VwGH 2007/16/0165

VwGH2007/16/016527.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A A in W, vertreten durch Dr. Marius Schober, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. Juni 2007, Zl. Jv 51673-33a/07, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §9 Abs2;
GEG §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus dem Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes sowie aus den Sachverhaltsdarstellungen in der Beschwerde und in der Gegenschrift der belangten Behörde ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 3. März 2005 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Klage mit einem Streitwert von 40.000,-- EUR (GZ. 21Cg 42/05h) eingebracht hat. Darin forderte der Beschwerdeführer von den Rechtsträgern zweier Krankenanstalten den Ersatz der Todfallskosten von EUR 25.000,-- sowie ein Trauerschmerzengeld von EUR 15.000,-- nach dem Tod seiner Mutter und behauptete, sie sei auf Grund von Behandlungsfehlern in den Krankenhäusern gestorben.

Bei Klagseinbringung war der Kläger anwaltlich vertreten und beantragte gleichzeitig die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang, wozu auch die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren zählt (§ 64 Abs. 1 Z. 1 lit. a) ZPO).

Laut Gegenschrift wurde der Beschwerdeführer vom erstinstanzlichen Gericht "Wegen der unzureichenden Ausführungen zum Grund des Anspruches auf Verfahrenshilfe ... wiederholt zur Konkretisierung seines Anspruches, Vorlage von Urkunden zur Bescheinigung der Anspruchshöhe und Dartuung seiner Aktivlegitimation aufgefordert." Diesen Verbesserungsaufträgen ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Der mit der Klage verbundene Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe wurde - ebenso wie nach der Aktenlage zunächst zumindest ein weiterer Verfahrenshilfeantrag - abgewiesen, jeweils mit der wesentlichen Begründung, dass die angestrebte Prozessführung nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, wenn schon nicht von vorne herein aussichtslos, so jedenfalls mutwillig in dem Sinne sei, dass sie eine wirtschaftlich vernünftig überlegende Partei nicht vornehmen würde. Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat die die Verfahrenshilfeanträge des Beschwerdeführers abweisenden Beschlüsse jeweils bestätigt.

In der Folge legte der Beschwerdeführer - offenbar in Entsprechung eines Verbesserungsauftrages - dem Erstgericht eine Bestätigung des Vorstandes eines türkischen Dorfes vor, wonach der Beschwerdeführer für die Transport- und Beerdigungskosten seiner Mutter insgesamt 26 Milliarden türkische Lira ausgegeben habe.

Daraufhin beraumte das Erstgericht für den 19. Mai 2006 eine vorbereitende Tagsatzung an. Am 18. Mai 2006 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein. Da der Beschwerdeführer zur vorbereitenden Tagsatzung am nächsten Tag ohne Rechtsanwalt gekommen war. fällte das Erstgericht ein klagsabweisendes Versäumungsurteil, das in Rechtskraft erwuchs.

Den am 18. Mai 2006 gestellten Verfahrenshilfeantrag wies das Erstgericht mit Beschluss vom 8. Juni 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe kein ausreichendes Vorbringen zum Trauerschaden erstattet und er habe die Todfallskosten nicht ausreichend bescheinigt. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 21. November 2006 keine Folge.

Mit Zahlungsaufforderung vom 6. März 2007 wurden dem Beschwerdeführer für die in Rede stehende Klage Gerichtsgebühren in der Höhe von 1.190,20 EUR vorgeschrieben.

Am 20. März 2007 hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen von dieser zutreffend als Antrag auf Nachlass von Gerichtsgebühren gewerteten Schriftsatz eingebracht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesem Antrag nicht stattgegeben.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, in dem der Zahlungsaufforderung zu Grunde liegenden Verfahren sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Beschluss vom 8. Juni 2006 wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen worden. Dem Rekurs gegen diesen Beschluss sei mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. November 2006 nicht Folge gegeben worden. Der Annahme einer den Nachlass der Gebühr rechtfertigenden Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG (Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962) stehe entgegen, dass der Beschwerdeführer trotz der von den Gerichten bekundeten Aussichtslosigkeit seiner weiteren Prozessführung auf der Klagsführung in nicht unbeträchtlicher Höhe "durch alle Instanzen" beharrt habe (Verweis auf das Erkenntnis vom 7. Oktober 1959, Zl. 2950/58). Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer derzeit nur Pensionsvorschuss beziehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nachlass der Gerichtsgebühren gemäß § 9 Abs. 2 GEG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer keinen Rechtstreit "durch alle Instanzen" geführt hat, sondern über ein erstinstanzliches (negatives) Versäumungsurteil nicht hinausgekommen ist, lag dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 7. Oktober 1959 die Abweisung eines Antrages auf Nachlass von Gerichtsgebühren für Klagen gegen die Republik Österreich und für Rechtsmittel in diesen Verfahren zu Grunde, in denen die Kläger unter Berufung auf § 2 des Art. 24 des österreichischen Staatsvertrages für die ihnen während der Besatzungszeit von den Besatzungsbehörden zugefügten Schäden - erfolglos - Schadenersatz begehrten. In den Nachlassverfahren billigte der Verwaltungsgerichtshof die von der dort (wie hier) belangten Behörde geäußerte Rechtsansicht, die dortigen Beschwerdeführer hätten trotz der allgemein bekannten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in gleichgelagerten Fällen ihre Klagen dennoch eingebracht und die Verfahren bis zur letzten Instanz geführt, was einer geradezu mutwilligen Prozessführung gleichkomme. Aus diesem Grunde liege keine den völligen Nachlass der Gerichtsgebühr rechtfertigende besondere Härte vor.

