VwGH 2007/18/0412

VwGH2007/18/041215.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des N T in W, geboren am 30. Mai 1979, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juni 2007, Zl. E1/105.839/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem bis 27. August 2004 gültigen Visum C in das Bundesgebiet gelangt und habe nach Ablauf des Sichtvermerkes seinen Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt. Am 13. September 2005 habe er die österreichische Staatsbürgerin D. geheiratet und darauf gestützt am 18. November 2005 den Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht, über welchen Antrag wegen des Verdachtes des Vorliegens einer Scheinehe nicht abgesprochen worden sei.

Nach Darstellung der Ergebnisse von mehreren Erhebungen an der Wohnanschrift des Beschwerdeführers wie auch der seiner Ehegattin, der Aussagen dieser beiden Personen und der dabei zu Tage getretenen Widersprüche sowie des Vorbringens des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 28. September 2006 und nach Hinweis auf maßgebliche Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei, weil er nicht Ehegatte einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde (u.a.) aus, dass die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin bei deren Befragung zur Ehe eklatante Widersprüche aufwiesen und die Erhebungen durch die Erstbehörde den Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe bestätigt hätten. So hätten sich u.a. Widersprüche hinsichtlich der Unterkunftsnahme des Beschwerdeführers nach seiner Einreise und der Dauer der Hochzeitsfeierlichkeiten ergeben. Ebenfalls widersprüchlich seien u.a. die Angaben des Beschwerdeführers zur Beschäftigung seiner Ehegattin, zu einer etwaigen Geburtstagsfeierlichkeit, zum Erhalt eines Geschenkes, zum Modus der Rechnungsbegleichung und zu Tagesabläufen gewesen. Die Versuche des Beschwerdeführers, diese gravierenden Unstimmigkeiten zu relativieren, seien gescheitert. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass seine Ehegattin den Aufenthalt des künftigen Ehegatten - nach erstmaliger Einreise - (über Wochen) bei einem Freund "vergessen" hätte. Wenn er dies damit erkläre, dass es "eben nur einige wenige Wochen waren", so würden diese Angaben ebenso wie seine Angaben zum Geburtstagsgeschenk ("man habe sich im Jahr geirrt"), zum Aufenthalt seiner Ehegattin in dessen Wohnung bzw. in der Wohnung des Schwiegervaters in Wien und zu diversen Geschehensabläufen als Schutzbehauptungen gewertet. Durch Erhebung, Nachschau und Befragung von Wohnungsnachbarn durch Beamte der Erstbehörde sei bewiesen, dass eben keine eheliche Gemeinschaft an der behaupteten Adresse vorgelegen sei, wenn auch die Wohnungen des Beschwerdeführers und des Schwiegervaters in einer Etage gelegen sein mochten. Abgesehen davon sei D. seit 12. Februar 2007 im Bundesgebiet nicht mehr gemeldet und ihr Aufenthalt unbekannt, welche Tatsache in einem erheblichen Spannungsverhältnis zu dem vom Beschwerdeführer behaupteten harmonischen gemeinsamen Familienleben mit ihr stehe. Beginnend mit dem Jahr 2004 und in den folgenden Jahren bis 2007 habe es immer wieder Erhebungsersuchen und Ersuchen um Vorführungen und Zustellungen gegeben, weil D. an den bezeichneten Adressen nicht erreichbar gewesen sei. Laut Auskunft des das Wohnhaus des Beschwerdeführers verwaltenden Realitätenbüros scheine dieser als Prekarist auf und bezahle er nur die Betriebskosten. Von einer Ehegattin wüsste man nichts. Diese Hausverwaltung habe die genannte Wohnung längstens bis September 2007 räumen lassen, weil das Haus saniert würde.

Auf Grund der dargelegten Umstände, des Erhebungsergebnisses und der zum Teil widersprüchlichen und divergierenden Angaben (des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin) sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer (mit der österreichischen Staatsbürgerin) die Ehe eingegangen sei, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mit ihr jedoch nie geführt und unter Berufung auf diese Scheinehe einen Aufenthaltstitel zu erwirken versucht habe. Für die belangte Behörde stehe fest, dass er die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtsmissbräuchlich geschlossen habe. Die Aufnahme der von ihm - im Übrigen auch zum Teil völlig unsubstantiiert - beantragten Beweise habe sich als entbehrlich erwiesen.

