VwGH 2006/18/0291

VwGH2006/18/029115.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des E G in K, geboren am 5. Oktober 1970, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 17. Juli 2006, Zl. 2/4033/46/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 17. Juli 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, laut den vorgelegten Verwaltungsakten ein Staatsangehöriger von Serbien, gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 6, §§ 61, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde führte dazu aus, dass sie auf die ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 23. Mai 2006 verweise und sich diesen Ausführungen anschließe, wobei nach ihrer Ansicht der Sachverhalt durch das vorliegende Ermittlungsergebnis, wozu auch das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers gehöre, hinreichend geklärt sei, sodass auf die Vernehmung der von ihm beantragten Zeugen verzichtet werden könne. Seine Schilderung in der Berufung sei im Wesentlichen nicht glaubwürdig.

Den im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen zufolge habe der Beschwerdeführer am 23. Jänner 1998 in Deutschland die österreichische Staatsbürgerin P. geheiratet und seien beide zunächst dort gemeinsam wohnhaft gewesen. Am 29. Jänner 2001 habe der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz in Österreich an jenem Ort, wo seine österreichische Ehegattin bereits am 22. August 2000 ihren Hauptwohnsitz begründet habe, polizeilich angemeldet und am 23. Februar 2001 bei der Erstbehörde einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt, welcher Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis 22. Februar 2002 ihm erteilt worden sei. Auf Grund seines Verlängerungsantrages sei eine weitere, von 10. Jänner 2002 bis 22. Februar 2004 gültige Niederlassungsbewilligung mit demselben Aufenthaltszweck erteilt worden. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. Februar 2004 sei dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 19. Februar 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden, nachdem am Verleihungstag von ihm und seiner damaligen Ehegattin niederschriftlich bestätigt worden sei, dass deren Ehe aufrecht wäre, beide im gemeinsamen Haushalt lebten und kein gerichtliches Scheidungsverfahren anhängig wäre. Am Tag der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, dem 19. Februar 2004, habe er zwar die Meldevoraussetzung erfüllt und sei die Ehe mit P. noch nicht gerichtlich geschieden worden, doch seien zu diesem Zeitpunkt die eheliche Gemeinschaft und der gemeinsame Haushalt (bereits längere Zeit) nicht mehr gegeben gewesen. Dies habe P. bei der Polizeiinspektion Kufstein glaubwürdig angegeben und vor der Erstbehörde widerspruchsfrei nochmals bestätigt. Auch der Beschwerdeführer habe bei der Polizeiinspektion Kufstein zugegeben, dass die eheliche Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mehr gegeben gewesen und die unrichtige Aussage deshalb getätigt worden sei, damit er die österreichische Staatsbürgerschaft erhalte. Somit hätten beide Ehepartner bei der Tiroler Landesregierung wissentlich falsche Aussagen getätigt und dies auch zugegeben. Schlussendlich habe auch die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ergeben, dass die damaligen Ehepartner im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft seit längerem nicht mehr unter einer gemeinsamen Wohnadresse gemeldet gewesen seien. Ferner ergebe sich auch aus der glaubhaften Aussage des Vaters von P. am 4. April 2006 vor der Verwaltungsbehörde, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr zusammengelebt hätten.

Bei seiner Vernehmung am 17. Jänner 2005 vor der Polizeiinspektion Kufstein habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er im Sommer 2001 im Kosovo auf Urlaub gewesen wäre und während dieser Zeit seine österreichische Ehegattin die gemeinsame Wohnung über Anregung deren Vaters aufgegeben hätte sowie in der Folge so lange bei seinem Bruder gewohnt hätte, bis er selber eine eigene Wohnung gefunden hätte, und auch vom Jahr 2002 bis Frühjahr 2004 bei seiner Freundin wohnhaft gewesen wäre. Es könne daher auch für den Zeitpunkt des bei der Erstbehörde eingebrachten Verlängerungsantrages vom 4. Jänner 2002 keine aufrechte Ehe der beiden angenommen werden. Obwohl der Beschwerdeführer tatsächlich in Kufstein bei seinem Bruder wohnhaft gewesen sei, habe er die hiefür korrekte Wohnsitzanmeldung unterlassen und den Anschein der aufrechten Ehe mit P. sowie des gemeinsamen Wohnsitzes der Behörde gegenüber bewusst aufrecht erhalten, damit seine Niederlassungsbewilligung verlängert werde.

Zusammengefasst - so die Erstbehörde in ihrem Bescheid - habe der Beschwerdeführer die Tatsache des nicht vorhandenen gemeinsamen Haushalts unwidersprochen gelassen und sich im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren bewusst durch Verschweigen einer wesentlichen Tatsache den Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erschlichen. Dieser Verleihungsbescheid sei derart zustande gekommen, dass die Partei vor der zuständigen Behörde unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht habe. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. November 2005, rechtskräftig seit 24. November 2005, sei der Bescheid über die Zusicherung der österreichischen Staatsbürgerschaft widerrufen und der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen worden.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer in die von P. bereits lange angestrebte Scheidung eingewilligt habe, nachdem ihm die Tiroler Landesregierung am 19. Februar 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft, die er unter Mithilfe von P. durch falsche Angaben wissentlich erschlichen habe, verliehen habe.

