Normen
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61 Z3;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §61 Z3;
FrPolG 2005 §61 Z4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 61, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, dass die Strafkarte des Beschwerdeführers insgesamt vier Eintragungen aufweise, von denen allerdings zwei zueinander zum Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stünden, sodass von drei Verurteilungen auszugehen sei. Den ersten beiden Verurteilungen durch das Landesgericht Innsbruck vom 20. September 1999 und vom 11. Februar 2000 lägen Vermögens- und "Gewalttätigkeitsdelikte" zugrunde. Mit Urteil ebenfalls des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. Juni 2001 sei der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und neun Monaten wegen Suchtgiftverbrechens, Einbruchsdiebstahls und Geldfälschung verurteilt worden, aus der er am 4. März 2004 bedingt entlassen worden sei.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Juni 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz (SMG), des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB in Form der Bestimmungstäterschaft nach § 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden.
Diesem Urteil liege in Bezug auf den Beschwerdeführer zugrunde, dass dieser in Tirol den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG in Verkehr gesetzt habe, und zwar zu nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca. Sommer 2004 und dem Frühjahr 2005 durch Weitergabe bzw. Verkauf von insgesamt ca. 200 Gramm Kokain im Verlauf von zahlreichen, zeitlich knapp aufeinanderfolgenden Teilgeschäften.
Weiters habe der Beschwerdeführer in Tirol den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen sowie anderen überlassen, und zwar zu jeweils nicht mehr datumsmäßig feststellbaren Zeitpunkten ca. Frühjahr 2004 und Februar 2005 durch Erwerb von ziffernmäßig insgesamt nicht mehr feststellbaren Mengen an Kokain und deren Besitz und dadurch, dass er zusammen mit anderen Kokain und Cannabisprodukte konsumiert habe, wobei er zumindest teilweise das dafür benötigte Suchtgift zur Verfügung gestellt habe.
Der Beschwerdeführer habe schließlich zu einem datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ca. im Februar 2005 einen anderen dazu bestimmt, dass dieser eine falsche Urkunde, nämlich eine gefälschte italienische Versicherungsbestätigung für einen PKW mit italienischem Kennzeichen, mit dem Vorsatz herstelle, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde.
Der Beschwerdeführer sei in H in Tirol geboren worden und lebe seitdem in Österreich. Er habe seine (Pflicht-)Schulausbildung zur Gänze in Österreich absolviert und anschließend am Arbeitsmarkt in Österreich (als Hilfsarbeiter) Fuß gefasst. Sein gesamtes soziales und familiäres Umfeld (Freunde, Bekannte, Arbeitsplatz, Ehegattin, zwei minderjährige Kinder, Eltern) befinde sich in Österreich. Vor seiner Inhaftierung habe der Beschwerdeführer in I mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt gelebt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers deutlich dessen negative Einstellung zur Rechtsordnung zeige, woraus sich die Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit im Sinn des § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG gefährde. Die Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 27. Juni 2001 sowie vom 30. Juni 2005 erfüllten jeweils den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG.
Das verhängte Aufenthaltsverbot stelle einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dar, der das Aufenthaltsverbot aber nicht im Grunde der angeführten Bestimmung unzulässig mache. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer (auf Gesundheit, körperliche Integrität und Vermögen) dringend geboten.
Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet wögen schwer, allerdings nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb dessen Erlassung auch im Grunde des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.
Das Gewicht der privaten und familiären Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde erheblich verringert, weil die soziale Komponente dieser Integration durch die schweren Verurteilungen des Beschwerdeführers und die diesen zugrunde liegenden Sachverhalte (im Wesentlichen Suchtgiftverbrechen) erheblich beeinträchtigt werde. Dem stehe das große öffentliche Interesse an dem "Nicht-Aufenthalt" des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gegenüber; die Verhinderung der Suchtgift-Schwerkriminalität und der Schutz des Rechtes anderer auf Gesundheit hätten einen sehr großen öffentlichen Stellenwert, sehr großes öffentliches Gewicht.
