VwGH 2005/06/0176

VwGH2005/06/017615.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. der X und 2. des Y, beide in Z, beide vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 20. April 2005, Zl. BHBL-I-4102.03-2003/0007, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. W Ges.m.b.H. in Z, 2. Stadt Bludenz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §29;
BauG Vlbg 2001 §25;
BauRallg;
AVG §39 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §29;
BauG Vlbg 2001 §25;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. August 2002 wurde der Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf einem im Gebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde gelegenen Grundstück erteilt. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks. Es handelt sich um ein Gebäude mit Erdgeschoß, Obergeschoß und Dachgeschoß mit einer Grundfläche von 118,3 m2. Das Projekt sah die Ausbildung eines Walmdaches vor. Bereits damals wurde ein Carport für fünf PKW, dessen begehbare Fläche als Kinderspielplatz gewidmet war, bewilligt. Dagegen erhobene Berufungen (u.a. der Beschwerdeführer) wurden mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 12. März 2003 abgewiesen, der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. April 2003 keine Folge gegeben.

Mit Eingabe vom 2. Juni 2004 stellte die Erstmitbeteiligte an den Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Antrag auf Genehmigung der Errichtung einer Solaranlage zur Warmwasserbereitung für die Wohnanlage und führte aus, dass die Kollektoren "auf dem geplanten Flachdach aufgestellt" werden. Mit weiterer Eingabe vom 3. Juni 2004 übermittelte die Erstmitbeteiligte einen Plansatz des bewilligten Bauvorhabens mit darin enthaltenen Planabweichungen mit der Bitte, diese zu bewilligen. Im Wesentlichen seien dies: "Ersatz des Blech-Walmdaches durch ein Flachdach, Änderung der Terrassengestaltung, Weglassen von Stützmauern sowie Anpassung des Geländes". Der Schritt vom Blech-Walmdach zum Flachdach könne seitens der Nachbarn nur begrüßt werden, weil das Haus dabei an Höhe und das Dach seine lästige Blendwirkung verliere.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte der Erstmitbeteiligten gemäß den §§ 28 Abs. 1 und 29 Abs. 1 i.V.m.

§ 18 Abs. 1 lit. a und § 35 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) auf Grund der Eingaben vom 2. Juni 2004 und vom 3. Juni 2004 "die Bewilligung für die geänderte Ausführung der mit Bescheid vom 18. August 2002, ..., bewilligten Wohnanlage". Im Wesentlichen seien folgende Änderungen vorgesehen: "Ausführung des Gebäudes mit Flachdach an Stelle des bisher geplanten Walmdaches, Änderungen in der Terrassengestaltung (südseitig), Weglassen von Stützmauern und Angleichung des Geländes (südseitig), außerdem sollen Änderungen an den Fenstergrößen und in der Fensteranordnung" vorgenommen werden. Weiters sei vorgesehen, die Sonnenkollektoren nunmehr in zwei Gruppen auf dem Dach (ursprünglich im Walmdach integriert) mit einer Bruttofläche von etwa 17,6 m2 aufzubauen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände und Abstandsflächen würden eingehalten bzw. ragten diese nicht über die Mitte der angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie geltend machten, dass gemäß § 29 Abs. 1 des alten Vorarlberger Baugesetzes (gemeint: des mit Inkrafttreten des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 52/2001, gemäß dessen § 57 Abs. 3 am 1. Jänner 2002 außer Kraft getretenen Vorarlberger Baugesetzes aus 1972) eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre. Die Mindestabstände seien durch das Carport, das einen Bestandteil der Wohnanlage bilde, nicht eingehalten. Auch seien die Bestimmungen der Kinderspielplatzverordnung verletzt, weil die für den Kinderspielplatz vorgesehene Fläche dafür nicht geeignet sei.

