VwGH 2007/05/0111

VwGH2007/05/011124.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Bürgerinitiative K, vertreten durch Ing. Heinz-Christian Brünner in 8323 St. Marein/Graz, Krumegg 103, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Krottendorfergasse 4, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 8. März 2007, Zl. US 9B/2005/8-431, betreffend UVP für 380 kV-Leitung Steiermark (mitbeteiligte Parteien: 1. Verbund-Austrian Power Grid AG in Wien; 2. S GmbH in G, beide vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), den Beschluss gefasst:

Normen

UVPG 2000 §19 Abs1 Z6;
UVPG 2000 §19 Abs4 idF 2004/I/153;
UVPG 2000 §9 Abs5 idF 2004/I/153;
VwGG §34 Abs1;
UVPG 2000 §19 Abs1 Z6;
UVPG 2000 §19 Abs4 idF 2004/I/153;
UVPG 2000 §9 Abs5 idF 2004/I/153;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und den mitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Umweltsenat - bei Abänderung einiger der vorgeschriebenen Auflagen - die Berufung u. a. der beschwerdeführenden "Bürgerinitiative" gegen die erstinstanzliche "Genehmigung für das Vorhaben 380 kV-Steiermarkleitung für die im Bundesland Steiermark gelegenen Abschnitte" nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) ab. Näherhin wird diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0101, verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift. Auch die mitbeteiligte Partei brachte eine Gegenschrift ein.

2. Das UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, lautete während der "Öffentlichen Auflage" gemäß § 9 leg. cit. (17. Mai 2004 bis 28. Juni 2004, vgl. S. 23 des bekämpften Bescheides) idF BGBl. I Nr. 89/2000 auszugsweise wie folgt:

"Öffentliche Auflage

§ 9. (1) Die Behörde hat der Standortgemeinde eine Ausfertigung des Genehmigungsantrages, der im § 5 Abs. 1 genannten Unterlagen und der Umweltverträglichkeitserklärung zu übermitteln. Diese sind bei der Behörde und bei der Gemeinde mindestens sechs Wochen lang zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. ...

(4) Jedermann kann innerhalb der Auflagefrist gemäß Abs. 1 zum Vorhaben und zur Umweltverträglichkeitserklärung eine schriftliche Stellungnahme an die Behörde abgeben.

...

Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§19. (1) Parteistellung haben

...

6. Bürgerinitiativen gemäß Abs. 4 ... .

...

(4) Eine Stellungnahme gemäß § 9 Abs. 4 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach § 20 als Partei oder als Beteiligte (Abs. 2) teil. Als Partei ist sie berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben.

(5) Vertreter/in der Bürgerinitiative ist die in der Unterschriftenliste als solche bezeichnete Person, mangels einer solchen Bezeichnung die in der Unterschriftenliste an erster Stelle genannte Person. ..."

Die insoweit am 31. Dezember 2004 (also vor Erlassung des erstinstanzlichen Genehmigungsbescheides vom 21. März 2005) in Kraft getretene Novelle des UVP-G 2000 durch BGBl. I Nr. 153/2004 ließ den Text der zitierten Bestimmungen im Wesentlichen unberührt, erhob jedoch § 19 Abs. 4 in den Rang der Verfassungsbestimmung. § 9 Abs. 4 wurde mit unverändertem Inhalt zu § 9 Abs. 5, dementsprechend verweist der erste Satz des § 19 Abs. 4 nunmehr auf § 9 Abs. 5.

Schon aus der Formulierung des § 19 Abs. 4 ergibt sich, dass von einer von mindestens 200 Personen unterstützten Stellungnahme nur dann gesprochen werden kann, wenn der Text der Stellungnahme vor Abgabe einer Unterstützungserklärung seitens einer solchen Person bereits vorliegt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 13. März 2008, B 743/07-8, die an ihn gerichtete von der (auch) vorliegend beschwerdeführenden "Bürgerinitiative" erhobene Beschwerde gegen den hier bekämpften Bescheid unter Wiedergabe seiner bisherigen Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen einer Parteistellung einer "Bürgerinitiative" gemäß § 19 Abs. 4 UVP-G zurückgewiesen. In dieser Entscheidung hat er hiezu u. a. folgende Auffassung vertreten:

"(D)ie Unterstützungsunterschriften (müssen sich) von Rechts wegen auf eine konkrete, zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterschriften bereits schriftlich vorliegende Stellungnahme in

der Sache beziehen ... . Hingegen sind die gesetzlichen

Anforderungen an eine Bürgerinitiative im Sinne des § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 nicht erfüllt, wenn lediglich zu einer Unterschriftensammlung zum Zweck der Gründung einer Bürgerinitiative aufgerufen wird, ohne dass gleichzeitig die notwendige Interessenhomogenität der Mitglieder der Bürgerinitiative in der Sache, also das umweltverträglichkeitsprüfungspflichtige Projekt betreffend, dadurch sichergestellt ist. Daher müssen Unterschriften zur Unterstützung einer in der Sache verfassten schriftlichen Stellungnahme geleistet werden, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits vorliegt."

4. Die vorgelegten Akten des erstinstanzlichen Verfahrens enthalten eine 24 Seiten umfassende "Stellungnahme" mit dem Titel "Bürgerinitiative K gegen die 380 kV-Steiermarkleitung im UVP-Verfahren", datiert mit "27.06.2004", mit dem Eingangsstempel des Amtes der Stmk. Landesregierung vom 28. Juni 2004. Diese "Stellungnahme" ist durch lediglich sechs Personen "im Namen aller nachfolgenden Unterzeichner" unterzeichnet. Gleichzeitig wurden 85 durchnummerierte Blätter vorgelegt, die jeweils die Überschrift "Bürgerinitiative K gegen die 380 kV-Steiermarkleitung im UVP-Verfahren" tragen und jeweils bis zu 10 handschriftliche Eintragungen in den vorgedruckten Spalten "Name", "Geb.Datum", "Adresse" und "Unterschrift" enthalten. Die weiters vorgedruckte Spalte "lfd. Nr." wurde immer freigelassen. In der besagten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wird ausgeführt, dass diese Umstände von Beschwerdeführerseite nicht bestritten, sondern vielmehr eingeräumt wurden.

5. Vor diesem Hintergrund erfüllt die beschwerdeführende Partei nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 UVP-G 2000. Nach dessen Wortlaut ist (wie erwähnt) eine Unterstützung von mindestens 200 Personen für eine zum Zeitpunkt der Abgabe der jeweiligen Unterschrift schon vorliegende Stellungnahme iSd § 9 Abs. 4 (nach der Novelle BGBl. I 153/2004: Abs. 5) UVP-G 2000 erforderlich, damit die unterstützende Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren iSd § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 als Partei teilnimmt. Die Beschwerde wurde aber (wie dargestellt) namens einer Personengruppe eingebracht, die diesem Erfordernis nicht Rechnung trägt, weshalb letzterer der Charakter einer Bürgerinitiative iSd § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 nicht zukommt.

6. Die Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Juni 2009

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