Normen
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs3;
BEinstG §8 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs3;
BEinstG §8 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei ist ein Verein, dessen Ziel die Beschäftigung von langzeitarbeitslosen und behinderten Menschen ist. Der Beschwerdeführer ist seit dem 1. Jänner 1996 bei der Mitbeteiligten, zuletzt im Rahmen eines geförderten Sonderprogramms, beschäftigt. Mit dem am 24. März 2006 beim Bundessozialamt, Landesstelle Vorarlberg, eingelangten Schreiben beantragte die Mitbeteiligte die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers. Sie führte aus, dass sie vom Arbeitsmarktservice Förderungsmittel für Beschäftigungsprojekte erhalte. Der Beschwerdeführer arbeite bei der Mitbeteiligten im Rahmen eines befristet geförderten Sonderprogramms. In diesem Sonderprogramm bearbeite er mit einigen anderen Mitarbeitern Aufträge eines namentlich genannten Auftraggebers, der zur Gewährleistung einer gleich bleibenden Qualität die dauerhafte Beschäftigung von Personen in diesem Bereich verlangt habe. Seit dem Jahr 2003 habe dieser Auftraggeber die besser bezahlten Auftragsarbeiten reduziert, sodass Einsparungen in Form einer Arbeitszeit- und Lohnreduzierung im Betrieb der Mitbeteiligten notwendig seien. Die Mitbeteiligte habe sich daher entschieden, die bisherige 40-Stunden-Woche (die letzte Stunde einer Woche hätte trotz Bezahlung allerdings nur bei Bedarf gearbeitet werden müssen) auf eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche und damit gleichzeitig die Entlohnung zu reduzieren, "um dem Fortbestand dieses Arbeitsbereiches bzw. in weiterer Folge des gesamten Projektes" gewährleisten zu können. Durch die genannte Maßnahme könnten "bei der derzeitigen Auftragslage 1,5 Personen zusätzlich beschäftigt werden". Ziel des Vereines sei es nämlich, möglichst vielen langzeitarbeitslosen oder behinderten Menschen eine Beschäftigung zu geben. Abgesehen vom Beschwerdeführer hätten sämtliche Mitarbeiter diese Maßnahme akzeptiert. Der Beschwerdeführer habe auf dem Einhalten des bestehenden Arbeitsvertrages mit einer 40-Stunden-Woche bestanden, was nicht nur Unruhe in die einzelnen Abteilungen bringe, sondern auch dazu führen würde, dass der Beschwerdeführer die letzte Arbeitsstunde am Freitag allein im Betrieb wäre. Da dies organisatorisch nicht möglich und eine Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht möglich sei und den "Fortbestand des Projektes" gefährden würde, komme nur eine Kündigung des Beschwerdeführers in Betracht.
Mit Bescheid des Behindertenausschusses für Vorarlberg beim Bundessozialamt wurde gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers "für den Fall erteilt, dass dieser gegenüber dem Dienstgeber nicht binnen 4 Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides verbindlich erklärt, der Verringerung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden und der damit verbundenen aliquoten Lohnreduzierung zuzustimmen".
