VwGH 2008/11/0025

VwGH2008/11/002522.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der S in G, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 12. Dezember 2007, Zl. 029149/2007/0012, betreffend Ausfolgung einer Urne nach dem Steiermärkischen Leichenbestattungsgesetz (Mitbeteiliger: G in G, vertreten durch Mag. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 14-16/6), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §16 Abs1;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §23 Abs1;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §23 Abs3;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §23 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §16 Abs1;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §23 Abs1;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §23 Abs3;
LeichenbestattungsG Stmk 1992 §23 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. August 2007 stellte die Beschwerdeführerin ein Ansuchen um Ausfolgung der Urne mit den Aschenresten ihres am 24. Juli 2007 verstorbenen Sohnes. Nach dem Inhalt des Antrages sollte die Urne an der Adresse der Beschwerdeführerin im Wohnzimmer aufbewahrt werden. Sie erklärte ferner unter anderem, es gäbe keine Angehörigen, die Anspruch erheben könnten. Es sei dies der letzte Wunsch des Verstorbenen gewesen.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 9. August 2007 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 23 Abs. 4 des Steiermärkischen Leichenbestattungsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 45, die Bewilligung erteilt, die Urne mit den Aschenresten des am 24. Juli 2007 verstorbenen (Sohnes) in Graz an einer näher genannten Anschrift unter folgenden Auflagen "beizusetzen/zu verwahren: 1. Es dürfen keinerlei sanitär-hygienische Missstände auftreten. 2. Die Urne ist an der im Bescheid ausgewiesenen Adresse aufzubewahren. Jede Änderung des Aufbewahrungsortes ist der Sanitätsbehörde unverzüglich zu melden."

Am 22. August 2007 erhob der Mitbeteiligte (Vater des Verstorbenen) Berufung und brachte vor, die Beschwerdeführerin (die frühere Ehefrau) habe eigenmächtig und ohne seine Zustimmung die Urne des verstorbenen Sohnes an sich genommen; dies obwohl der Mitbeteiligte bis zur Volljährigkeit des verstorbenen Sohnes obsorgeberechtigt gewesen sei und er bis zu seinem Ableben beim Mitbeteiligten aufhältig gewesen sei. Er ersuche die Behörde, die Beschwerdeführerin aufzufordern, die Urne ihm oder einem von ihm Beauftragten umgehend auszufolgen.

Im Ermittlungsverfahren legte die Beschwerdeführerin unter anderem dar, es sei der Wunsch ihres Sohnes gewesen, eingeäschert zu werden, weshalb sie mit einer Einäscherung einverstanden gewesen sei. Von seinem Wunsch, dass seine Asche verstreut werde, habe sie von der Freundin ihres Sohnes erfahren. Eine Beisetzung der Urne im Familiengrab des Mitbeteiligten in St. Peter wolle sie jedoch unter keinen Umständen. Dazu nahm der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 23. November 2007 Stellung. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin habe die Ausfolgung der Urne an sie nur unter der unrichtigen Angabe, er sei damit einverstanden, erwirkt, er wünsche jedoch eine Beisetzung der Urne im Familiengrab auf einem näher genannten Friedhof.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 2007 wurde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 9. August 2007 Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben. Die belangte Behörde sprach ferner aus, dass die Urne des Verstorbenen auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen sei. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Zuge der zeugenschaftlichen Einvernahmen sei übereinstimmend zu Protokoll gegeben worden, dass der Verstorbene den Wunsch geäußert habe, dass er im Falle seines Todes eingeäschert werden möchte und seine Asche über dem Meer verstreut werden sollte. § 16 Abs. 1 des Stmk. Leichenbestattungsgesetzes sehe allerdings vor, dass jede Leiche bestattet werden müsse. Bestattungsarten seien die Erdbestattung, Beisetzung in einer Gruft und die Feuerbestattung. Dem Wunsch auf Einäscherung sei von den Eltern nachgekommen worden. Entsprechend § 23 Abs. 1 Stmk. Leichenbestattungsgesetz seien die Aschenreste einer eingeäscherten Leiche in einem den sanitätspolizeilichen Erfordernissen entsprechenden Behältnis (Urne) zu verwahren. Urnen seien auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen. Eine Urne dürfe von der Feuerbestattungsanstalt nur der Beisetzungsstelle bzw. Friedhofsverwaltung oder an den Inhaber einer Bewilligung nach Absatz 4 zur Bestattung übergeben werden. Der Vater des Verstorbenen habe sich gegen die Aufbewahrung der Urne im Wohnzimmer der Mutter ausgesprochen. Da es die Behörde erster Instanz vor Erlassung des Bescheides vom 9. August 2007, mit welchem die Urnenausfolgung an die Beschwerdeführerin bewilligt worden sei, verabsäumt habe, Erhebungen zur Klärung der Sachlage durchzuführen, und somit auf Grund des Fehlens einer ausdrücklichen Willenserklärung des Verstorbenen die Eltern nur gemeinsam die Bestattungsart zu bestimmen haben, sei der Berufung Folge zu geben. Eine Einigung der Beschwerdeführerin und des Mitbeteiligten über die Bestattungsart habe im Zuge des Ermittlungsverfahren nicht erlangt werden können. Da eine Einäscherung des Leichnams bereits vorgenommen worden sei, sei entsprechend der Regelung des § 23 Abs. 3 leg. cit. die Urne auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegender Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift - ebenso wie der Mitbeteiligte - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Stmk. Leichenbestattungsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 45/1992 idF LGBl. Nr. 56/2006 lauten (auszugsweise):

