Keine Nachsicht bei mangelndem Zahlungswillen eines zur Haftung herangezogenen Gesamtschuldners
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/15/0032 eingebracht. Mit Erk. v. 2.9.2009 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der L., vertreten durch C., vom 7. September 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom 1. September 2004 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Bei der Berufungswerberin (Bw.) handelt es sich um die Rechtsnachfolgerin der SP-KEG, welche aufgrund einer Betriebsprüfung einen beträchtlichen Rückstand an Umsatzsteuer abzustatten hatte. In der Folge erließ das Finanzamt nunmehr bereits rechtskräftige Haftungsbescheide in Rückstandshöhe an die beiden Gesellschafter der KEG. Am 8. März 2000 wurde erstmals vom damaligen Vertreter der SP-KEG ein Nachsichtsantrag gemäß § 236 Abs. 1 BAO über S 670.000,-- (€ 48.690,80) gestellt. Als Begründung wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die zusätzliche Umsatzsteuer aus der Betriebsprüfung nicht vorhersehbar war und daher auch dafür keine entsprechende finanzielle Vorsorge getroffen werden konnte. Weiters wurde die Unbilligkeit der Einhebung ins Treffen geführt. Es liege persönliche Unbilligkeit vor, die Einbringung würde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere das Vermögen und das Einkommen des Abgabenschuldners in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigen. Es würde im Falle der gänzlichen Abgabeneinhebung nicht lediglich eine Liquiditätskrise oder ein finanzieller Engpass vorliegen, sondern tatsächlich eine Existenzgefährdung der KEG gegeben sein. Der angebotene Zahlungsbetrag stelle die absolute Grenze der Entrichtung dar, die unter Beachtung aller sonstigen Umstände noch im Bereich der wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der Schuldnerin liege. Hinsichtlich der Begleichung des Restbetrages der Abgabenschuldigkeiten seien intensive Verhandlungen mit den Banken geführt worden und konnte nunmehr eine Ausweitung der Bankverbindlichkeiten zur Abdeckung der gesamten Rückstände, sowohl bei den diversen Lieferanten als auch beim Finanzamt, in Höhe von 50 % der Gesamtverbindlichkeiten ausgehandelt werden. Mit einer Abdeckung der restlichen Forderungen könne bis spätestens 31. Mai 2000 gerechnet werden.
Dieses Nachsichtsansuchen wurde mit Bescheid vom 28. November 2000 abgewiesen, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil nach der Aktenlage der aus der Betriebsprüfung angelastete Rückstand nach der Ansicht des Finanzamtes sehr wohl vorhersehbar gewesen sei. Trotz Feststellungen der Betriebsprüfung sei die laufende Umsatzsteuer nicht entrichtet worden, der Rückstand habe sich seither trotz ergangener Berufungsentscheidung vervielfacht. Im Übrigen seien auch gemachte Zahlungsvorschläge wiederholt nicht eingehalten worden und ließe sich kein entsprechender Zahlungswille erkennen.
Gegen diesen Abweisungsbescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs dieser somit in Rechtskraft.
In weiterer Folge wurde seitens der SP-KEG versucht, Sanierungsmaßnahmen unter Einbeziehung des Finanzamtes voranzutreiben und gab es diesbezügliche Vorsprachen und entsprechenden Schriftverkehr mit dem Finanzamt.
Am 10. Juni 2002 stellte die SP-KEG durch ihren nunmehrigen steuerlichen Vertreter neuerlich ein Nachsichtsansuchen, und zwar in der Höhe von 14% des per November 2000 (der als Beginn der Verhandlungen betreffend einer Umschuldung und Nachsicht gewertet wurde) ausgewiesenen Abgabenrückstandes.
