Normen
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach seinem Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 1. Jänner 2003 gab der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (AMS) am 17. Februar 2003 Folgendes an:
"Ich, (Beschwerdeführer), erkläre dass ich für das von mir ausgeübte Gewerbe eine Gewerbeberechtigung benötigen würde, welche ich bis heute noch nicht erhalten habe, da mir die Ausübung dieses Gewerbes untersagt wurde. Gerichtsverfahren sind seit Jahren laufend. Ich strebe nach wie vor die Ausübung des Gewerbes an und werde weiterhin die diesbezüglichen notwendigen gerichtlichen (Schadenersatz an die Republik) Schritte bzw. Ansuchen an die Landesregierung (Nachsicht vom Ausschluß der Gewerbeausübung) stellen.
Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung lege ich in Kopie dem AMS vor.
Ich erkläre somit, dass ich seit 1.1.2003 keinerlei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit habe. Ich werde lt. derzeitiger Sachlage auch bis auf weiteres keinerlei Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit haben. Sollte sich an dieser Situation etwas ändern, werde ich umgehendst das AMS informieren und entsprechende Einkommenserklärungen abgeben."
In einem weiteren Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 7. Jänner 2003 gab der Beschwerdeführer an, er benötige für eine selbständige Tätigkeit eine Gewerbeberechtigung, die jedoch bereits 1987 versagt worden sei. Ein Verfahren darüber sei anhängig. In seinem Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom 21. Juli 2003 hob der Beschwerdeführer hervor, dass ihm eine Gewerbeberechtigung "rechtsirrig und nichtig" vorenthalten werde. Er habe gegen die Republik Österreich einen Schadenersatzanspruch von EUR 110.000,--.
Am 28. Juli 2004 richtete der Beschwerdeführer an das AMS ein Schreiben mit dem Betreff
"(...) Nachweis - Aktiv Legitimation / rechtswidrige Untersagung - Ausübung des Gewerbes LG f. Strafsachen Wien - Wiederaufnahme / Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Regress -"
und führte zu einem für den 30. Juli 2004 ausgeschriebenen Kontrolltermin aus, es liege
"über einen Zeitraum von 10 Jahren, selbstständig gewerbliche Geschäftsführung - monatlich regelmäßiger Intension von 1,562 Geschäftsabschlüssen / Monat, sowie ständig gewerbliche Geschäftsführung - 'Hausverwaltung P. - Nachfolger', der Verwaltung und Betreuung der Liegenschaft in 1120 Wien, T...gasse 19, vor.
Dies entspricht, entgegen Ihrer Vorgabe von sechs Bewerbungen, de Facto einem 'Bewerbungsnachweis' von - 150-facher -
Bewerbung.
(...) Mit gegenständlichem Nachweis sind somit Bewerbungsintensionen meiner Bestrebungen zur Wiederaufnahme beruflicher Tätigkeiten, exorbitant erfüllt.
Entsprechend vorliegender Fakten und Dokumente, ich an der Ausübung - selbstständig beruflich-gewerblicher Geschäftsführung - Immobilienmakler/Immobilienverwalter - wie nachgewiesen -, rechtswidrig und nichtig, seitens Republik Österreich gehindert bin.
(...) Lediglich unabdingbare Rechtsverfolgung zur Beweisführung entgegen rechtswidriger Urteilsverkündung und rechtswidrig - amtlicher Behinderung, Verursachung wirtschaftlicher und körperlicher Schädigung, sowie zur völliger Genugtuung und Schadenersatzleistung, samt Erwirkung - Ausstellung Gewerbeschein - Adressenvermittlung, Erwirkung - Ausstellung Konzession Immobilienmakler und Immobilienverwalter, weiter vorgenommen wird."
Am 19. August 2004 erklärte der Beschwerdeführer, "dass ich nach wie vor beruflich gesperrt bin und keinerlei
Einkünfte beziehe, sollte sich diesbezüglich etwas ändern, werde ich diese dem AMS sofort mitteilen".
Am 9. Dezember 2004 übermittelte der Beschwerdeführer dem AMS ein Konvolut von Schriftsätzen, die er an den Verwaltungsgerichtshof und an das Landesgericht für Strafsachen Wien gerichtet hatte, wobei deren Begehren und deren Begründungen sich einem Verständnis großteils verschließen.
In einem Aktenvermerk vom 16. Dezember 2004 hielt das AMS fest, dass der Beschwerdeführer seit 15 Jahren beschäftigungslos sei und er sich ganz auf seine berufliche Rehabilitation fixiert habe.
