VwGH 2007/21/0004

VwGH2007/21/000429.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. August 2006, Zl. 2 F / 432 / 2006, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, reiste am 16. Februar 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Darüber wurde infolge Erhebung einer Berufung durch den Beschwerdeführer gegen den abweisenden erstinstanzlichen Bescheid bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig entschieden.

Mit diesem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. August 2006 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot. Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf folgende rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers:

1. durch das Bezirksgericht für Strafsachen Graz vom 12. November 2004 wegen versuchten Diebstahls nach den §§ 127 und 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen;

2. durch das Landesgericht für Strafsachen Graz vom 22. April 2005 wegen der §§ 127 und 130, erster Deliktsfall, sowie zum Teil § 15 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von sieben Monaten (der Beschwerdeführer habe Berechtigten der Fa. Mediamarkt am 17. März 2005 einen Intel Pentium Prozessor im Wert von EUR 199,-- gestohlen und am 22. März 2005 eine Digitalkamera im Wert von EUR 279,-- zu stehlen versucht);

3. mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. Dezember 2005 wegen der §§ 127 und 130, erster Deliktsfall, StGB zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe, davon zwölf Monate bedingt nachgesehen (der Beschwerdeführer habe am 10. November 2005 gewerbsmäßig unter Beteiligung von zwei Mittätern anderen einen Damenrock, eine Schultasche und eine Herrenjacke im Wert von zusammen EUR 148,-- gestohlen).

Auf Grund dieser Verurteilungen sei der Tatbestand des § 62 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Das Gesamtfehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße, sodass sich auch die in § 62 Abs. 1 FPG genannte Annahme als gerechtfertigt erweise. Daran könne die zuletzt erfolgte teilbedingte Strafnachsicht nichts ändern, weil die Behörde die Prüfung der Frage, ob die im § 62 bzw. § 60 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, eigenständig aus dem Blickwinkel des FPG und daher unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die bedingte Strafnachsicht vorzunehmen habe. In einem solchen Fall könne gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn dem nicht § 66 FPG entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer sei zwar verheiratet und habe ein minderjähriges Kind. Die Ehegattin und das Kind befänden sich jedoch in Georgien. In Österreich habe der Beschwerdeführer weder familiäre Bindungen, noch übe er einen Beruf aus. Auf Grund der relativ kurzen Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet werde darüber hinaus "kein relevanter Eingriff" in sein Privatleben bewirkt. Auch ein solcher wäre im Übrigen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen, die auf derselben schädlichen Neigung beruhten, also aus im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, dringend geboten.

Im Hinblick auf die wiederholt zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit des erst seit kurzem im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführers gehe auch die nach § 66 Abs. 2 FPG gebotene Interessenabwägung zu seinem Nachteil aus. Der Beschwerdeführer habe sich zur illegalen Einreise in das Bundesgebiet der Hilfe eines Schleppers bedient. Weiters fehle ihm jede ins Gewicht fallende berufliche oder soziale Integration, die noch zusätzlich durch das strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt wäre. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens habe von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht in Ausübung des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Ebenso sei der von der Erstbehörde vorgenommene unbefristete Ausspruch des Rückkehrverbotes gerechtfertigt. Im Hinblick auf das in rascher Abfolge wiederholte Fehlverhalten sei eine Änderung der negativen Einstellung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung nicht vorhersehbar.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.

Wie im Fall eines Aufenthaltsverbotes ist auch bei der Erstellung der für jedes Rückkehrverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Rückkehrverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Rückkehrverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2008/21/0069, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass im Blick auf die vorliegenden Verurteilungen der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht wurde. Der Gerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen die Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Gefährlichkeitsprognose nach § 62 Abs. 1 FPG. An dieser Beurteilung vermag weder das Vorbringen des Beschwerdeführers, er bereue die von ihm begangenen Straftaten, noch die zum Teil erfolgte bedingte Strafnachsicht etwas zu ändern. Zum einen hatte die Behörde nämlich das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2007, Zl. 2007/18/0008, mwN). Zum anderen ist der bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum noch zu kurz, um aus einem allfälligen seitherigen Wohlverhalten auf einen Wegfall der Gründe für das Rückkehrverbot schließen zu können.

In erster Linie weist die Beschwerde darauf hin, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht vernommen habe, wobei dieser hätte ausführen können, dass er an Hepatitis erkrankt sei "und eine entsprechende medizinische Versorgung im Bundesgebiet durchgeführt (werde)". Im Übrigen hätte er darlegen können, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet "als finanziell abgesichert anzusehen" sei und schon daher keinerlei Grund zur Annahme bestünde, dass er in Zukunft wieder straffällig werden würde.

Dieser Mängelrüge ist zu entgegnen, dass in Administrativverfahren wie dem vorliegenden ein Recht des Fremden, von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht. Es wäre dem Beschwerdeführer freigestanden, ein entsprechendes Vorbringen bei seiner Einvernahme durch die Erstbehörde (am 16. Mai 2006) oder im Berufungsverfahren zu erstatten (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0206, mwN).

Auf das eben wiedergegebene, erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattete Vorbringen ist somit als unzulässige Neuerung nicht inhaltlich einzugehen.

Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 3 FPG ist ein Rückkehrverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 iVm § 62 Abs. 3 FPG darf ein Rückkehrverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen. Diesbezüglich stellte die belangte Behörde - von der Beschwerde unbeanstandet - fest, dass der Beschwerdeführer, der sich seit 16. Februar 2004 im Bundesgebiet aufhalte, über keine familiäre Bindung in Österreich verfüge und keinen Beruf ausübe.

Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde hätte keinerlei Interessenabwägung durchgeführt, ist unrichtig. Inwieweit der Beschwerdeführer nunmehr als finanziell abgesichert anzusehen sei, wird in der Beschwerde überdies nicht näher dargelegt.

Angesichts des relativ kurzen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers, des Fehlens familiärer Bindungen und sonstiger ins Gewicht fallender integrationsbegründender Umstände einerseits sowie der Schwere der von ihm begangenen Delikte unter Berücksichtigung des raschen und wiederholten Rückfalls andererseits kann die Zulässigkeit des Rückkehrverbotes nach § 66 FPG nicht in Zweifel gezogen werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0164). Zudem fehlen jegliche für den Beschwerdeführer sprechende Umstände, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. April 2008

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