Normen
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs2;
BAO §236;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs2;
BAO §236;
B-VG Art130 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,10 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist die Rechtsnachfolgerin der S&P-KEG, welche zum 1. Oktober 2002 im Firmenbuch gelöscht worden ist, nachdem alle Anteile an dieser KEG auf die Beschwerdeführerin übertragen worden sind.
Im Hinblick auf Umsatzsteuerrückstände der S&P-KEG hatte das Finanzamt an S und an P als Gesellschafter der S&P-KEG Haftungsbescheide erlassen. In der Folge beantragte die S&P-KEG mit Eingabe vom 10. Juni 2002 die Nachsicht von 14% des per November 2000 (dem Beginn von Verhandlungen betreffend eine Umschuldung und Sanierung der KEG) ausgewiesenen Abgabenrückstandes. Als Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Nachsicht bei allen drei Gesamtschuldnern (der S&P-KEG und den Komplementären S und P) vorlägen. Die Gesellschafter seien bestrebt, das Unternehmen zu sanieren. Die S-Bank als einziger neben dem Finanzamt bestehender Gläubiger der S&P-KEG sei bereit, einen Betrag von ca. 14% nachzulassen. Es sei geplant, die Kommandit- und Komplementäranteile an der S&P-KEG in die VJ-GmbH & Co KEG - das ist die nunmehrige Beschwerdeführerin - nach Art. IV UmgrStG einzubringen, sodass Gesamtrechtsnachfolge iSd § 142 HGB eintrete.
Aus Sicht der Finanzbehörde sei es sicherlich günstiger, diesen einmaligen Nachlass zu gewähren, um die nachhaltige Sanierung nicht zu gefährden. Sollte eine Nachsicht nicht erreicht werden können, sei ein Konkursantrag unter Umständen unvermeidlich.
Beim Abgabenrückstand der S&P-KEG handle es sich im Wesentlichen um die Umsatzsteuern der Jahre 1991 bis 1998, welche nicht abgeführt worden seien. Aktuelle Umsatzsteuern würden hingegen seit über einem Jahr pünktlich bezahlt. Die KEG sei bestrebt, den Abgabenrückstand sukzessive abzubauen.
Mit Bescheid vom 1. September 2004 wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab. Es sei um Nachsicht von 14.933,34 EUR an Umsatzsteuern der Jahre 1991 bis 1998 (samt Nebengebühren) angesucht worden. Der Rückstand resultiere daraus, dass jahrelang Umsatzsteuern nicht abgeführt worden seien. Für Pachtzahlungen habe die VJ-GmbH Vorsteuerbeträge in Millionenhöhe geltend gemacht. Die S&P-KEG habe die korrespondierenden Umsatzsteuern für diese Pachteinnahmen nicht abgeführt. Dabei gehörten die VJ-GmbH und die S&P-KEG zum selben Familienverband.
Die Berufung gegen den Abweisungsbescheid wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.
Im gegenständlichen Fall sei im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleiches vom zweiten, neben dem Finanzamt bestehenden Gläubiger, der S-Bank, ein Forderungsnachlass in der Höhe von ungefähr 14% ihrer Gesamtforderungen gewährt worden. Damit gehe die belangte Behörde davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung iSd § 236 Abs. 1 BAO gegeben sei. Eine (teilweise) Nachsicht der Abgabenschuld könne nämlich zur Sanierung des Unternehmens beitragen.
Liege Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vor, sei in weiterer Folge eine Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen. Da im berufungsgegenständlichen Fall ein Gesamtschuldverhältnis gegeben sei, müssten die Voraussetzungen für die Nachsicht - also auch die Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsvoraussetzungen - bei allen drei Gesamtschuldnern vorliegen.
Im gegenständlichen Fall sei die hohe Umsatzsteuerschuld dadurch entstanden, dass über Jahre Umsatzsteuern nicht abgeführt worden seien, obwohl eine im selben Familienverband gehaltene Gesellschaft die korrespondierenden Vorsteuern geltend gemacht habe. Konkret habe die VJ-GmbH Vorsteuerbeträge aus Pachtzahlungen in Millionenhöhe geltend gemacht, wohingegen die S&P-KEG entsprechende Umsatzsteuerbeträge aus den Pachteinnahmen nicht an das Finanzamt abgeführt habe.