Einem Aktenvermerk vom 13. Mai 2005 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Republik Österreich klage und seine Existenz gefährdet sei. Er könne somit nicht arbeiten, bis die Klage abgeschlossen sei. Er werde abgemeldet und solle mit der Niederschrift beim Sozialreferat vorsprechen.
Am 25. Juli 2005 vermerkte das AMS, dass das Verfahren des Beschwerdeführers gegen die Republik Österreich immer noch laufe und er "dem AMS dzt. nicht wirklich zur Verfügung" stehe. Der Beschwerdeführer werde sich beim Sozialamt erkundigen, ob bei einer Abmeldung beim AMS "die Leistung von 6. Ref. übernommen wird".
Am 2. August 2005 stellte der Beschwerdeführer den hier gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe, indem er u.a. als bisherige Tätigkeit die "Bekämpfung rechtswidrig nichtiger Verurteilung LG f. Strafs. Wien" anführte. Anlässlich seiner Antragstellung wurde vor dem AMS folgende Niederschrift aufgenommen:
"Ich, (Beschwerdeführer), erkläre, dass ich dem Arbeitsmarkt nicht zur für Verfügung stehe. Ich erkläre, dass ich auch keine 16 Stunden/Woche verfügbar sein kann. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich somit ab 2.8.05 keinen Anspruch auf Leistung mehr haben werde."
Mit Bescheid vom 10. August 2005 hat das AMS als Erstbehörde den Antrag vom 2. August gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z. 1 AlVG abgewiesen. Der Beschwerdeführer könne sich nach seinen eigenen niederschriftlichen Angaben vom 2. August 2005 nicht zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen Beschäftigung bereithalten, weil er dem Arbeitsmarkt nicht mindestens 16 Stunden pro Woche zur Verfügung stehe.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 28. August 2005 erstattete der Beschwerdeführer ein umfangreiches, aber unzusammenhängendes bzw. in der Sache unverständliches Vorbringen.
Die Berufung mündete schließlich in folgenden Antrag:
"Der AST - stellt daher den -
ANTRAG
- auf -
- Bezug erforderlicher Sozialhilfeleistung gem. Antrag vom 11.3.2003 - MA 15 A - (...), in der Höhe von EUR 856,82 zuzüglich -
ab 10/2003 bis dato fortlaufend - bestehender Unterhaltsverpflichtung - Sascha Harald P., (...), - gegenüber, -
- angemessen und valorisiert, zu gewähren."
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid mit der Begründung bestätigt, dass der Beschwerdeführer in der erwähnten Niederschrift vom 2. August 2005 erklärt habe, er könne keine 16 Stunden pro Woche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, dass die belangte Behörde keinen Sachverhalt ermittelt habe, sondern ihre Entscheidung allein auf die Erklärung des Beschwerdeführers, dem Arbeitsmarkt bzw. der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung zu stehen, gestützt habe. Ob eine Person der Vermittlung zur Verfügung stehe oder nicht, stelle jedoch eine Rechtsfrage dar, die nur an Hand eines festgestellten Sachverhalts beantwortet werden könne. Es wäre überhaupt
"geradezu absurd, wenn jemand zum einen Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe stellen würde, zum anderen im gleichen Zug aber erklären würde, dass eine der Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht vorläge. Da die Absurdität des Handelns einer Person nicht von vornherein angenommen werden darf, ist zu schließen, dass der Antragsteller bei der Abgabe seiner Erklärung einem Irrtum über deren Bedeutung unterlag. Der Behörde muss ein solcher Irrtum aber zweifellos aufgefallen sein und wegen des Grundsatzes der materiellen Wahrheit wäre sie umso mehr dazu verpflichtet gewesen, den wahren Sachverhalt zu ermitteln."
Der Antrag des Beschwerdeführers in seiner Berufung, über den die belangte Behörde zu entscheiden hatte, bezog sich augenscheinlich nicht auf den erstinstanzlichen Bescheid, sondern war darauf gerichtet, den "Bezug erforderlicher
Sozialhilfeleistung ... angemessen und valorisiert, zu gewähren".
Ein solcher an der Sache des Berufungsverfahrens völlig vorbeigehender Berufungsantrag ist im vorliegenden Fall dem Fehlen eines solchen gleichzuhalten, womit die Berufung mangelhaft ist (§ 63 Abs. 3 AVG). Gemäß § 13 Abs. 3 AVG hätte die belangte Behörde vor einer Zurückweisung der Berufung diesen Mangel zum Anlass nehmen müssen, dem Beschwerdeführer die Behebung des Mangels mit der Wirkung aufzutragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Da sie dies unterlassen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer von Amts wegen wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 13. Mai 2009
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