In der Begründung stellte die Erstbehörde fest, der Beschwerdeführer gehöre infolge einer schizoaffektiven Psychose seit dem Jahre 1977 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 Abs. 1 BEinstG mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. an. Wegen seiner Behinderung habe er sein Studium der Volkswirtschaft abbrechen müssen. Er arbeite bei der Mitbeteiligten, die insgesamt 64 Mitarbeiter beschäftige, gemeinsam mit 12 Dienstnehmern im Rahmen eines Sonderprogramms. Sein monatliches Entgelt betrage zwischen EUR 1.200,-- und EUR 1.300,--, er sei für drei Personen (Lebensgefährtin und zwei Kinder im Alter von 7 und 5 Jahren) unterhaltspflichtig. Als Grund, weshalb er einem teilweisen Lohnverzicht nicht zustimmen könne, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er auf das Einkommen in voller Höhe angewiesen sei. Dem stehe gegenüber, dass im Hinblick auf den Rückgang der Auftragslage auch nach der Stellungnahme des Vertreters des Arbeitsmarktservice eine Einschränkung der Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden gerechtfertigt sei, "um den Bestand des Vereines und den Betriebsfrieden nicht zu gefährden". Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 8 BEinstG gelangte die Erstbehörde zu dem Ergebnis, dass die Zustimmung zu einer "sofortigen Kündigung" eines Behinderten nicht im Sinne des Gesetzes läge, solange als letztes Mittel noch die Möglichkeit bestehe, die Kündigung "durch eine ultimative Forderung abzuwenden". Da es der Mitbeteiligten nach Ansicht der Erstbehörde zumutbar sei, den Beschwerdeführer im Rahmen einer verringerten Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden weiter zu beschäftigen, werde die Zustimmung zur Kündigung nur für den Fall erteilt, dass der Beschwerdeführer weiterhin auf seinem Standpunkt beharre, auch in Zukunft 40 Stunden pro Woche bei vollem Lohn zu arbeiten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er auf die im Arbeitsvertrag zugesicherten 40 Wochenstunden verwies. Außerdem bestritt er, dass die von ihm verlangte Arbeits- und Lohnreduktion aus wirtschaftlichen Gründen für die Mitbeteiligte notwendig sei.
In der Stellungnahme zu dieser Berufung führte die Mitbeteiligte u.a. aus, dass sie sich "nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten" befinde. Die Lohnreduktion sei vielmehr deshalb notwendig, damit sie angesichts der verschlechterten Auftragslage erst gar nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate.
Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung beauftragte die belangte Behörde einen Wirtschaftsprüfer mit der Erstellung eines Gutachtens, ob die Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden pro Woche auf Grund betriebswirtschaftlicher Notwendigkeiten bei der Mitbeteiligten gerechtfertigt sei.
In seinem Gutachten vom 25. Juni 2007 führte der Sachverständige aus, dass die Vermögenslage der Mitbeteiligten zum 31. Dezember 2006 "ein sehr positives Bild" zeige und das Eigenkapital mehr als EUR 500.000,-- betrage. Ausgehend von dieser Vermögens- und Ertragslage ergäbe sich, wenn man alle Arbeitsbereiche der Mitbeteiligten berücksichtige, keine Notwendigkeit für eine Reduktion der Arbeitszeit mit entsprechender Lohnkürzung. Jedoch könne "bei isolierter Betrachtung" der Personalsituation in jenem Arbeitsbereich der Mitbeteiligten, in dem der Beschwerdeführer im Rahmen eines Sonderprogramms tätig sei, eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der Arbeitszeit- und Lohnkürzung wegen der Auftragsrückgänge in diesem Arbeitsbereich gesehen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge und bestätigte den Erstbescheid "mit der Maßgabe, dass die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des Dienstverhältnisses des Dienstnehmers erteilt wird".