Auf Grund des Beschlusses der Berufungskommission der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 6. Oktober 2004 wurde die Berufung der Beschwerdeführer mit dem vom Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde ausgefertigten Bescheid vom 7. Oktober 2004 abgewiesen. Eine mündliche Verhandlung sei nicht erforderlich gewesen, zumal den Nachbarn mit Schreiben vom 8. Juni 2004 Parteiengehör eingeräumt worden sei. Die Erstbehörde sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Bestimmungen des "neuen Baugesetzes", LGBl. Nr. 52/2001 i.d.F. LGBl. Nr. 23/2003, anzuwenden seien.

Das gegenständliche Carport sei allseits offen und nicht mit Wänden umschlossen, und es handle sich daher um ein Bauwerk, für das die Abstände gemäß § 6 Abs. 2 BauG gälten, wonach bei oberirdischen Bauwerken, die keine Gebäude seien, der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m zu betragen habe. Der vorgesehene Abstand zur Nachbargrenze betrage im vorliegenden Fall 2,40 m, die Abstandsvorschriften würden daher eingehalten. Mit der behaupteten Missachtung der Bestimmungen der Kinderspielplatzverordnung machten die Beschwerdeführer keine subjektiv-öffentlichen Rechte im Sinne des § 26 BauG geltend, diesbezügliche Einwendungen seien zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, der mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde. Begründet wurde dies damit, dass auf das vorliegende Baubewilligungsverfahren die Bestimmungen des neuen Vorarlberger Baugesetzes anzuwenden gewesen seien. Die verfahrenseinleitenden Anträge seien mit Schreiben vom 2. Juni 2004 und vom 3. Juni 2004 gestellt worden, somit nach Inkrafttreten des neuen Baugesetzes am 1. Jänner 2002. Daher sei gemäß § 56 Abs. 1 BauG auch das neue Baugesetz (2001) und nicht gemäß § 56 Abs. 2 BauG das alte Vorarlberger BauG 1972 auf das Bewilligungsverfahren anzuwenden.

Gemäß § 25 Abs. 2 BauG 2001 sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zwingend vorgesehen und die Parteien hätten auch nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 AVG keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung. Die Behörde erster Instanz habe die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. Juni 2004 über das gegenständliche Änderungsprojekt informiert und sie auf die Möglichkeit der Vornahme der Akteneinsicht sowie der Erhebung von Einwendungen binnen einer Frist von zehn Tagen förmlich hingewiesen.

Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände und Abstandsflächen gegenüber der Liegenschaft der Beschwerdeführer würden durch die erteilte Baubewilligung eingehalten und die belangte Behörde könne auch nicht die Verletzung eines anderen in § 26 BauG taxativ aufgezählten Nachbarrechtes erkennen, was von den Beschwerdeführern auch gar nicht behauptet werde.

Hinsichtlich des Carports und dessen Verbindung mit der Wohnanlage und die Abstände des Carports zur Grundgrenze der Beschwerdeführer habe eine Projektsänderung nicht stattgefunden. Aus dem Grundsatz, dass ein Bauvorhaben im Allgemeinen ein unteilbares Ganzes ist, könne aber nicht abgeleitet werden, dass jede Projektsänderung neue Einwendungen auch in Bereichen ermögliche, in denen das bisherige Projekt überhaupt nicht geändert worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0247).

Über diese Einwendung sei im Übrigen bereits mit Bescheid der Vorstellungsbehörde vom 30. April 2003 rechtskräftig entschieden worden, sodass insoweit res iudicata vorliege. Res iudicata liege aus demselben Grund auch hinsichtlich der Einwendung der Beschwerdeführer vor, dass die Flächen für Kinderspielplätze zu klein und nicht den Anforderungen der Kinderspielplatzverordnung entsprechend angelegt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), trat seinem § 57 Abs. 1 zufolge am 1. Jänner 2002 in Kraft.

Gemäß § 56 Abs. 2 leg. cit. sind Baubewilligungs- und Bauanzeigeverfahren in Angelegenheiten dieses Gesetzes, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Vorschriften zu beenden. Sonstige vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits eingeleitete Verfahren in Angelegenheiten dieses Gesetzes sind nach den bisher geltenden Vorschriften zu beenden, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in erster Instanz bereits abgeschlossen sind.