Als Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für Gewährung einer Nachsicht aufgrund des Gesamtschuldverhältnisses bei allen drei Gesamtschuldnern (der SP-KEG, den Komplementären S. und P.) vorliegen müssten und auch vorlägen. Die Gesellschafter seien sehr bestrebt, die Unternehmen nachhaltig zu sanieren. Diese Sanierung erfolge nicht nur über eine Umschuldung unter teilweisem Forderungsverzicht der (Alt)Gläubiger, sondern auch über eine Umstrukturierung der Gesellschaften, und weiters durch Umsetzung eines neuen Konzeptes im Unternehmensbereich. Konkret sei die S-Bank (als einziger, zweiter, neben dem Finanzamt bestehender Gläubiger) bereit, einen Betrag von ca. 14% nachzulassen. Weiters sollten die Kommandit- und Komplementäranteile der SP-KEG in die L-GmbH&CoKEG (der nunmehrigen Bw. und Rechtsnachfolgerin der SP-KEG) unter Mitübertragung der Liegenschaften und unter Inanspruchnahme des Art. IV UmGrStG sowie des § 142 HGB eingebracht werden, sodass sowohl in steuerrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht Gesamtrechtsnachfolge eintrete. Das erwähnte Sanierungskonzept verstehe sich als Gesamtlösung, wobei die Nichtdurchführung einzelner Punkte ein Scheitern des Gesamtkonzeptes zur Folge haben werde. Es läge bereits die (zum Teil erst mündliche) Zustimmung zur Sanierung von mehreren Banken und der Steirischen Wirtschaftsförderung vor.
Aus Sicht der Finanzbehörde sei es sicherlich günstiger, diesen einmaligen Nachlass zu gewähren und damit die Durchführbarkeit des Sanierungskonzeptes zu ermöglichen, als die nachhaltige Sanierung nicht nur zu gefährden, sondern geradezu unmöglich zu machen. Sollte eine Nachsicht nicht erreicht werden können, sei die Stellung eines Konkursantrages unter Umständen unvermeidlich. Aus Zweckmäßigkeitserwägungen sei daher unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Steuerquelle die Nachsicht nicht nur im Interesse der Abgabepflichtigen sondern vor allem auch im öffentlichen Interesse gelegen. Beim Rückstand handle es sich im Wesentlichen um die Umsatzsteuern der Jahre 1991 bis 1998, welche nicht abgeführt worden seien. Aktuelle Umsatzsteuern würden aber seit über einem Jahr immer pünktlich bezahlt. Man sei bestrebt, den Abgabenrückstand sukzessive abzubauen. Die erfolgten Zahlungen und die verbindlichen Ratenzahlungsvereinbarungen ließen jedenfalls auf einen konkreten Zahlungswillen der KEG - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - schließen. Ein etwaiges Fehlverhalten der Komplementäre bzw. eines Steuerberaters in der Vergangenheit könne zwar nicht ungeschehen gemacht werden, die konkrete - fast abgeschlossene - Sanierung sollte allerdings im Hinblick auf das nunmehrige Wohlverhalten der Schuldnerin nicht scheitern.
Nachdem das Finanzamt zunächst den Nachsichtsantrag vom 10. Juni 2002 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hatte, welcher Bescheid vom UFS ersatzlos aufgehoben wurde (vgl. RV/0185-G/03), erging mit Abweisungsbescheid vom 1. September 2004 eine inhaltliche Abweisung des Nachsichtsansuchens und führte das Finanzamt im Wesentlichen begründend aus: Im gegenständlichen Fall sei um Nachsicht von € 14.933,34 an Umsatzsteuern, die Jahre 1991 bis 1998 und Nebengebühren betreffend, angesucht worden. Der Rückstand resultiere aus jahrelang nicht abgeführter Umsatzsteuer, und zwar seien bei der VJ-GmbH Vorsteuerbeträge in Millionenschillinghöhe geltend gemacht worden, ohne dass bei der im selben Familienverband gehaltenen SP-KEG (der Rechtsvorgängerin der Bw.), diese Umsatzsteuer für die Pachteinnahmen entrichtet worden sei. Der im Ansuchen angeführte "Zahlungswille" der SP-KEG sei dadurch hervorgerufen worden, dass die Abgabenbehörde wegen permanenter