Der Feststellung dieser Umstände durch das Finanzamt sei die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten, sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass das Fehlverhalten der Vergangenheit nicht ungeschehen gemacht werden könne und im Hinblick auf das nunmehrige Wohlverhalten nicht in den Vordergrund gestellt werden solle.
Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung vorgebracht, Zahlungswille der Beteiligten sei vorhanden gewesen.
Die belangte Behörde verweise darauf, dass eine Reihe von Teilzahlungen geleistet worden seien und der Rückstand mit 3. November 2004 getilgt sei. Wenn, wie in der Berufung behauptet werde, ein Zahlungswille der Beteiligten seit Sommer 2001 gegeben gewesen sei, so habe sich dieser nach Ansicht der belangten Behörde jedenfalls nicht durch konkrete Handlungen im Sinne von Zahlungen der Schuldner manifestiert. Nach der Akten- und Buchungslage sei evident, dass die "Zahlungswilligkeit" des Gesamtschuldners S immer erst dann zustande gekommen sei, wenn das Finanzamt angekündigt habe, weitere konkrete Vollstreckungsmaßnahmen zu setzen. S habe die von ihm gemachten Zusagen entweder gar nicht oder nur auf Druck des Finanzamtes eingehalten.
Die Reduktion des Abgabenrückstandes sei sohin in erster Linie auf insofern erfolgreiche Exekutionsmaßnahmen zurückzuführen. Die Zahlungen seien daher nicht im Sinne eines im Rahmen des Ermessens als Billigkeitsgrund zu berücksichtigender Umstand zu werten. Es sei kein berücksichtigungswürdiger Zahlungswille der Gesamtschuldner vorgelegen.
Die belangte Behörde gelange zur Beurteilung, dass im Rahmen der Ermessensübung eine Nachsicht der Abgaben aus Billigkeitsgründen im Sinne einer gesetzeskonformen Ermessensübung nicht zu gewähren sei, weil die Art des Entstehens des Abgabenrückstandes eine Nachsicht unbillig erscheinen lasse. Daran könne auch der Umstand, dass Sanierungsbestrebungen im Gange gewesen seien, nichts ändern. Auch wenn eine Steuernachsicht zur Gesundung des Betriebes beitragen könne, seien im Rahmen der Zweckmäßigkeit zudem die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die Steuergerechtigkeit und insbesondere das Gebot, steuerunehrliches Verhalten (im Hinblick auf die Entstehung des Steuerrückstandes) nicht auch noch durch eine Nachsicht zu belohnen, zu beachten. Eine Nachsicht stelle sich im vorliegenden Fall daher nicht als zweckmäßig dar. Zudem sei aus dem Aspekt der Verwaltungsökonomie die Nachsicht einer mit hohem administrativen Aufwand letztlich doch vollständig hereingebrachten Abgabenforderung auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Einbringung ausstehender Abgaben unzweckmäßig.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet die Regel des Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschulden sinngemäß Anwendung. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Abgabe entrichtet wurde, zulässig.
Die Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 und 2 BAO kann eine sachliche oder persönliche sein. Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Persönliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn die Einhebung der Abgabe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgabenschuldners in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Erst nach der Feststellung, dass der Sachverhalt das Tatbestandsmerkmal "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" erfüllt, betritt die Behörde den Bereich des Ermessens und hat nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit über die Nachsichtsgewährung zu entscheiden (vgl. etwa das hg Erkenntnis vom 30. September 2004, 2004/16/0151, und Stoll, BAO-Kommentar, 2426). Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde. Bei Gesamtschuldverhältnissen müssen die Voraussetzungen für die Nachsicht bei allen Gesamtschuldnern vorliegen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 2004/16/0151).
