Normen
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrPolG 2005 §51 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrPolG 2005 §51 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
1. Der zweitangefochtene Bescheid (St 97a/079) betreffend die Feststellung gemäß § 51 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Die Beschwerde wird im Übrigen, nämlich soweit sie sich gegen den erstangefochtenen Bescheid (St 97/07) betreffend Ausweisung richtet, als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 25,75 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine aus dem Kosovo stammende (bisher) serbische Staatsangehörige, war bereits 1999 als Flüchtling in Österreich aufhältig, reiste aber dann zur Betreuung ihres Vaters in den Kosovo zurück. Die Beschwerdeführerin kam nach dessen Tod im September 2006 gemeinsam mit ihrer Schwester wieder nach Österreich und sie hält sich seit damals bei ihrem Bruder, einem österreichischen Staatsbürger, in Steyr auf.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 14. September 2006 stellten die Beschwerdeführerin und ihre Schwester, die sich als "Staatsangehörige der nicht anerkannten Republik Kosova" bezeichneten, einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit ihrer Abschiebung nach "Serbien-Kosova". Sie seien im Kosovo nach dem Tod des Vaters ohne männlichen Schutz und bereits wiederholt von Frauenhändlern kontaktiert und bedroht worden. Da die organisierte Kriminalität sehr mächtig sei, hätten sie beschlossen, sich dem Zugriff dieser Mädchen- und Frauenhändler zu entziehen und nach Österreich zu ihrem Bruder zu flüchten. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde beantragt, zur Beurteilung der tatsächlichen Rückkehrgefährdung einen Erhebungsbericht der Außenstelle der österreichischen Botschaft in Pristina einzuholen sowie die Beschwerdeführerin, ihre Schwester und ihren Bruder persönlich zu vernehmen.
Mit Bescheid vom 13. März 2007 wies die Bundespolizeidirektion Steyr die Beschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus (Spruchpunkt I). Weiters stellte sie gemäß § 51 Abs. 1 FPG fest, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin "in Serbien" gemäß § 50 Abs. 1 oder 2 FPG bedroht sei. Der dagegen erhobenen, am 4. April 2007 bei der Erstbehörde eingelangten Berufung gab die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden vom 29. April 2008 keine Folge und bestätigte jeweils die angefochtenen Spruchpunkte.
Die Entscheidung betreffend die Ausweisung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer illegalen Einreise im September 2006 etwa eineinhalb Jahre ohne aufenthaltsrechtliche Bewilligung im Bundesgebiet aufhalte. Durch die Ausweisung werde nicht in relevanter Weise in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen. Demgegenüber werde die öffentliche Ordnung schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten der Beschwerdeführerin zu üben. Das der Beschwerdeführerin vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (illegaler Aufenthalt in der Dauer von eineinhalb Jahren) überwiege nämlich das private Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich und es seien nach der Aktenlage auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin begründen würde.
Hinsichtlich der Bestätigung des Ausspruchs nach § 51 Abs. 1 FPG verwies die belangte Behörde auf die im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die Situation im Kosovo, insbesondere in Bezug auf den Menschenhandel und auf die zu seiner Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen. Danach sei der Kosovo zwar immer noch ein wichtiger Umschlagplatz, aber auch Ziel- und Ursprungsland für den Menschenhandel. UNMIK und KPS (Kosovo Police Service) versuchten aber immer wieder durch Intensivierung des Kampfes gegen die Menschenhändler das Problem allmählich in den Griff zu bekommen. Daran anknüpfend vertrat die belangte Behörde - nach der Zitierung von Rechtsvorschriften und der Wiedergabe von Rechtssätzen aus der (zum Teil nicht mehr aktuellen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe lediglich auf das Problem des Menschenhandels im Kosovo verwiesen. Sie habe aber in keinster Weise dargetan, dass der Heimatstaat außer Stande wäre, sie im Fall einer tatsächlichen Gefährdung in dieser Hinsicht ausreichend zu schützen.
Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
1. Zum erstangefochtenen Bescheid betreffend Ausweisung:
1.1. Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.
1.2. In der Beschwerde wird weder bestritten, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Einreise im September 2006 unrechtmäßig in Österreich aufhält und der genannte Ausweisungstatbestand erfüllt ist, noch wird der Auffassung der belangten Behörde entgegengetreten, dass durch die Ausweisung kein maßgeblicher Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin bewirkt werde. Vielmehr sind der Beschwerde keine Ausführungen zu entnehmen, die sich inhaltlich gegen die verfügte Ausweisung richten.