Nichtleistung von Zahlungen - mit Ausnahme von zweimal monatlich Umsatzsteuer (für 11/1999 und 04/2000) - im November 2000 die Pachteinnahmen der SP-KEG gepfändet habe und nach der Zahlung von zwei Monatspachten, zur Hintanhaltung einer Drittschuldnerklage über die Finanzprokuratur, eine Zahlung von € 14.534,37 (S 200.000,00) erwirkt werden konnte. Nach weiterer Vertröstung, begründet mit Sanierungsbestrebungen und in der Folge Nichtzahlungen, sei aufgrund des rechtskräftigen Haftungsbescheides für Herrn S. im März 2002 ein Pfändungsbescheid über 30% des Gewinnanteiles der Firma D-KG erlassen worden. Für eine Ruhendstellung der Pfändung habe die Abgabenbehörde eine Abschlagszahlung von € 25.500,00 im Mai 2002 und in der Folge ab Juni 2002 bis laufend eine Ratenzahlung erwirken können. Die Ratenvereinbarung sei - von kleinen Abänderungen abgesehen - im Großen und Ganzen eingehalten worden, und finde mit letztmaliger Rate im Oktober 2004 ihren Abschluss. Der Komplementär und Haftungsverpflichtete, Herr S. sei laut Aktenlage für den kaufmännischen Bereich der Firmen maßgeblich tätig und somit für die (vorerst nicht erfolgte) Abgabenentrichtung verantwortlich gewesen. Aufgrund des vorangeführten Verhaltens könne Unbilligkeit bei Herrn S. keinesfalls erblickt werden und lägen somit die Voraussetzungen für eine Nachsicht nicht vor, da die Voraussetzungen für eine Nachsicht bei Gesamtschuldverhältnissen bei allen Gesamtschuldnern gegeben sein müssten.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung der Bw., in welcher unter Hinweis auf das bisherige Vorbringen im Wesentlichen ausgeführt wurde: Beide Unternehmungen (die SP-KEG und die VJ-GmbH) standen im Sommer 2001 am Rande der Insolvenz, was zu einem Umdenken und zur Bereitschaft führte, die Situation bereinigen zu wollen, um das Unternehmen zu erhalten. Die Folge waren die pünktliche Bezahlung der laufenden Abgaben, eine Ratenzahlungsvereinbarung sowie die Erstellung eines umfassenden Sanierungskonzeptes. Dem Finanzamt sei mitgeteilt worden, dass Sanierungsmaßnahmen, sowie Raten- und Nachsichtsansuchen geplant seien. Das Finanzamt habe aber diese Maßnahmen nicht abgewartet und die im Abweisungsbescheid bezeichneten Schritte gesetzt - in Kenntnis der Umschuldungsmaßnahmen. Daraufhin hätten natürlich die Zahlungen an das Finanzamt vorgezogen werden müssen und das Sanierungskonzept an diese geänderte Situation angepasst werden müssen. Erst im Juni 2000 seien die Sanierungsgespräche soweit gediehen gewesen, dass konkrete Maßnahmen gesetzt hätten werden können, woraufhin sofort die in Aussicht gestellten Raten- und Nachsichtsansuchen ans Finanzamt versendet worden seien. Daraufhin habe das Finanzamt die Einbringung der Klage gegen die D-KG als Drittschuldnerin binnen einer Frist von zwei Wochen angedroht, woraufhin im August 2002 mittels persönlicher Vorsprache beim Finanzamt eine Bewilligung des bereits gestellten Ratenzahlungsansuchens erreicht worden sei. Der Sanierungs- und Zahlungswille der Beteiligten sei bereits seit Sommer 2001 gegeben gewesen. Es hätten allerdings die in die Wege geleiteten Sanierungsmaßnahmen erst in Angriff genommen werden müssen, was das Finanzamt aber nicht mehr abzuwarten bereit war, weshalb der Eindruck entstehen hätte können, die Zahlungen seien lediglich aufgrund der von der Behörde gesetzten Einbringungsmaßnahmen erfolgt. Der VwGH habe in unzähligen Entscheidungen ausgeführt, dass bei Sanierungen im Rahmen eines Ausgleiches der Verzicht auf die Abgabenschulden zur Sanierung des Unternehmens beitragen könne, weswegen in einem solchen Fall die Einhebung der gesamten Abgabenschulden unbillig sei. Dies müsse nicht nur für die KEG sondern auch für die Komplementäre