Unter Bezug auf dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. Juli 2004, Zl. 2004/16/0060, zum Ausdruck gebracht, dass der Annahme einer den Nachlass der Gebühr rechtfertigenden besonderen Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG entgegen stehe, dass der dortige Beschwerdeführer trotz der von den Gerichten mehrfach bekundeten Aussichtslosigkeit seiner weiteren Prozessführung auf der Klagsführung in nicht unbeträchtlicher Höhe durch alle Instanzen beharrt hätte. Dem Beschwerdeführer jenes Verfahrens wurde die ihm in einem Zivilprozess zunächst bewilligte Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der weiteren Verfolgung seines Anspruches für erloschen erklärt. In dem nach diesem Zeitpunkt - trotz Verweis auf die Aussichtslosigkeit - weiter geführten Verfahren fielen Eingabe- und Protokollgebühren an, deren Nachlass er - ohne Erfolg - beantragte.

Den zitierten Entscheidungen ist gemeinsam, dass eine mutwillige bzw. aussichtslose Prozessführung nur dann der Annahme einer den Nachlass der Gebühr rechtfertigenden besonderen Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG entgegen steht, wenn der Verfahrenspartei die Mutwilligkeit oder die Aussichtslosigkeit der - weiteren - Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Zeitpunkt der die Gerichtsgebühr begründenden Verfahrenshandlung durch eine allgemein bekannte oder mehrfach wiederholte Rechtsprechung bekannt war oder bekannt sein musste. Einem Nachlass im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG kann demgemäß jedenfalls nicht entgegenstehen, dass die Partei Verfahrensschritte gesetzt hat, deren Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit sie nicht kannte oder nicht kennen musste.

Gegenstand des beantragten Nachlasses ist im Beschwerdefall ausschließlich die Gebühr nach TP 1 für die Klage. Die Gebührenpflicht für eine Klage entsteht gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGG mit der Überreichung der Klage.

Im vorliegenden Fall ist nicht hervorgekommen, dass dem Beschwerdeführer vor bzw. bei Klagseinbringung, bei der er auch anwaltlich vertreten war, Umstände bekannt waren oder bekannt sein mussten, wonach sein Verfahren von vorne herein als mutwillig oder aussichtslos zu beurteilen gewesen wäre.

Indem die belangte Behörde im Beschwerdefall die Rechtsanschauung vertrat, dass eine den Nachlass der Gerichtsgebühr für die Klage rechtfertigende besondere Härte im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG selbst dann nicht angenommen werden könne, wenn der Beschwerdeführer erst nach Klagseinbringung von der Ansicht der Verfahrenshilfeinstanzen, seine Rechtsverfolgung sei mutwillig, erfahren habe, hat sie die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Im Übrigen ist auch nicht zu sehen, weshalb die Geltendmachung der konkreten Ansprüche durch den Kläger von vornherein aussichtslos gewesen sein sollte. Die den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Gerichtsinstanzen begründeten die Aussichtslosigkeit bzw. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nämlich damit, dass der Beschwerdeführer für den Grund bzw. die Höhe seiner Ansprüche keine Beweise beigebracht bzw. diese nicht aufgeschlüsselt hat; in einem solchen Fall wäre allenfalls nur die weitere Rechtsverfolgung als mutwillig zu bezeichnen.

Im weiteren Verfahren wird sich die belangte Behörde unter Abstandnahme von dem von ihr herangezogenen Abweisungsgrund mit der Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers auseinander zu setzen haben, deren Gesamtsituation nach den im Akt befindlichen Verfahrenshilfeanträgen einem Nachlass nicht entgegen stand.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. November 2008

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