Wenn auch das Aufenthaltsverbot einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle, so sei doch ein Ergebnis der Interessenabwägung zum Nachteil des Fremden nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Fällen der Suchtgift-Schwerkriminalität - wie im vorliegenden Fall - auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig.
Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbots normiere § 63 Abs. 1 FPG, dass das Aufenthaltsverbot im Fall des Beschwerdeführers unbefristet erlassen werden dürfe; das Aufenthaltsverbot werde unbefristet erlassen, weil zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorhergesehen werden könne, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit, weggefallen sein werde.
Einem Aufenthaltsverbot stehe auch § 61 FPG nicht entgegen, und zwar im Hinblick auf die Verurteilungen vom 27. Juni 2001 und vom 30. Juni 2005 zu jeweils mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe auch nicht die Bestimmung des § 61 Z. 4 FPG.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des von der Behörde zu übenden Ermessens gemäß § 60 Abs. 1 FPG Abstand genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 12. Juni 2007, B 1997/06, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
3. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf der Grundlage der unstrittig feststehenden Straftaten des Beschwerdeführers und der deswegen erfolgten rechtskräftigen Verurteilungen begegnet die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt und die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken, dies insbesondere auch im Hinblick darauf, dass erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr bei der Suchtgiftkriminalität besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0529, mwN).
2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der durch die belangte Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und vertritt die Auffassung, der angefochtene Bescheid habe die "Verhältnismäßigkeit der Entscheidung zwischen öffentlicher Ruhe, Ordnung und Sicherheit" und dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens fehlerhaft missachtet und die Interessenabwägung in einer denkunmöglichen Weise vorgenommen.
2.2. Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland seit seiner Geburt, den Schulbesuch in Österreich, die daran anschließende Berufstätigkeit sowie die intensive familiäre Bindung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (insbesondere zu seiner Ehefrau und den zwei minderjährigen Kindern) berücksichtigt.
Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, wird die aus der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente allerdings durch das gravierende wiederholte Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Den insgesamt dennoch gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen mehrfachen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber.
Wie oben (I.1.) näher dargestellt liegen den Verurteilungen vom 27. Juni 2001 und vom 30. Juni 2005 gravierende Straftaten auch auf dem Gebiet der Suchtgiftkriminalität zugrunde, an deren Verhinderung ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2006/18/0074, mwN).
Im Hinblick auf das überaus große öffentliche Interesse an der Verhinderung solcher Straftaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen und Schutz der Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), keinen Bedenken.
2.3. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 26. März 1992, Nr. 12083/86, im Fall Beldjoudi gegen Frankreich hinweist s. etwa ÖJZ 1992/33, so ist der diesem Urteil zugrunde liegende Fall mit dem vorliegenden Beschwerdefall in wesentlichen Punkten nicht vergleichbar, war doch der Beschwerdeführer Beldjoudi nicht wegen Suchtmitteldelikten verurteilt worden und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs schon mehr als zwanzig Jahre lang mit einer französischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2007/18/0138).
Was die vom Beschwerdeführer ebenfalls ins Treffen geführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 26. September 1997 im Fall Mehemi, Nr. 85/1996/704/896, gegen Frankreich s. etwa ÖJZ 1998/30 anlangt, so unterscheiden sich die jenem Urteil zugrunde liegenden Umstände von den hier relevanten etwa dadurch, dass die drei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers Mehemi französische Staatsangehörige sind und er eine italienische Staatsangehörige geheiratet hatte; außerdem besaßen weitere Familienangehörige Mehemis die französische Staatsangehörigkeit.
Auch angesichts dieser Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist daher die durch die belangte Behörde vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden.
3. Wie die belangte Behörde zutreffend - und in der Beschwerde nicht bekämpft - dargelegt hat, steht auch die Bestimmung des § 61 Z. 4 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer - wie festgestellt - sowohl am 27. Juni 2001 als auch am 30. Juni 2005 jeweils rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008).
4. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung bestand für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen; bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer in § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG angeführten strafbaren Handlung ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig, sodass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007).
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Oktober 2008
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