Gemäß § 18 Abs. 1 lit. a BauG bedürfen die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden, ausgenommene jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind, einer Baubewilligung.

Gemäß § 26 Abs. 1 BauG hat der Nachbar im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;

  1. b) §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;
  2. c) § 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist.

    Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil nach ihrer Auffassung das Vorarlberger Baugesetz LGBl. Nr. 39/1972 i.d.F. LGBl. Nr. 64/2000 (BauG 1972) anzuwenden gewesen sei, nach dessen § 29 zwingend eine mündliche Bauverhandlung durchzuführen gewesen sei. Die belangte Behörde habe auch nicht ausreichend begründet, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung habe abgesehen werden können.

    Mit diesem Einwand zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Unbestritten wurden nämlich jene Eingaben vom 2. und 3. Juni 2004, mit welchen das gegenständliche Bauvorhaben der Errichtung einer Solaranlage sowie von Änderungen der Baubewilligung insbesondere im Bereiche des Daches beantragt worden waren, im zeitlichen Geltungsbereich des BauG eingebracht und durch diese Anträge selbstständige Baubewilligungsverfahren eingeleitet. Dass durch diese Anträge bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen BauG eingeleitete Verfahren nur fortgesetzt worden wären, weshalb allenfalls in Anwendung des § 56 Abs. 2 BauG auf diese Anträge das BauG 1972 zur Anwendung gelangt wäre, kann nicht erkannt werden.

    Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass nach den Bestimmungen des BauG, insbesondere dessen § 25 nunmehr die Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung nicht mehr zwingend vorgesehen ist. Ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, kann vielmehr die Behörde im Einzelfall unter Beachtung der Regelungen des AVG bestimmen. Sie hat sich dabei von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (§ 39 Abs. 2 AVG). Im Motivenbericht zum § 25 BauG (wiedergegeben von Germann/Hämmerle, Das Vorarlberger Baugesetz, 2002, 109) ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn das Bauvorhaben einigermaßen komplex und/oder mehrere Nachbarn Parteien sind, es im Sinne des § 39 Abs. 2 AVG in der Regel zweckmäßig sein werde, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

    Die Auffassung der belangten Behörde kann im vorliegenden Fall aber nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung nicht als gegeben erachtet hat, zumal das im vorliegenden Fall zu beurteilende Bauprojekt keine gravierenden Änderungen der bereits erteilten Baubewilligung betraf und die Beschwerdeführer trotz Gelegenheit zu Akteneinsicht und Stellungnahme keine zielführenden Einwendungen erhoben haben.

    Wenn die Beschwerdeführer meinen, das Carport habe dadurch seinen Charakter geändert, dass sein Dach nunmehr als Kinderspielplatz vorgesehen sei, und es dadurch mit der Wohnanlage verbunden werden müsse und somit zu deren Bestandteil werde, so meinen sie offensichtlich, das Carport sei dergestalt Teil der Wohnanlage geworden, weshalb ein Abstand von 2,4 m zu ihrem Grundstück nicht ausreiche. Mit diesem Einwand zeigen die Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil es sich bei dem gegenständlichen Carport nach wie vor nur um ein oberirdisches Bauwerk handelt, das kein Gebäude ist, weil es nicht mehr als zur Hälfte durch Wände abgegrenzt ist und trotz seiner Nähe zu dem Wohnhaus als selbstständiges Bauwerk zu qualifizieren ist, das kein Gebäude darstellt. Das Dach des Carports war bereits in der Baubewilligung vom 18. August 2002 als "Kinderspielplatz" bezeichnet worden, insoferne hat keine Projektsänderung stattgefunden. Der belangten Behörde kann mit Erfolg nicht entgegen getreten werden, wenn sie insoferne res iudicata annahm. Auch in sonstiger Hinsicht ist eine für die Beschwerdeführer als Nachbarn relevante Änderung nicht zu ersehen.

    Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

    Wien, am 15. September 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte