt weiters noch, in Bezug auf den von der belangten Behörde auch verwerteten Sozialversicherungsdatenauszug und der darauf gegründeten Annahme, der Beschwerdeführer sei im Frühjahr 2005 keiner Beschäftigung nachgegangen, sodass die getrennte Wohnungnahme jedenfalls nicht mit berufsbedingten Umständen erklärt werden könne, sei das rechtliche Gehör verletzt worden. Dem ist zunächst zu entgegnen, dass es sich dabei nur um ein untergeordnetes Argument der belangten Behörde handelt, sodass insoweit jedenfalls keine entscheidungswesentliche Mangelhaftigkeit vorliegt. Im Übrigen ist dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das anwaltliche Schreiben vom 28. Dezember 2006 entgegen zu halten, mit dem er der Erstbehörde selbst mitteilte, dass er "seit 7.11.06" beschäftigt sei. Damit steht im Einklang, dass er auch bei seiner Vernehmung Anfang März 2005 die getrennte Wohnsitznahme (noch) nicht mit berufsbedingter Notwendigkeit begründet hat.

Schließlich meint der Beschwerdeführer, die Einleitung des Scheidungsverfahrens durch seine Ehefrau wäre im Fall einer Aufenthaltsehe "absurd", wenn sie "ohne Kostenrisiko und Aufwand" einfach dadurch, dass sie gegenüber der Staatsanwaltschaft das Bestehen einer Scheinehe behauptet, deren Nichtigerklärung hätte erreichen können. Abgesehen davon, dass nicht feststeht, Sabrina P. wäre zu einer derartigen (wohl verabredungswidrigen) Offenlegung bereit gewesen, bedeutet das noch immer nicht, dass von der Staatsanwaltschaft ein Ehenichtigkeitsverfahren eingeleitet worden wäre. Aus dem Umstand, dass Sabrina P. gegen den Beschwerdeführer eine Scheidungsklage erhoben hat, ist daher für die Frage des Vorliegens einer Aufenthaltsehe nichts zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund gelingt es der Beschwerde somit nicht, die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe zu erschüttern oder insoweit einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Auf Basis der getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe durfte die belangte Behörde aber davon ausgehen, dass eine Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist (vgl. etwa das bereits genannte Erkenntnis vom 22. Jänner 2009, Zl. 2007/21/0256).

In der Beschwerde wird unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG und zu dem dabei von der belangten Behörde erzielten Ergebnis nichts ins Treffen geführt. Lediglich in Bezug auf die Ermessensübung verweist die Beschwerde auf den Inlandsaufenthalt seit 2003, auf das Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seinem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Bruder und seiner Mutter, auf sein Alter von erst 21 Jahren und die Berufstätigkeit.

Diese - von der belangten Behörde in ihre Beurteilung ohnehin einbezogenen - Umstände stellen aber jedenfalls keine Besonderheiten von ausreichendem Gewicht dar, um ungeachtet des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, dem kein höher zu bewertendes Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich gegenübersteht, trotzdem von einem Aufenthaltsverbot Abstand zu nehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Februar 2009

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