Normen
AsylG 1997 §1 Z6;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §32 Abs7;
AsylG 1997 §1 Z6;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §32 Abs7;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40, sohin insgesamt EUR 4.425,60, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Serbien, gehören der Volksgruppe der Roma an und stellten am 27. Juli 2004 Anträge auf Gewährung von Asyl. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter, der Zweitbeschwerdeführer der Vater der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährigen Viertbeschwerdeführers.
Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof erst- bis drittangefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin gegen die ihre Asylanträge abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes (BAA) jeweils vom 20. September 2006 gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und wurden die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Mit dem viertangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Viertbeschwerdeführers gegen den seinen Asylantrag gemäß § 2 AsylG wegen Nichtaufenthaltes im Bundesgebiet zurückweisenden Bescheid des BAA vom 19. September 2006 gemäß dieser Bestimmung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Viertbeschwerdeführer sei nachweislich zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des BAA nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Eine allfällige spätere Wiedereinreise könne zu keiner inhaltlichen Behandlung des Begehrens im Berufungsverfahren führen, da in diesem nur noch über die Zulässigkeit der Zurückweisung abzusprechen gewesen sei.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 1 Z. 6 AsylG ist Familienangehöriger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.
Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.
Gemäß § 32 Abs. 7 AsylG gelten die Bescheide der anderen Familienmitglieder als mitangefochten, wenn gegen einen zurückweisenden oder abweisenden Bescheid gemäß § 10 Abs. 4 (gemeint offenbar: Abs. 5) (Familienverfahren) auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Berufung erhoben wird; keiner dieser Bescheide ist dann der Rechtskraft zugänglich.
2. Im vorliegenden Fall war der Viertbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung sowohl des erstinstanzlichen Bescheides des BAA als auch des viertangefochtenen Bescheides bereits volljährig, er war aber dennoch weiterhin als Familienangehöriger anzusehen:
So stellt die Legaldefinition des Familienangehörigen im § 1 Z. 6 AsylG darauf ab, ob es sich zum Zeitpunkt der Antragstellung um ein unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder Asylberechtigten handelt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung stellt das Gesetz bei der Definition des Familienangehörigen daher auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab und perpetuiert diese Eigenschaft für das gesamte Verfahren, auch wenn der Betroffene zwischenzeitig volljährig wird (vgl. idS auch Schmid/Frank/Anerinhof, AsylG. Asylgesetz 1997 idF der Novelle 2003 (2004), 27, K27 zu § 1).
Daher war der Viertbeschwerdeführer als Familienangehöriger gemeinsam mit der Erstbeschwerdeführerin, dem Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin im Familienverfahren nach § 10 AsylG zu behandeln.
3. Nach den Erläuterungen (zur Einführung des Familienverfahrens mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003) sollen Familienverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkannt und geführt werden. Daher hat die Behörde, sobald ein Familienangehöriger im Sinn des § 1 Z. 6 AsylG einen Asylantrag im Sinn des § 3 AsylG oder einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes im Sinn des § 10 AsylG stellt, jedenfalls die Bestimmungen über das Familienverfahren anzuwenden. § 10 Abs. 5 AsylG soll sicherstellen, dass der inhaltliche Zusammenhang zwischen den einzeln zu führenden Verfahren der Familienangehörigen nicht verloren geht und bei allen zum günstigsten Verfahrensergebnis führt (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 11. November 2008, Zl. 2008/23/1251, mit Verweis auf RV 120 BlgNR XXII. GP, 10).
Die Bestimmung des § 10 Abs. 5 AsylG, wonach alle Familienangehörigen entweder "den gleichen Schutzumfang" erhalten oder alle Anträge "als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen" sind, legt bereits nahe, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 idF der 3. Ergänzung, Juni 2004, 232, Anmerkung 6). Dass der Gesetzgeber des AsylG von dieser Gleichförmigkeit des Familienverfahrens ausgeht, zeigt aber auch die Sonderverfahrensnorm des § 32 Abs. 7 AsylG, wonach selbst bei nur einer Berufung eines betroffenen Familienmitglieds auch die Bescheide der anderen Familienmitglieder als mitangefochten gelten und keiner dieser Bescheide der Rechtskraft zugänglich ist. Dies setzt aber, soll auch im Rechtsmittelverfahren ein gleichförmiger Verfahrensausgang sichergestellt werden, den gleichen Verfahrensgegenstand, über den in erster Instanz abgesprochen wird, voraus.
In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass es nicht der Rechtslage entspricht, den Asylantrag (nur) eines Familienangehörigen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 11. November 2008). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch erkannt, dass bei Aufhebung (nur) eines Bescheides eines Familienangehörigen dies (infolge der ex tunc-Wirkung einer Aufhebung nach § 42 Abs. 3 VwGG) auch auf die Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2006, Zlen. 2005/01/0556 bis 0560).
4. Dieser Rechtslage hat es nicht entsprochen, dass das BAA den Asylantrag des Viertbeschwerdeführers alleine und im Gegensatz zu den Sachentscheidungen betreffend die übrigen Familienmitglieder zurückgewiesen hat. Der belangten Behörde war es verwehrt, über den Antrag des Viertbeschwerdeführers selbst meritorisch zu entscheiden (Sache des Berufungsverfahrens war nur die Zurückweisung des Antrages durch die Vorinstanz), weshalb sie den Bescheid des BAA betreffend den Viertbeschwerdeführer ersatzlos zu beheben gehabt hätte (vgl. insoweit bereits das zitierte hg. Erkenntnis vom 11. November 2008).
Der viertangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Da dies nach dem Obgesagten auf die erst- bis drittangefochtenen Bescheide der übrigen Familienangehörigen durchschlägt, waren auch diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. Oktober 2009
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