"Leichenbestattung

§ 16 (1) Jede Leiche muß bestattet werden. Bestattungsarten

sind die Erdbestattung, die Beisetzung in einer Gruft und die Feuerbestattung.

...

§ 17 (1) Die Bestattungsart richtet sich nach dem Willen des Verstorbenen. Liegt eine ausdrückliche Willenserklärung des Verstorbenen nicht vor und ist sein Wille auch sonst nicht eindeutig erkennbar, steht dem Ehegatten, den volljährigen Kindern dem Alter nach und den Eltern des Verstorbenen bzw. einer sonstigen dem Verstorbenen nahestehenden Person, die mit ihm bis zu seinem Tode in Haushaltsgemeinschaft gelebt hat, in dieser Reihenfolge das Recht zu, die Bestattungsart zu bestimmen. Ist keine dieser Personen vorhanden oder können sich diese über die Bestattungsart nicht einigen, ist die Leiche der Erdbestattung zuzuführen.

...

§ 23 (1) Die Aschenreste einer eingeäscherten Leiche sind in einem den sanitätspolizeilichen Erfordernissen entsprechenden Behältnis (Urne) zu verwahren. Dieses ist so zu kennzeichnen, daß jederzeit festgestellt werden kann, von welcher Leiche die Aschenreste stammen. Das Vermischen der Aschenreste mehrerer eingeäscherter Leichen ist verboten. Dieses Verbot gilt nicht bei einer Sammelbestattung nach § 16 Abs. 2.

(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten nicht für Aschenreste von Leichenteilen und abgetrennten menschlichen Körperteilen. Solche Aschenreste dürfen jedoch nicht mit Aschenresten eingeäscherter Leichen vermischt werden.

(3) Urnen sind auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen. Eine Urne darf von der Feuerbestattungsanstalt nur der Beisetzungsstelle bzw. Friedhofsverwaltung oder an den Inhaber einer Bewilligung nach Abs. 4 zur Bestattung übergeben werden.

(4) Mit Bewilligung der Gemeinde des Ortes, an dem die Urne beigesetzt bzw. verwahrt werden soll, können die Aschenreste (Urne) auch außerhalb eines Friedhofes, eines Urnenhaines oder einer Urnenhalle beigesetzt bzw. verwahrt werden. Diese Bewilligung ist zu erteilen, wenn mit Sicherheit erwartet werden kann, daß sie nicht mißbraucht wird und die beabsichtigte Beisetzungs bzw. Verwahrungsart nicht gegen Anstand und gute Sitten vestößt."

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, das Stmk. Leichenbestattungsgesetz enthalte keine Bestimmung, wonach die Gemeinde eine Verfügung hinsichtlich der Bestattungsart und des Bestattungsortes treffen dürfe. Die Behörde habe ihre inhaltliche Kompetenz sohin dadurch überschritten, als sie die Bestattungsart bzw. den -ort entgegen dem Willen des Verstorbenen als auch gegen den Willen der Angehörigen selbst bestimmt habe. Darüber hinaus sei der Spruch mangelhaft, da ein spezifizierbarer Bestattungsort nicht festgelegt worden sei. Eine Seebestattung sei möglich und zulässig, nach der Bewilligung nach § 23 Abs. 4 des Steiermärkischen Leichenbestattungsgesetzes würden die weiteren "Formalitäten", wie Ausfuhrbewilligung u.ä. von einem Bestattungsunternehmen vorgenommen. Der angefochtene Bescheid verletze somit die Angehörigen des Verstorbenen in ihrem Recht, dem Wunsch des Verstorbenen zu entsprechen.