Das Eingehen von Scheinehen stelle einen Rechtsmissbrauch dar, der zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, komme doch gerade der Verhinderung bzw. Bekämpfung solcher Ehen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten stelle zweifellos auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, der Einhaltung der hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften und dem Recht auf wahrheitsgetreue Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.

Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - verheiratet. Sorgepflichten und sonstige familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthaltsehen - dringend geboten sei, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) durchzuführenden Interessenabwägung sei zu bedenken, dass der Beschwerdeführer auf keine maßgebliche, aus der Dauer seines Aufenthaltes ableitbare Integration verweisen könne, weil ein Gutteil dieses Aufenthaltes doch unrechtmäßig gewesen sei bzw. sich auf das dargelegte Fehlverhalten stütze. Auch eine allfällige Erwerbstätigkeit sei erst durch die Scheinehe ermöglicht worden. Angesichts des Mangels sonstiger familiärer Bindungen in Österreich sei das ihm insgesamt zuzusprechende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gering. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse "an seinem Verlassen des Bundesgebietes", sodass sich die Erlassung dieser Maßnahme auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig erweise.

Mangels sonstiger, besonders zu seinen Gunsten sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene zehnjährige Befristung gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne - auch unter Berücksichtigung seiner privaten und familiären Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) bringt die Beschwerde vor, dass die belangte Behörde bei Vornahme einer sogenannten Gesamtbetrachtung auf Grund der zum größten Teil miteinander in Einklang stehenden Schilderungen der Eheleute zum Ergebnis gelangt wäre, dass ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens einer Scheinehe fehlten. Nicht ausreichend sei die Tatsache gewürdigt worden, dass die am 13. September 2005 mit D. geschlossene Ehe nach wie vor aufrecht sei. Wenn die Fremdenpolizeibehörden meinten, derartige wichtige Vorfragen selbständig lösen zu können, so irrten sie, weil im Fall von Bedenken der einzige und richtige Weg die Erstattung einer Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zur allfälligen Erhebung einer Ehenichtigkeitsklage gemäß § 23 EheG sei. Ein Verwaltungsbeamter sei nicht in der Lage, den Inhalt einer geschlossenen Ehe abschließend richtig zu beurteilen, und er würde sich damit eine Richterfunktion anmaßen, die ihm unstreitig nicht zukomme. Die belangte Behörde habe damit wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt, was auch für das Unterlassen einer Aufnahme der mit der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28. September 2006 zum Beweis des Führens einer "eheüblichen Lebensgemeinschaft" beantragten Zeugenbeweise gelte.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat sich in ihrer Beweiswürdigung sowohl auf die mehrfachen Widersprüche zwischen den im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin als auch auf die Ergebnisse der an deren Wohnanschriften durchgeführten Ermittlungen gestützt, wobei die Beschwerde nicht behauptet, dass die im angefochtenen Bescheid genannten Aussagen unrichtig wiedergegeben worden seien. Wenn die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde die in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28. September 2006 geführten Zeugen nicht vernommen habe, so zeigt sie mit ihrem Vorbringen bereits deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht darlegt, um welche zu vernehmende Personen es sich dabei im Einzelnen gehandelt habe.

Auch das weitere Beschwerdevorbringen, wonach ein Verwaltungsbeamter die Frage des Vorliegens einer Aufenthaltsehe nicht selbst beurteilen dürfe, sondern bei Vorliegen eines diesbezüglichen Verdachts eine Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft erstatteten müsste, ist nicht zielführend. Diesbezüglich wird zur näheren Begründung auf das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2006/18/0154, (vgl. in diesem Erkenntnis Punkt II. 1.) verwiesen.

In Anbetracht der im angefochtenen Bescheid umfangreich dargestellten Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin und im Hinblick auf die Ergebnisse der Ermittlungen an deren Wohnanschrift begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

1.3. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2007/18/0838, mwN), ist auch die Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, nicht zu beanstanden.

2. In Bezug auf die in der Beschwerde angesprochene Bestimmung des Art. 8 EMRK und das "Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens" enthält die Beschwerde keine weiteren begründenden Ausführung. Es genügt, auf die insoweit zutreffende Interessenabwägung der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG zu verweisen.

3. Schließlich kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass ein Wegfall dieses maßgeblichen Grundes vor Ablauf der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2009

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