gelten, da ja ansonsten eine Nachsicht für eine KEG de facto niemals in Frage kommen könne, weil bei Entrichtung durch einen Komplementär die KEG den Betrag ja weiterhin schulde, nämlich dem Gesellschafter. Es sei sowohl der Zahlungswille der beteiligten Personen unter Beweis gestellt worden, als auch habe sich der Rückstand entscheidend vermindert. Festzuhalten ist, dass die SP-KEG mit 1. Oktober 2002 im Firmenbuch gelöscht worden ist, und die L-GmbH&CoKEG als deren Rechtsnachfolgerin (steuerliche Gesamtrechtsnachfolge) anzusehen ist. Die S-Bank hat der Nachsichtswerberin vereinbarungsgemäß einen Betrag von € 98.108,33 nachgelassen, was in etwa einem Prozentsatz von 14% der gesamten Verbindlichkeiten entsprach.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß Abs. 2 findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, welche nach der Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein kann, ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Wie der VwGH wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, kann die Einhebung der (vollen) Abgabenschuldigkeiten unbillig iSd § 236 Abs. 1 BAO sein, wenn im Rahmen eines allgemeinen, quotenmäßigen Forderungsverzichtes (Ausgleiches) ein Verzicht auf die Abgabenforderungen zur Sanierung des Unternehmens mit beitragen kann (VwGH 22.2.2000, 94/14/0144; 24.9.1999, 99/14/0118 mwN). Im berufungsgegenständlichen Fall ist im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleiches vom zweiten, neben dem Finanzamt bestehenden Gläubiger, S-Bank, ein Forderungsnachlass in der Höhe von ungefähr 14% der Gesamtforderungen gewährt worden. Damit kann hier sehr wohl im Lichte der Rechtsprechung des VwGH davon ausgegangen werden, dass das Tatbestandsmerkmal der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles als gegeben anzunehmen ist. Eine (teilweise) Nachsicht der Abgaben kann zur Sanierung des Unternehmens mit beitragen, eine völlige Überschuldung liegt nicht vor, die Nachsicht geschieht nicht zum Vorteil der übrigen Gläubiger. Muss das Vorliegen der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung in einem ersten Schritt bejaht werden, so ist nach ebenso ständiger Rechtsprechung des VwGH in weiterer Folge nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit im Bereich des Ermessens zu entscheiden (z.B. VwGH 24.9.2002, 2002/14/0082), da § 236 Abs. 1 BAO eine Ermessensentscheidung beinhaltet. Gemäß § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Da im berufungsgegenständlichen Fall ein Gesamtschuldverhältnis gegeben ist, müssen die Voraussetzungen für die Nachsicht - also auch die Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsvoraussetzungen - bei allen drei Gesamtschuldnern vorliegen (VwGH 20.9.1996, 93/17/0007; 17.12.1992, 91/16/0075). Im berufungsgegenständlichen Fall ist die hohe Umsatzsteuerschuld dadurch entstanden, dass in der Vergangenheit über Jahre Umsatzsteuer nicht abgeführt worden ist, welche von einer im selben Familienverband gehaltenen Gesellschaft als Vorsteuer beansprucht worden ist. Konkret hat die VJ-GmbH Vorsteuerbeträge aus Pachtzahlungen in Millionenschillinghöhe geltend gemacht, wohingegen die SP-KEG diese Umsatzsteuerbeträge aus den Pachteinnahmen nicht abgeführt hat. Dieser Feststellung ist die Bw. in ihrer Berufung nicht entgegengetreten, sondern sie hat lediglich darauf hingewiesen, dass etwaiges Fehlverhalten in der Vergangenheit nicht ungeschehen gemacht werden könne und im Hinblick auf das nunmehrige Wohlverhalten nicht in den Vordergrund gestellt werden sollte. Wohl aber hat die Bw. in der Berufung bestritten, dass kein Zahlungswille der Beteiligten vorhanden gewesen sei, wie es im Abweisungsbescheid zum Ausdruck gebracht wurde.