§ 16 Abs. 1 zweiter Satz Steiermärkisches Leichenbestattungsgesetz legt die zulässigen Bestattungsarten explizit fest, nämlich die Erdbestattung, die Beisetzung in einer Gruft und die Feuerbestattung. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Behörde habe die "Bestattungsart" entgegen dem Willen des Verstorbenen festgelegt, ist ihr daher zunächst zu entgegnen, dass die belangte Behörde keine Entscheidung über eine Bestattungsart getroffen, sondern ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, dass eine Feuerbestattung (somit eine der drei in § 16 Abs. 1 leg. cit. vorgesehenen Bestattungsarten) stattgefunden hat.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis zielführend:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid, wie sich aus dem Spruch erkennen lässt, den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG "behoben". Damit hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufgehoben und eine endgültige Entscheidung gefällt (vgl. die in Walter/Thienel, die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 in E 328 ff. zu § 66 Abs. 4 dargestellte Rechtsprechung). Eine derartige ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Entscheidung, mit welcher der Antrag der Beschwerdeführerin erledigt worden war, ohne über den Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden, war jedoch gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht zulässig.

Nach § 23 Abs. 4 des Stmk. Leichenbestattungsgesetzes ist eine Bewilligung nach dieser Bestimmung nur zu erteilen, wenn mit Sicherheit erwartet werden kann, dass sie nicht missbraucht wird, und die beabsichtigte Beisetzungs- bzw. Verwahrungsart nicht gegen Anstand und gute Sitten verstößt. Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrat, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 leg. cit. nicht gegeben seien, hätte sie den Antrag der Beschwerdeführerin abweisen müssen, wozu es jedoch konkreter Feststellungen über den Sachverhalt bedurft hätte.

Die belangte Behörde hat ferner im dem zweiten Spruchteil eine Entscheidung über die vorzunehmende Art der Beisetzung der Urne gefällt, indem sie "verfügt" hat, dass die Urne auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. uva. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2006, Zl. 2004/11/0236, mit weiteren Hinweisen) ist die Berufungsbehörde nur über die Angelegenheit zu entscheiden befugt, die den Gegenstand des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat, und es ist ihr verwehrt, eine Entscheidung in einer Sache zu treffen, die nicht den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat.

Die erstinstanzliche Behörde hatte mit ihrem Bescheid der Beschwerdeführerin über deren Antrag die Bewilligung erteilt, die Urne mit den Aschenresten ihres Sohnes - unter Einhaltung von Auflagen - an einer näher genannten Anschrift "beizusetzen/zu verwahren". Damit ist die Sache des Berufungsverfahrens festgelegt. Nur darüber hätte die belangte Behörde als Berufungsbehörde absprechen dürfen und sie hätte, wenn sie die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig gehalten hätte, die Berufung des Mitbeteiligten abweisen (und damit den erstbehördlichen Bescheid bestätigen) müssen, oder aber, wenn sie die Rechtsauffassung der erstinstanzlichen Behörde nicht teilte, den erstinstanzlichen Bescheid dahin abändern müssen, dass der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wird.

Die von der belangten Behörde getroffene "Verfügung" war jedoch nicht Gegenstand des Ausspruchs der erstinstanzlichen Behörde, sondern es hat die belangte Behörde damit die Sache des Berufungsverfahrens überschritten.

Im Übrigen ist für das fortzusetzende Verfahren auf Folgendes hinzuweisen: Nach § 23 Abs. 1 leg. cit. sind die Aschenreste einer eingeäscherten Leiche in einer Urne zu verwahren. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind die Urnen auf einem Friedhof, in einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beizusetzen. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass eine Seebestattung zulässig sei, was sie auch darauf stützt, dass eine solche von mehreren Unternehmen angeboten werde, ist verfehlt, weil nach der hier maßgebenden Bestimmung die Aschenreste wie dargestellt "beizusetzen bzw. zu verwahren" sind, und keine Grundlage dafür besteht, dass die Aschenreste - wo auch immer - verstreut werden dürfen. Dass Bestattungsunternehmen nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin eine "Seebestattung" anbieten, bedeutet nicht, dass dies im Gesetz seine Deckung findet. Nach den hier maßgebenden Bestimmungen ist somit ein Verstreuen der Asche des Verstorbenen über dem Meer - was die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde als Grundlage ihres Antrages nennt, weil es der Wunsch ihres Sohnes gewesen sei -

nicht zulässig.

Aus den oben genannten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. April 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte