VwGH 2006/13/0096

VwGH2006/13/009627.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der P N in W, vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 20. Juli 2005, Zl. RV/2055-W/04, betreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuer für 2002 und 2003, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §201;
EStG §96;
BAO §201;
EStG §96;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer bei der A AG über die Jahre 1993 bis 1995 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung hielten die Prüfer in ihrem Bericht vom 12. November 1997 fest, dass die A AG ab dem Jahr 1992 auf dem Grundstück in W, S-weg 57, welches dem R. N. gehöre, ein Gebäude errichtet habe, das im Prüfungszeitraum von R. N. zu Wohnzwecken genutzt werde. Ab dem Jahr 1993 habe die A AG auf dem der B. N., der Mutter des R. N., gehörigen Grundstück in W, S-weg 55, ein weiteres Gebäude errichtet, welches seit 1995 vom Ehepaar H. N. und B. N. zu Wohnzwecken genutzt werde. Da Verträge über die Einräumung eines Superädifikates in schriftlicher Form nicht vorlägen, betrachteten die Prüfer R. N. und B. N. jeweils als wirtschaftliche Eigentümer des auf ihrem jeweiligen Grundstück errichteten Gebäudes. Die Prüfer gingen davon aus, dass die Errichtung der Gebäude auf einem Grundstück, dessen jeweiliger Eigentümer dem H. N. nahe stünde, ausschließlich im privaten Interesse des H. N. erfolgt sei und daher dem H. N. zugerechnet werde. Über die Muttergesellschaft, eine A Holding AG, und die beschwerdeführende Privatstiftung (im folgenden: Beschwerdeführerin) als Großmuttergesellschaft bestünde ein Durchgriffsrecht auf H. N. Daher schieden die Prüfer die Anschaffungskosten der Gebäude aus den Aktiven der A AG aus, weil die Errichtung der beiden Gebäude als verdeckte Ausschüttung qualifiziert werde, die dem H. N. zuzurechnen sei.

Mit Kaufverträgen vom 22. Dezember 1997 verkaufte die A AG die den Kaufverträgen zufolge in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhäuser (Superädifikate) auf den Liegenschaften W, Sweg 55, und W, S-weg 57, der Beschwerdeführerin.

Mit einer am 19. Dezember 2002 beim Finanzamt eingelangten "Kapitalertragsteuer-Anmeldung" gab die Beschwerdeführerin bekannt, die genannten Einfamilienhäuser ab 1. Jänner 1998 der B. N. (das Haus in W, S-weg 55) und dem R. N. (das Haus in W, Sweg 57) kostenlos zur Verfügung gestellt zu haben. Der Mietwert für das Streitjahr 2002 mache näher genannte Beträge aus, aus denen sich eine Nettozuwendung von 37.499,18 EUR, zuzüglich der darauf entfallenden Kapitalertragsteuer von 12.499,73 EUR somit eine Gesamtzuwendung von 49.998,91 EUR ergebe.

Mit einer am 28. Februar 2003 beim Finanzamt eingelangten "Kapitalertragsteuer-Anmeldung" gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass die genannten Einfamilienhäuser am 19. Februar 2003 kostenlos "den Begünstigten", nämlich der B. N. (das Haus W, Sweg 55) und dem R. N. (das Haus in W, S-weg 57), zugewendet worden seien. Der Verkehrswert auf Grundlage eines Gutachtens eines namentlich genannten Sachverständigen mache näher bekannt gegebene Beträge aus, aus denen sich eine Nettozuwendung von 568.706 EUR zuzüglich einer Kapitalertragsteuer von 189.568,67 EUR, somit für das Streitjahr 2003 eine Gesamtzuwendung von 758.274,67 EUR ergebe.

Mit Schriftsatz vom 31. August 2004 beantragte die Beschwerdeführerin, für die Jahre 2002 und 2003 einen "Abgabenbescheid" über die Kapitalertragsteuer zu erlassen und damit entgegen der Selbstberechnung die Kapitalertragsteuer mit 0 festzusetzen. Das Finanzamt habe im Jahr 1997 auf Grund der erwähnten abgabenbehördlichen Prüfung bei der A AG die Errichtung der in Rede stehenden Häuser als verdeckte Ausschüttung an H. N. diesem zugerechnet. Da mit Schriftsatz vom 13. Juni 2001 die Berufung gegen die diese verdeckte Ausschüttung zugrunde legenden Abgabenbescheide zurückgenommen worden sei, seien die Feststellungen über die Zurechnung der Häuser an H. N. rechtskräfig geworden. Damit sei die Beschwerdeführerin zivilrechtliche Eigentümerin, H. N. jedoch steuerlicher Eigentümer der in Rede stehenden Gebäude, "da im Rahmen der verdeckten Ausschüttung alle Steuern, einschließlich der Kapitalertragsteuer, abgeführt worden" seien. Die Selbstberechnung der Kapitalertragsteuer für die Jahre 2002 und 2003 habe sich damit als nicht richtig erwiesen, weil für den selben Sachverhalt nicht doppelt Kapitalertragsteuer entrichtet werden könne.

