Normen
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach seiner am 15. Februar 2007 erfolgten Einreise nach Österreich noch am selben Tag bei der Erstaufnahmestelle-Ost in Traiskirchen einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Folge wurde eine asylrechtliche Erstbefragung durchgeführt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer die am 21. Dezember 2006 vorgenommene Asylantragstellung in Griechenland verschwieg und diese auch trotz Vorhalts des sogenannten Eurodac-Treffers bestritt. Unmittelbar nach dieser Befragung wurde der Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 3 Z 4 FPG festgenommen. Bei der anschließenden Vernehmung durch ein Organ der Bezirkshauptmannschaft Baden gestand der Beschwerdeführer dann zu, sich in Griechenland aufgehalten zu haben. Die Frage nach in Österreich aufhältigen Familienangehörigen verneinte der Beschwerdeführer jeweils.
Mit dem gemäß § 57 Abs. 1 AVG erlassenen Bescheid vom 15. Februar 2007 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden sodann gegen den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft an. Als (wesentliche) Rechtsgrundlage wurde § 76 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG angeführt.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass das Bundesasylamt beabsichtige, seinen Asylantrag nach § 5 AsylG 2005 (wegen Zuständigkeit eines anderen Staates) zurückzuweisen, und dass seit 19. Februar 2007 "Dublin-Konsultationen" mit Griechenland geführt würden. Unter einem wurde darauf hingewiesen, dass diese Mitteilung (gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) als Einleitung des Ausweisungsverfahrens gelte. Am 1. März 2007 langte die Zustimmung Griechenlands zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ein.
In der am 2. März 2007 erhobenen Schubhaftbeschwerde brachte der Beschwerdeführer vor allem vor, sein Bruder lebe in Österreich als anerkannter Flüchtling. Dieser verfüge an einer näher genannten Adresse in Wien über eine Wohnung, wo der Beschwerdeführer mit ihm und dessen Familie zusammenleben könne. Bei der Vernehmung in Traiskirchen habe der Beschwerdeführer dies noch verschwiegen, weil ihm dazu vom Schlepper geraten worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. März 2007 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) die Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 83 FPG als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die Voraussetzungen für seine weitere Anhaltung in Schubhaft vorlägen (Spruchpunkt II.) und wies das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers ab (Spruchpunkt III.)
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die vorliegende Fall gleicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/21/0233, in dem unter anderem auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, Bezug genommen wird, zugrunde liegt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung dieser Erkenntnisse verwiesen.
Wie dort wurde auch hier bei Heranziehung bzw. Prüfung des Schubhaftgrundes nach § 76 Abs. 2 Z 4 FPG (und in weiterer Folge jenes nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG) nicht ausreichend berücksichtigt, dass ungeachtet eines "Dublin-Bezugs" eine Schubhaftnahme nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die in diesem (frühen) Stadium des Asylverfahrens ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen, und von der belangten Behörde insoweit auf nicht tragfähige Aspekte verwiesen. Dass der Beschwerdeführer bei seiner ersten Befragung die Asylantragstellung in Griechenland (wahrheitswidrig) verschwieg, reicht aber für sich genommen noch nicht, um im vorliegenden Fall ein Sicherungserfordernis annehmen zu können.
Im Übrigen ist aber (wie schon im Fall des genannten Erkenntnisses Zl. 2007/21/0233) auch hier anzumerken, dass die belangte Behörde in Bezug auf die (erstmals) in der Schubhaftbeschwerde behaupteten familiären Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinem Bruder und dessen Familie, die sie primär für nicht glaubwürdig hielt, nicht von einem im Sinne des § 83 Abs. 2 Z 1 FPG "aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärten Sachverhalt" hätte ausgehen und deshalb im vorliegenden Fall nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen. Dass diesen Umständen - entgegen der diesbezüglich auch vertretenen Meinung der belangten Behörde - aber sowohl unter dem Gesichtspunkt des Sicherungsbedarfs als auch bei der Frage der Anwendung gelinderer Mittel Relevanz zukommen konnte, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen der (prävalierenden) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. Mai 2008
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