VwGH 2007/18/0633

VwGH2007/18/063324.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des BSV in W, geboren am 2. August 1974, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Juli 2007, Zl. E1/290.396/2007, betreffend Rückkehrverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Juli 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer sei am 8. Februar 2003 nach Österreich eingereist und habe am 10. Februar 2003 einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Der Beschwerdeführer verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Nach seiner Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin SZ. am 26. Jänner 2004 habe er am 21. Mai 2004 einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger eines Österreichers, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht, der mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 21. Juni 2005 rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Mai 2006 sei die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner österreichischen Ehefrau rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In der Urteilsbegründung sei ausgeführt worden, die Eheschließung sei deshalb erfolgt, damit der Beschwerdeführer in Österreich leben und arbeiten könne. Ein Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin sei nie beabsichtigt gewesen. SZ. habe sowohl vor ihrer Eheschließung mit dem Beschwerdeführer als auch während ihrer Ehe bei ihrem Lebensgefährten gewohnt. Dem Beschwerdeführer habe sie erstmals an ihrem Hochzeitstag gesehen. Überdies habe sie für die Eheschließung Geld bekommen.

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG seien erfüllt. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Rückkehrverbotes (im Grund des § 60 Abs. 1 FPG) rechtfertige.

Der Beschwerdeführer halte sich seit ca. viereinhalb Jahren in Österreich auf und verfüge hier über keine familiären Bindungen. Es sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dieser Eingriff sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG). Die Zulässigkeit des Rückkehrverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Sollte der Beschwerdeführer einer Beschäftigung nachgegangen sein, so sei ihm dies lediglich auf Grund der durch die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz möglich gewesen. Eine dadurch erzielte Integration sei wesentlich geschmälert. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers würden gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen nicht schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Da sonst keine besonderen, zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Die zehnjährige Befristung des Rückkehrverbotes sei gerechtfertigt, weil im Hinblick auf das Fehlverhalten des Beschwerdeführers ein Wegfall der Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht vor Ablauf der gesetzten Frist erwartet werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, aus der Aktenlage lasse sich nicht ableiten, dass seine Ehe eine Scheinehe gewesen sei. Die bloße Behauptung, ein Geldbetrag sei übergeben worden, sei nicht geeignet, "die Annahme des Tatbestandes einer Scheinehe zu rechtfertigen".

1.2. Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2006/18/0470, mwN) steht auf Grund eines rechtskräftigen Urteils, mit dem eine Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt wurde, bindend fest, dass die Ehegatten die Ehe ausschließlich zu den in diesem Urteil genannten Zwecken geschlossen haben, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen oder diese begründet wurde, und sie kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt haben (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0327, mwN). Im Übrigen setzt § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG - anders als noch § 36 Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 - nicht mehr voraus, dass für die Eheschließung ein Vermögensvorteil geleistet worden ist. Damit kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie vorliegend den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG als erfüllt betrachtet hat.

1.3. Das Eingehen einer Ehe zu dem Zweck, fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2006/18/0470, mwN). Die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme ist daher gerechtfertigt.

2. Bei der nach § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes durchzuführenden Interessenabwägung hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von etwa viereinhalb Jahren sowie dessen Berufstätigkeit berücksichtigt. Zutreffend hat sie jedoch darauf hingewiesen, dass die berufliche Integration auf dem rechtsmissbräuchlichen Eingehen einer Ehe beruhte. Im Hinblick darauf sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbaren persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet wesentlich relativiert.

Dem steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Ferner zeigt die Beschwerde mit dem gegen die Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes gerichteten Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat sich in seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die von ihm geschlossene Scheinehe berufen und rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel und den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die die Festsetzung einer kürzeren Dauer dieser Maßnahme geboten hätte.

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. September 2009

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