1.3. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Zum zweitangefochtenen Bescheid betreffend den Ausspruch nach § 51 Abs. 1 FPG:
2.1. In der Beschwerde wird kritisiert, dass die erstinstanzliche Behörde den Ausspruch nach § 51 FPG auf "Serbien" bezogen habe und die belangte Behörde daraus gefolgert habe, somit sei die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach "Serbien bzw. Kosovo" zulässig. Es liege somit im Ermessen der Fremdenpolizeibehörde, die Beschwerdeführerin entweder nach Belgrad oder nach Pristina abzuschieben. Das eröffne somit die Möglichkeit, die Beschwerdeführerin in ein "Staatsgebilde" abzuschieben, dem sie nach der Unabhängigkeitserklärung der vormals serbischen Provinz Kosovo vom 17. Februar 2008 nicht mehr angehöre.
2.2. Dem kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
2.2.1. In seiner asylrechtlichen Judikatur legte der Verwaltungsgerichtshof nämlich zugrunde, dass es sich beim Kosovo seit Institutionalisierung der UN-Verwaltung um einen eigenen Herkunftsstaat im Sinne des § 1 Z 4 AsylG 1997 handelt, der neben den Staat Serbien und Montenegro (früher: Bundesrepublik Jugoslawien, nunmehr Republik Serbien) tritt. Davon wurde insbesondere auch im Zusammenhang mit der Non-Refoulement-Prüfung nach § 8 AsylG 1997 ausgegangen. Das zog als Konsequenz u.a. nach sich, dass Aussprüche nach § 8 AsylG 1997, die sich auf die "Bundesrepublik Jugoslawien" bezogen, sich jedoch inhaltlich auf die Beurteilung der Situation im Kosovo beschränkten, mit Rechtswidrigkeit behaftet waren (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2002/21/0157, mit weiteren Nachweisen). Diese Überlegungen gelten umso mehr nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und der Anerkennung durch Österreich.
2.2.2. Auch im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - durch die Bestätigung von Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides - bei ihrer Entscheidung nach § 51 Abs. 1 FPG spruchmäßig nur über eine Bedrohung der Beschwerdeführerin "in Serbien" abgesprochen, in der Begründung jedoch lediglich auf die Verhältnisse im Kosovo Bezug genommen. Angesichts dessen, dass sich die Entscheidung nach § 51 Abs. 1 FPG als das fremdenpolizeiliche Gegenstück zur Entscheidung der Asylbehörden nach § 8 AsylG 1997 über die (Un)Zulässigkeit der Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat darstellt, erweist sich das nach dem Gesagten als verfehlt. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin, die sich im Rubrum ihres Antrages auch ausdrücklich als Staatsangehörige der (damals) nicht anerkannten Republik Kosova bezeichnete, ihren Antrag lediglich auf den Kosovo bezogen hat, weshalb auch nur hinsichtlich des Kosovo eine Entscheidung nach § 51 Abs. 1 FPG hätte getroffen werden dürfen. Schon deshalb erweist sich der zweitangefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.
2.3. Für das weitere Verfahren ist aber noch anzumerken, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, sich mit den Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester in der (erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommenen) niederschriftlichen Befragung durch die Bundespolizeidirektion Steyr am 28. März 2007 auseinander zu setzen. Das wäre aber vor allem deshalb geboten gewesen, weil sich dieser Niederschrift die näheren Schilderungen zu den Lebensumständen der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester in ihrem Heimatland und über die behaupteten Nachstellungen durch Menschenhändler entnehmen lassen. In diesem Zusammenhang könnte auch dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Veranlassung diesbezüglicher Ermittlungen durch die Botschaftsaußenstelle in Pristina Bedeutung zukommen. Die den zweitangefochtenen Bescheid tragende behördliche Annahme ausreichender staatlicher Schutzgewährung für die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau vor den Machenschaften von Menschenhändlern ließe sich in schlüssiger Weise nämlich nur vor dem Hintergrund der individuell zu befürchtenden Verfolgungsmaßnahmen und auf der Basis von konkreten Feststellungen zu staatlichen Maßnahmen zu ihrer wirkungsvollen Unterbindung beurteilen.
2.4. Der zweitangefochtene Bescheid war aber schon wegen der oben unter Punkt 2.2. aufgezeigten prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 52 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der Bund hat der Beschwerdeführerin den Schriftsatzaufwand und die Eingabengebühr für die gegen den zweitangefochtenen Bescheid erfolgreiche Beschwerde, die Beschwerdeführerin dagegen hinsichtlich des die Beschwerde abweisenden Ausspruchs dem Bund den halben Vorlageaufwand zu ersetzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 2004, Zlen. 2001/21/0139, 0140).
Wien, am 18. September 2008
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