Zur Beurteilung dieses Punktes ist von folgender Aktenlage auszugehen (die erfolgten Zahlungen sind mit Ausnahme der laufenden Umsatzsteuerzahlungen aufgelistet): 8. November 1999 : Ergehen des Haftungsbescheides an Herrn S. als persönlich haftenden Komplementär der SP-KEG; 16. November 2000: Pfändung der Pachtschuld der VJ-GmbH an die SP-KEG; 28. November 2000: Abweisung des ersten Nachsichtsansuchens mit dem Hinweis auf die Vervielfachung des Rückstandes seit der Betriebsprüfung 1995, welche die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer aus den Pachteinnahmen von der VJ-GmbH feststellte und auf nicht eingehaltene Zahlungsvorschläge hinwies. 5. Dezember 2000: Vorsprache von Herrn S. wegen Verringerung der Zahlungen, Vorschlag von drei Zahlungsvarianten seitens des Finanzamtes; 14. Dezember 2000: "Variante 1" wird schriftlich angenommen (monatliche Zahlungen von S 70.000,00 und Entrichtung laufender Zahlungen werden zugesagt); 17. Jänner 2001: Zahlung von S 70.000,00;. 16. Feber 2001: Zahlung von S 70.000,00 14. Mai 2001: Schreiben des Finanzamtes, dass Zahlungen für 03 und 04/2001 nicht erfolgt seien, Drohung mit Einbringung einer Drittschuldnerklage an die VJ-GmbH seitens der Finanzprokuratur; 22. Oktober 2001: Mahnschreiben an die VJ-GmbH z.Hd. Herrn S., Hinweis auf fehlende Zahlungen und konkrete Inaussichtstellung der Drittschuldnerklage; 8. November 2001: Vorsprache von Herrn S.;von VJ-GmbH wurden S 193.626,00 für die KEG an deren Gläubiger, jedoch nicht an das Finanzamt bezahlt; 26. November 2001: Vom Finanzamt wird anlässlich einer Vorsprache der Schuldner erklärt, S 193.626,00 seien an das Finanzamt zu entrichten, ansonsten erfolge eine Drittschuldnerklage, da vereitelte Forderungspfändung vorliege. Diese Bezahlung wird zugesagt und erfolgt am 18. Dezember 2001 mit S 200.000,00; am 19. Dezember 2001 werden S 15.273,00 eingezahlt; 18. März 2002: Pfändung von 30% des monatlich an Herrn S. auszuschüttenden Gewinnanteiles an der D-KG, an welcher Herr S. beteiligt ist (unter Berücksichtigung des Existenzminimums von Herrn S. und dessen Familie wird lediglich auf 30% des Gewinnanteiles zugegriffen); 20. März 2002: Telefonat von Herrn S. mit Finanzamt wegen jüngst gesetzter Pfändungsmaßnahmen. Er teilt mit, dass daran gedacht sei, S 550.000,00 über Unterstützung des Landes und zusätzlich S 100.000,00 seinerseits sofort zur teilweisen Rückstandstilgung zu bezahlen. Weiters sei er bereit, S 15.000,00 in monatlichen Raten zu bezahlen. Der Aktenvermerk über dieses Telefongespräch wird Herrn S. auf seine Bitte hin nachweislich mit Rückschein übermittelt. 6. Mai 2002: Anfrage an steuerliche Vertretung, warum die am 20. März 2002 zugesagten Zahlungen nicht erfolgt seien unter Hinweis auf Durchsetzung der Pfändung des Gewinnanteiles an der D-KG. 24. Mai 2002: Zahlung von € 25.500 (S 350.887,650) als Teil der Subvention vom Land; 11. Juni 2002: Mitteilung der steuerlichen Vertretung, dass Zahlungserleichterungsansuchen innerhalb der nächsten beiden Wochen gestellt wird, mit laufender Ratenzahlung von € 1.000,00 ab 07/02. 14. August 2002: Mahnschreiben an die D-KG als Drittschuldnerin, da bisher noch keine Zahlungen eingelangt seien mit der Aufforderung, die ab 04/02 ausstehenden Beträge nachzuzahlen und laufende Zahlungen zu leisten, da ansonsten die Klage über die Finanzprokuratur erfolgen werde. 23. August 2002: Zahlungsvereinbarung mit Herrn S.: Einmalzahlung von € 24.717,42 für Juli- und Augustrate 2002, Oktoberzahlung 2002 und rückständige Umsatzsteuer für 05/02. Es wird seitens des Finanzamtes zugesichert, bei Einhaltung des Zahlungsplanes von weiteren Einbringungsmaßnahmen abzusehen. Außerdem wird die Frist des Mahnschreibens an die D-KG um zwei Wochen verlängert, bleibt jedoch inhaltlich aufrecht. Die versprochene Zahlung wird am 5. September 2002 idHv € 24.717,42 getätigt und die laufenden Raten von € 1.000,00 werden nunmehr rechtzeitig entrichtet. Mit 3. November 2004 ist der Rückstand getilgt.