Das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers (das seien sein Fehlverhalten im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG und sein Fehlverhalten, durch wissentlich falsche Angaben die österreichische Staatsbürgerschaft zu erschleichen) zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, die Rechtsordnung in erforderlicher Weise zu achten. Im Hinblick darauf gefährde sein Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinn des § 60 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben gemäß § 66 Abs. 1 FPG liege vor, dieser Eingriff sei jedoch im Grunde dieser Gesetzesbestimmung zulässig. Die sich in dem angeführten Gesamt(fehl)verhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- bzw. Einwanderungswesens) dringend geboten. Hiebei wögen die privaten oder familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grunde des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Der Beschwerdeführer habe seit 1997 in Deutschland gelebt, wo er Asylwerber gewesen sei und Verwandte von ihm lebten. Dort habe er eine Arbeitsberechtigung erlangt und zuletzt unmittelbar an der deutsch/österreichischen Grenze in K im Gastgewerbe und an einer Tankstelle gearbeitet. Im Jahr 2001 habe er seinen Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt, wo gut integriert sein Bruder lebe. Der Beschwerdeführer sei hier seither mit kleineren Unterbrechungen durchgehend bei mehreren Arbeitnehmern beschäftigt. Im Jahr 2004, als österreichischer Staatsbürger, einige Wochen nach der Scheidung von P., habe er sich in Serbien wieder verehelicht und anschließend für seine nunmehrige serbische Ehegattin bei der Erstbehörde den Erstantrag auf Bewilligung des Familiennachzuges als begünstigte Drittstaatsangehörige eines Österreichers eingebracht, was jedoch auf Grund der Aberkennung seiner österreichischen Staatsbürgerschaft in der Folge hinfällig geworden sei. Seine serbische Ehegattin lebe mittlerweile seit Jänner 2006 - nach rechtswidriger Einreise in das Bundesgebiet - als Asylwerberin mit einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet dementsprechend integriert. Eine intensive familiäre Bindung habe er zu seiner serbischen Ehegattin, mit der er - allerdings erst seit Jänner 2006 - in K in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Ihm und seiner serbischen Ehegattin habe bewusst sein müssen, dass der derzeitige Aufenthalt seiner Ehegattin im Bundesgebiet nur vorübergehend sei. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers stehe das große öffentliche Interesse an seiner Ausreise gegenüber. Der Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- bzw. Einwanderungswesens habe einen großen öffentlichen Stellenwert und ein großes öffentliches Gewicht.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde übernommenen Feststellungen der Erstbehörde, dass er am Tag der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, am 19. Februar 2004, niederschriftlich gegenüber der Staatsbürgerschaftsbehörde bestätigt habe, dass er mit seiner österreichischen Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt lebte, dies obwohl die eheliche Gemeinschaft und der gemeinsame Haushalt bereits seit längerer Zeit nicht mehr gegeben gewesen seien. Er vertritt indes die Auffassung, dass ihm zwar der Vorwurf zu machen sei, dass er die Ehe dazu genutzt habe, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, dieses Faktum jedoch allein noch kein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 1 FPG rechtfertige. Ein Aufenthaltsverbotsgrund nach § 60 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. liege jedenfalls nicht vor.

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Nach der hg. Judikatur setzt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zwingend voraus, dass einer der in § 60 Abs. 2 FPG demonstrativ aufgezählten Tatbestände erfüllt ist; vielmehr kann ein Aufenthaltsverbot auch erlassen werden, wenn andere triftige Gründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die in § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0442, mwN).

Die belangte Behörde hat das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - durch ausdrückliche Übernahme der im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen - ausführlich dargestellt. In Bezug auf das Täuschungsverhalten gegenüber der Staatsbürgerschaftsbehörde ist sie zur Ansicht gelangt, dass dieses Fehlverhalten, nämlich die Abgabe wissentlich falscher Angaben, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erschleichen, die in § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG umschriebene Annahme rechtfertige. Diese Beurteilung kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Im Hinblick darauf kann es dahingestellt bleiben, ob bezüglich der unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG erfüllt ist. Von daher ist auch die Relevanz des in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmangels, wonach die belangte Behörde den Bruder und zwei gute Freunde des Beschwerdeführers, "die über die privaten und ehelichen Probleme des Beschwerdeführers bestens informiert sind", hätte vernehmen müssen, nicht gegeben.

2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers seinen inländischen Aufenthalt seit 2001, seine Bindungen zu seinem hier lebenden Bruder und seiner serbischen Ehegattin, mit der er seit Jänner 2006 in Kufstein in einem gemeinsamen Haushalt lebt und der als Asylwerberin eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommt, und den Umstand, dass er seit 2001 in Österreich mit kleineren Unterbrechungen durchgehend bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist, berücksichtigt. Die Bindung zu seiner Ehegattin, die er in Serbien geheiratet hat und für die er anschließend bei der Erstbehörde einen Erstantrag auf Bewilligung des Familiennachzuges als begünstigte Drittstaatsangehörige eines Österreichers eingebracht hat, ist jedoch dadurch relativiert, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Begründung des Familienlebens mit seiner Ehegattin im Bundesgebiet seiner Täuschungshandlung gegenüber der Staatsbürgerschaftsbehörde und seines unsicheren Aufenthaltsstatus in Österreich bewusst sein musste.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt steht die große Gefährdung des öffentlichen Interesses durch das aus fremdenpolizeilicher Sicht schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers (wissentlich falsche Angaben, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erschleichen) gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Dezember 2009

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