VwGH 2008/21/0432

VwGH2008/21/043223.10.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der IS in W, geboren 1979, vertreten durch Dr. Erwin Senoner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Alserstraße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 2008, Zl. BMI-1013934/0002-II/3/2008, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die 1979 geborene Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste gemäß ihren Angaben am 13. Dezember 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde am 28. Jänner 2000 erstinstanzlich abgewiesen, zugleich sprach das Bundesasylamt aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig sei. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung zog die Beschwerdeführerin am 14. Februar 2005 zurück.

Mittlerweile war die Beschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 17. Juli 2001 rechtskräftig wegen Begehung des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG, § 15 StGB als Beteiligte gemäß § 12 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt worden. Das Strafgericht stellte u.a. fest, dass die Beschwerdeführerin als untergeordnete Gehilfin ihres damaligen Lebensgefährten, von dem sie ein Kind erwarte, bei Suchtgiftverkäufen anwesend gewesen sei, wobei sie - bis 9. März 2001 - dazu beigetragen habe, dass zumindest eine große, aber nicht mehr genau festzustellende Menge von Heroin/Kokain in Verkehr gesetzt worden sei.

Im Hinblick auf die dargestellte strafgerichtliche Verurteilung erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gegen die Beschwerdeführerin mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 5. September 2002 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot.

Am 21. September 2004 heiratete die Beschwerdeführerin einen österreichischen Staatsbürger, am 9. August 2006 brachte sie ein eheliches Kind zur Welt. Insbesondere unter Bezugnahme auf ihre Eheschließung beantragte sie nachfolgend die Aufhebung des gegen sie verhängten Aufenthaltsverbotes. Die Bundespolizeidirektion Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 9. November 2006 ab, der dagegen erhobenen Berufung gab die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG keine Folge.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie die Beschwerdeführerin - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG in Betracht kommt (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0004). Nach der zuletzt genannten Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Unter Bezugnahme auf § 86 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde zunächst auf die Straftat der Beschwerdeführerin verwiesen. "Darüber hinaus" sei - so die belangte Behörde weiter - die seit der Verurteilung der Beschwerdeführerin "im Jahr 2002" vergangene Zeitspanne zu kurz, um aus dem Unterbleiben weiterer Verurteilungen auf eine Läuterung durch die Verhängung und Vollstreckung der bedingten Freiheitsstrafe schließen zu können.

Dem ist vorerst zu entgegnen, dass die Verurteilung der Beschwerdeführerin nicht im Jahr 2002, sondern bereits im Juli 2001 erfolgte, und dass nicht nachvollziehbar ist, was die belangte Behörde unter "Vollstreckung der bedingten Freiheitsstrafe" versteht. Davon abgesehen ist aber zu betonen, dass bei Beurteilung der weiteren Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin nicht auf ihre strafgerichtliche Verurteilung, sondern auf das zu dieser Verurteilung führende strafbare Verhalten abzustellen gewesen wäre, welches nach dem Akteninhalt bereits am 9. März 2001 beendet wurde. Mithin ergibt sich bezogen auf den hier maßgeblichen Bescheiderlassungszeitpunkt ein mehr als siebenjähriges strafrechtliches Wohlverhalten der Beschwerdeführerin, sodass - zumal angesichts ihres im Strafurteil festgestellten untergeordneten Tatbeitrages und ihrer seither wesentlich geänderten familiären Lebensumstände - nicht zu sehen ist, inwieweit von der Beschwerdeführerin unter dem von der belangten Behörde allein herangezogenen Blickwinkel des seinerzeitigen strafrechtlichen Fehlverhaltens eine konkrete, aktuelle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen soll. Der bekämpfte Bescheid erweist sich demnach als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin infolge Bewilligung der Verfahrenshilfe von der Entrichtung dieser Gebühr vorläufig befreit worden ist.

Wien, am 23. Oktober 2008

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