Wenn wie in der Berufung dargelegt, ein Zahlungswille der Beteiligten seit Sommer 2001 gegeben gewesen sein sollte, so hat er sich jedenfalls nicht durch konkrete Handlungen (= Zahlungen) der Schuldner manifestiert. In freier Beweiswürdigung ist nach der Akten- und Buchungslage evident, dass die "Zahlungswilligkeit" des Gesamtschuldners, Herrn S. immer dann zustande gekommen ist, wenn das Finanzamt ankündigte, weitere, konkrete Vollstreckungsmaßnahmen zu setzen. Die seinerseits gemachten Zusagen hat er entweder gar nicht oder nur auf Druck des Finanzamtes eingehalten. Im Erkenntnis vom 24.9.2002, 2002/14/0082 hat der VwGH ausgesprochen, dass im Hinblick darauf, dass die Reduktion des Abgabenrückstandes in erster Linie auf insofern erfolgreiche Exekutionsmaßnahmen zurückzuführen ist, der Gerichtshof nicht finden könne, dass der Steuerpflichtige eine im Rahmen des Ermessens in entscheidender Weise als Billigkeitsgrund zu berücksichtigende Zahlungswilligkeit an den Tag gelegt hätte. In Anlehnung an diese Rechtsprechung vermag auch der UFS im vorliegenden Fall keine berücksichtigungswürdige Zahlungswilligkeit aller Gesamtschuldner zu erkennen.
Es ist somit nach der Aktenlage davon auszugehen, dass eine Nachsicht der Abgaben aus Billigkeitsgründen im Sinne einer gesetzeskonformen Ermessensübung nicht zu gewähren ist, da die Entstehung der Abgabenforderung (vgl. dazu VwGH 24.9.1999, 99/14/0118; 18.1.1996, 93/15/0165), und der nicht gegebene, nur aufgrund der drohenden Einhebungsmaßnahmen vorhandene Zahlungswille, insbesondere beim Gesamtschuldner Herrn S., eine Nachsicht unbillig erscheinen lassen (siehe auch die diesbezüglichen und alle weiterführenden Ausführungen im Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom 1. September 2004). Daran vermag auch der Umstand, dass dem Finanzamt bekannte Sanierungsbestrebungen im Gange waren und die laufende Umsatzsteuerschuld großteils fristgerecht entrichtet wurde, nichts zu ändern. Auch wenn eine Steuernachsicht zur Gesundung des Betriebes beitragen kann und insoweit die Zweckmäßigkeit der Nachsicht bejaht werden könnte, ist im Rahmen der Zweckmäßigkeit zudem die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die Steuergerechtigkeit und insbesondere das Gebot, steuerunehrliches Verhalten (im Hinblick auf die Entstehung der Steuerschuld) nicht auch noch durch eine Nachsicht zu belohnen, zu beachten, was eine Nachsicht im vorliegenden Fall als letztlich doch nicht zweckmäßig erscheinen lässt. Weiters ist aus dem Aspekt der Verwaltungsökonomie die Nachsicht einer mit hohem administrativen Aufwand letztlich doch vollständig hereingebrachten Abgabenforderung auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Einbringung ausstehender Abgaben höchst unzweckmäßig.
Da eine Abgabennachsicht im berufungsgegenständlichen Fall nach den oben angeführten Gründen weder billig noch zweckmäßig ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am 31. Jänner 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Nachsicht, Zahlungswille, Ermessen, Unbilligkeit, Sanierungsmaßnahmen, Forderungsverzichte übriger Gläubiger |
Verweise: |