Mit Bescheiden vom 1. Oktober 2004 setzte das Finanzamt die Kapitalertragsteuer für die Streitjahre mit demselben Betrag fest, welcher in den "Kapitalertragsteuer-Anmeldungen" angeführt worden war.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit Schriftsätzen jeweils vom 25. Oktober 2004 mit der Begründung, die in Rede stehenden Häuser seien von den Finanzbehörden der außerbetrieblichen Sphäre zugerechnet und als nicht für das Unternehmen angeschafft angesehen worden, weshalb die Gebäude steuerlich in das Eigentum der "Machthaber der Gesellschaft", also in das Eigentum der Familie N. übergegangen seien. Für jene zivilrechtliche Vermögenswertübertragung könne keine Kapitalertragsteuer anfallen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab.

Die Entrichtung der sich aus den Zuwendungen durch die Beschwerdeführerin ergebenden Kapitalertragsteuer für die Jahre 2002 und 2003 habe sich als richtig erwiesen, weshalb die mit den bekämpften Bescheiden vorgenommene Festsetzung von Kapitalertragsteuer zu Recht erfolgt sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 27. Februar 2006, B 1082/05-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 201 Abs. 1 BAO in der nach § 323 Abs. 11 BAO erstmals auf Abgaben, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2002 entstanden ist, anzuwendenden Fassung des Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetzes - AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen in den Fällen, in denen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen anordnen oder gestatten, eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbstberechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

§ 201 Abs. 2 und 3 BAO in der zitierten Fassung lautet:

"(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden, oder

4. wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist, oder

2. wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303 bis 304 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden."

Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gilt § 201 leg. cit. sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.

Nach § 96 Abs. 1 EStG 1988 ist die Kapitalertragsteuer innerhalb näher angeführter Zeiträume abzuführen. Die Abfuhr hat nach § 96 Abs. 2 leg. cit. von dem nach § 95 Abs. 3 leg. cit. zum Abzug Verpflichteten zu erfolgen, der nach § 96 Abs. 3 EStG 1988 auch eine Anmeldung einzureichen hat. Der zum Abzug Verpflichtete haftet nach § 95 Abs. 2 leg. cit. für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

Für das Streitjahr 2003 erfolgte die Bekanntgabe des von der Beschwerdeführerin selbstberechneten Betrages an Kapitalertragsteuer mit einer am 28. Februar 2003 beim Finanzamt eingelangten "Kapitalertragsteuer-Anmeldung". Der mit Schriftsatz vom 31. August 2004 gestellte Antrag auf Festsetzung der Kapitalertragsteuer ist daher weder innerhalb der Frist eines Monats (§ 201 Abs. 3 Z 1 BAO in der angeführten Fassung) noch innerhalb der Frist eines Jahres (§ 201 Abs. 2 Z 1 und 2 BAO idF des AbgRmRefG) gestellt worden. Dass angesichts des in der Beilage zu der Kapitalertragsteuer angeführten Sachverhaltes die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorgelegen wären oder dass der Tatbestand des § 201 Abs. 2 Z 4 leg.cit. erfüllt wäre, ist nicht erkennbar. Der Antrag der Beschwerdeführerin wäre daher schon deshalb als verspätet zurückzuweisen gewesen. Eine Festsetzung der Kapitalertragsteuer von Amts wegen wäre daher ebenso rechtswidrig wie die erfolgte Festsetzung auf Grund eines Antrages.

Gemäß § 201 BAO in der für das Streitjahr 2002 noch anzuwendenden Fassung vor der Änderung durch das AbgRmRefG war ein Abgabenbescheid, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zuließen, nur dann zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet war, unterließ oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erwies.

Ein Bescheid nach § 201 BAO über die Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe hätte somit nur dann zu ergehen gehabt, wenn die Behörde von der eingereichten Erklärung (Kapitalertragsteuer-Anmeldung) abgewichen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2006, 2006/15/0236). Gelangte die belangte Behörde zur Annahme, dass die Kapitalertragsteuer in der von der Beschwerdeführerin in der Kapitalertragsteuer-Anmeldung bekannt gegebenen Höhe entstanden ist und von der Beschwerdeführerin abzuführen war, hätte sie den Antrag der Beschwerdeführerin auf Festsetzung der Kapitalertragsteuer im Instanzenzug als unbegründet abweisen müssen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2003, 2001/15/0097).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. Jänner 2009

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