In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe die Versagung der Abgabennachsicht ausschließlich darauf gestützt, dass bei der S&P-KEG (und ihren Gesellschaftern) "ein Zahlungswille nicht vorhanden gewesen ist und der Rückstand nunmehr vollständig gezahlt worden ist". Im Übrigen seien die Nachsichtsvoraussetzungen gegeben. Die belangte Behörde übersehe nämlich, dass ein Zahlungswille stets vorhanden gewesen sei; dieser könne unabhängig von der Zahlungsfähigkeit gegeben sein. Im Herbst 2001 seien die Gesellschaften nahezu zahlungsunfähig, aber dennoch zahlungswillig gewesen. Die Gesellschafter seien bemüht gewesen, das Finanzamt über die Sanierungs- und Umgründungsmaßnahmen auf den Laufenden zu halten. Erst etwa ein Jahr später hätten die Sanierungsmaßnahmen gegriffen und sei es wieder möglich gewesen, Zahlungen zu leisten. Zwar hätten die dem Finanzamt zugesagten Zahlungen "immer wieder nach hinten verschoben werden" müssen, dies habe aber nichts mit dem Fehlen des Zahlungswillens zu tun gehabt, sondern mit einer nachhaltigen Liquiditätskrise. Da das Finanzamt trotz dieser schwierigen Situation seine Einbringungsmaßnahmen fortgesetzt habe, hätten bereits für andere Zwecke gewidmete Gelder, zum Teil sogar aus dem Privatbereich der Gesellschafter, zur Abdeckung der Finanzamtsschulden verwendet werden müssen. Als die Sanierungsmaßnahmen mehr oder weniger abgeschlossen gewesen seien, seien laufend Raten an das Finanzamt gezahlt worden. Dadurch sei der Rückstand beim Finanzamt vollständig abgedeckt worden, obwohl gegenüber der Bank und dem Steuerberater immer noch ein Rückstand bestanden habe. Ein etwaiges Fehlverhalten der Beteiligten bzw des Steuerberaters in der Vergangenheit könne nicht ungeschehen gemacht werden. Ein solches Fehlverhalten solle allerdings im Hinblick auf das nunmehrige Wohlverhalten und die Bereitschaft zur Sanierung nicht in den Vordergrund gestellt werden.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Die Besonderheit des Beschwerdefalles besteht darin, dass zwischen zwei (durch die gleichen Gesellschafter) verbundenen Gesellschaften (der angefochtene Bescheid spricht von Gesellschaften "im selben Familienverband") Bestandzinse für die Überlassung von Liegenschaften verrechnet worden sind, wobei die Bestandgeberin über viele Jahre die Abfuhr der auf die Bestandzinse entfallenden Umsatzsteuern (in einer eine Million Schilling übersteigenden Höhe) an das Finanzamt beständig unterlassen hat, die Bestandnehmerin aber gerade diese Umsatzsteuern stets als Vorsteuern geltend gemacht hat. Das Nachsichtsansuchen betrifft einen Teil dieser nicht abgeführten Umsatzsteuern.
Gesetzt den Fall, dass im gegenständlichen Fall, wie im angefochtenen Bescheid angenommen, Unbilligkeit iSd § 236 Abs. 1 BAO vorliegt, ist jedenfalls die Ermessensübung, einen auf solche Weise entstandenen und angewachsenen Abgabenrückstand nicht nachzusehen, keinesfalls rechtswidrig. Es ist nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung den Schwerpunkt auf die Art und Weise, wie der Abgabenrückstand zustande gekommen ist, und damit auch auf das Verhalten des Abgabepflichtigen gelegt hat (vgl. das hg Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, 93/15/0165, sowie die bei Ritz, BAO3, § 236 Tz 16 angeführte weitere hg. Rechtsprechung). Auf die Umstände der tatsächlich erfolgten Abgabenentrichtung (einschließlich der subjektiven Elemente) hat die belangte Behörde - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nur dahingehend Bedacht genommen, dass diese Umstände im Beschwerdefall keine Auswirkungen auf die Ermessensübung zeitigen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 455/2008.
Wien, am 2. September 2009
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