In der Begründung stellte sie nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens fest, dass der Beschwerdeführer von der Mitbeteiligten im Rahmen eines geförderten Sonderprogramms beschäftigt sei, und dabei ausschließlich für einen näher bezeichneten Auftraggeber einfache Montagearbeiten durchführe. Die diesbezügliche Auftragslage habe sich in den letzten Jahren verschlechtert. Zwar ergebe sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht keine Notwendigkeit für eine Arbeitszeit- bzw. Lohnkürzung, wenn man alle Arbeitsbereiche der mitbeteiligten Partei berücksichtige. Auf Grund des Rückganges der bislang gut bezahlten Aufträge in jenem Arbeitsbereich, in dem der Beschwerdeführer tätig sei, sei es aber nachvollziehbar, dass die Mitbeteiligte eine entsprechende Kürzung der Arbeitszeit und des Lohnes vornehmen wolle. In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von § 8 BEinstG und der hiezu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus, wonach es Aufgabe der Behörde sei, im Rahmen einer Ermessensentscheidung das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden könne. Im gegenständlichen Fall gehe diese Interessenabwägung nach Ansicht der belangten Behörde zu Lasten des Beschwerdeführers, weil dieser einer Reduzierung der Arbeitszeit nicht zugestimmt habe, obwohl eine solche "im Bereich der Tätigkeit des (Beschwerdeführers) betriebswirtschaftlich notwendig" sei. Es sei "daher - wie auch schon durch die Behörde erster Instanz - die Zustimmung zur Kündigung mit der Maßgabe zu erteilen, dass die Zustimmung zur künftigen Kündigung ohne Ausspruch einer Bedingung" erfolge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer die rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch die belangte Behörde geltend. Ausgehend vom Gutachten des Wirtschaftsprüfers, auf dessen Kernaussagen die belangte Behörde nicht Rücksicht genommen habe, hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass dem Beschwerdeführer die abverlangte Gehaltsreduktion weniger zumutbar sei als der Mitbeteiligten die unveränderte Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses.
§ 8 BEinstG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I
Nr. 82/2005, lautet:
"Kündigung
§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.
(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuß (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften sowie nach Anhörung des zur Durchführung des Landes-Behindertengesetzes jeweils zuständigen Amtes der Landesregierung zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.
(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.
(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn
a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;,
b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;
c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.
..."
Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Erstbehörde die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers "für den Fall erteilt", dass dieser weiterhin der Verringerung seiner Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden und der damit verbundenen Lohnreduzierung nicht zustimmt (vgl. zur so genannten "Änderungskündigung" das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2008, Zl. 2005/11/0088). Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid "mit der Maßgabe bestätigt, dass die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des Dienstverhältnisses des Dienstnehmers erteilt wird". Auch in der Begründung hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die Zustimmung zur künftigen Kündigung des Beschwerdeführers "ohne Ausspruch einer Bedingung" zu erteilen war. Sie hat daher die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers schlechthin (also nicht bloß unter einer Bedingung) erteilt (vgl. auch zur so genannten "Beendigungskündigung" das zitierte Erkenntnis Zl. 2005/11/0088). In der Begründung stützt die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf die - unzutreffende - Rechtsansicht, dass es für die Zustimmung zur Kündigung eines Arbeitnehmers genüge, wenn die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung für einen Teilbereich des Unternehmens des Dienstgebers führe. In dem bereits angesprochenen Erkenntnis Zl. 2005/11/0088 hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen und damit einhergehenden Kündigungen von Arbeitnehmern eine Zustimmung zur Kündigung nur dann zu erfolgen hat, wenn dem Dienstgeber eine Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers im Sinne des § 8 Abs. 3 und 4 BEinstG nicht zugemutet werden kann. Zur Klärung dieser Frage hat die Behörde, wie im zitierten Erkenntnis ausgeführt wurde, die wirtschaftliche "Gesamtsituation" festzustellen und weiters zu prüfen, ob mit der beabsichtigten Maßnahme tatsächlich die erwünschte Auswirkung auf die Wirtschaftslage des Unternehmens erzielt werden kann. Ginge man demgegenüber von der Ansicht der belangten Behörde aus, dass schon wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Notwendigkeiten in einem Teilbereich eines Unternehmens die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten rechtfertigten, so läge es in der Hand eines Arbeitgebers, durch betriebsinterne Maßnahmen wirtschaftlich unrentable Organisationseinheiten bzw. Betriebsbereiche zu schaffen und damit die Kündigung der in diesen Bereichen beschäftigten begünstigten Behinderten zu erreichen, was dem Schutzgedanken des § 8 BEinstG zuwiderliefe.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand nach der genannten Verordnung enthalten ist und andererseits die Eingabegebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG wegen der Gewährung von Verfahrenshilfe nicht zu entrichten war.
Wien, am 18. Juni 2008
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