VwGH 2006/08/0012

VwGH2006/08/001221.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des J in Wien, vertreten durch Mag. Christian Malburg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 5/7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 30. November 2005, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2005-7967, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z3;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z3;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 30. November 2005 sprach die belangte Behörde gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 5. September bis zum 16. Oktober 2005 aus. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel (in der Folge: AMS) habe am 10. August 2005 mit dem Beschwerdeführer im Beisein eines Zeugen vereinbart,

"aufgrund eines Defizits an speziellen Bewerbungsstrategien im kaufmännisch/technischen Bereich, sowie im Bereich einiger EDV Anwendungen für einen gespannten Arbeitsmarkt, sowie aufgrund der langen Absenz vom Arbeitsmarkt (letzte unselbständige Tätigkeit war vom 1.9.1994 bis 6.11.1994) und aufgrund des Umstandes, dass ihre persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten bisher zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausgereicht haben, die Kursmaßnahme 'Qualifizierungs und Vermittlungsunterstützung' beim Institut Best mit Beginn am 5.9.2005"

in Anspruch zu nehmen. "Die Rechtsfolgen" seien dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. Dieser habe zwar vorgebracht, dass in der Betreuungsvereinbarung keine Gründe für die Notwendigkeit der Maßnahme angeführt seien, aber er habe niemals erklärt, dass er keine "Defizite" hätte. Er habe sich - wie bereits zwei Mal - geweigert, die Maßnahme zu absolvieren, sodass er keineswegs beurteilen könne, ob diese Maßnahme für ihn notwendig und sinnvoll sei. Wenn ein Arbeitsloser ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigere oder den Erfolg der Maßnahme vereitle, verliere er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Folgende Defizite lägen vor:

"Mangelnde Kenntnisse an speziellen Bewerbungsstrategien aufgrund der Tatsache, dass Sie seit 1994 nicht mehr einer unselbständigen Tätigkeit nachgehen (selbständig sei 1995) und daher zur Integration in den Arbeitsmarkt dringend der Maßnahme 'Qualifizierungs und Vermittlungsunterstützung' bedürfen, weil das Arbeitsmarkservice davon ausgeht, dass gerade diese Maßnahme geeignet gewesen wäre, Sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren."

Durch seine Nichtteilnahme habe der Beschwerdeführer "den Erfolg der Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert", was zum Anspruchsverlust in der angegebenen Dauer führe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voraussetzung für die Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt iSd § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG ist es, dass dem Arbeitslosen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen, weshalb ihm keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann. Maßgeblich für eine Zuteilung zu einer Maßnahme ist somit das Fehlen jener Qualifikationen des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung, die durch die Maßnahme erworben werden sollen.

Die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt setzt voraus, dass das AMS seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen es eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren. Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer Maßnahme teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit der Maßnahme erfolgt. Dazu muss das Arbeitsmarktservice die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung in tatsächlicher Hinsicht ermittelt und das Ergebnis der Ermittlungen dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem vom AMS eine Maßnahme zugewiesen wurde, ohne ihm die dazu berechtigenden Umstände näher zu spezifizieren und vorzuhalten, kann im Falle der Weigerung, der Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach § 10 AlVG ausgeschlossen werden. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung zur Maßnahme können im späteren Verwaltungsverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0094, mwN).

Die dargelegten Feststellungen der belangten Behörde über die Defizite des Beschwerdeführers reichen wegen ihrer Formelhaftigkeit (vgl. dieselben Formulierungen in der Sachverhaltsdarstellung des soeben zitierten Erkenntnisses Zl. 2006/08/0094) nicht aus, den genannten Anforderungen betreffend die Spezifizierung und den Vorhalt des Fehlens von konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitslosen zu entsprechen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Jänner 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte