VwGH 2007/09/0332

VwGH2007/09/03326.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, 1. über den Antrag der CS in L, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist sowie 2. in der Beschwerdesache dieser Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. Juli 2007, Zl. Senat-WB-06-0028, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, Übertretungen des AuslBG begangen zu haben, weshalb über sie Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nach den unbedenklichen Angaben in der Beschwerde am Freitag, dem 3. August 2007, zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist endete demnach am Freitag, dem 14. September 2007.

Die Beschwerdeführerin stellte mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2007 (Datum der Postaufgabe unbekannt, in der gemeinsamen Einlaufstelle des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes eingelangt am 15. Oktober 2007) 1.) den Antrag auf Wiedereinsetzung in die am 14. September 2007 abgelaufene Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. Verwaltungsgerichtshof und holte

2.) die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nach. Sie stellte für den Fall der Ablehnung der Beschwerde den Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten und führte die Beschwerde für den Abtretungsfall bereits aus.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Dezember 2007, B 1915/07-4, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ab. In diesem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, dass auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht eingegangen werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher zunächst über den Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden.

Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ua. ausgeführt:

"Der Mitarbeiter der Kanzlei meines Rechtsanwaltes, Herr Dr. St, der mit Rechtsanwaltsprüfung und Notariatsprüfung entsprechend qualifiziert ist, hat nicht nur die gegenständlichen Beschwerden an den VfGH wie auch eventualiter an den VwGH in einem detaillierten Entwurf vorbereitet, der von meinem Anwalt Dr. Bereis bei einer Kanzleibesprechung am Freitag, dem 14.9.2007 entsprechend geprüft und teilweise verbessert bzw. modifiziert und in der Folge zur Postaufgabe abgefertigt wurde.

Herr Dr. St wurde von meinem Anwalt gebeten, dieses Briefstück am Freitag, dem 14.9.2007 zur Post zu bringen und dort rekommandiert mit anderen Poststücken aufzugeben.

Herr Dr. St übernimmt es regelmäßig Poststücke für die Kanzlei bei der Post aufzugeben, sehr oft bei einem Postamt, das erst gegen 22.00 h schließt, da häufig noch am Abend terminisierte Eingaben ausgefertigt, bzw. ausgedruckt werden und die Kanzleileiterin kein Auto hat und fast eine Stunde durch einen Umweg zu einem der wenigen lang geöffneten Postämter Zeit verlieren würde.

Herr Dr. St ist ein überaus zuverlässiger Kanzleimitarbeiter, der infolge seiner juristischen Qualifikationen sich auch der negativen Folgen einer Fristversäumnis bewusst ist und daher sehr bedacht nimmt, dass Poststücke rechtzeitig zur Post getragen werden. Dazu kommt noch, dass er regelmäßig nicht nur bei seinen Schriftsatzentwürfen und Vertragsentwürfen, sondern auch bei der Postaufgabe regelmäßig von meinem Anwalt kontrolliert wird, sodass auch kein Organisationsverschulden in concreto vorliegen kann.

Herr Dr. St hat am 14.9.2007 seinen 14-tägigen Urlaub im Salzkammergut im Hause seiner Schwiegereltern angetreten und war sohin die Postaufgabe die letzte Tätigkeit für die Kanzlei vor seinem Urlaub. Er ist auch konkret zum Postamt 1150 Wien im Wiener Westbahnhof gefahren, hat aber dennoch übersehen, die gegenständliche abgefertigte Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde beim Schalter abzugeben. Der Grund dafür lag darin, dass seine Tasche mehrere Fächer hat und er Fachliteratur für seinen Urlaub mitgenommen hat. Dabei ist die VfGH Beschwerde infolge der Größe des Kuverts in einem anderen Taschenfach transportiert worden wie die übrige Post und verfing sich diese mit den mitgeführten Büchern und Zeitschriften, sodass es ihm am Schalter nicht aufgefallen ist, dass diese Beschwerde nicht mit der übrigen Post rechtzeitig dem Postbediensteten übergeben werden konnte, womit die Frist für die gegenständliche Beschwerde versäumt war, weil Dr. St am letzten Tage der Frist, am 17.9.2007 bereits auf Urlaub war und jeder in der Kanzlei angenommen hat, dass das Poststück wie immer von Dr. St gewissenhaft bei der Post abgegeben wurde.

Dr. St hatte diese Tasche aus Platzmangel in seinem Auto dann nicht ins Salzkammergut mitgenommen und kehrte in seine Wiener Wohnung am 30.9.2007 zurück. Als er am 1.10.2007 diese Tasche mit der Fachliteratur in die Kanzlei mitnehmen wollte, stellte sich das Malheur heraus, was Dr. St überaus bedauerte. Offenbar war er am 14.9.2007 schon so urlaubsreif, dass es ihm nicht aufgefallen ist, dass in einem gesonderten Fach seiner Tasche noch die gegenständliche Beschwerde auf die Postaufgabe gewartet hat. Sohin ist dieses unvorhergesehene und unabwendbare Hindernis erst am 1.10.2007 weggefallen, sodass der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt ist."

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war aus folgendem Grund nicht stattzugeben:

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt dargetan, dass eine Rechtsanwaltskanzlei Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen muss; der bevollmächtigte Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozesshandlungen gesichert erscheint (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 1. Juni 2006, Zl. 2006/07/0055, m.w.N.). Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung des oben genannten Zieles nicht gewährleistet ist, so kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden (vgl. den vorzitierten hg. Beschluss vom 1. Juni 2006, m.w.N.).

Der Umstand, dass nach dem Vorbringen mehrere aufzugebende Poststücke auf Grund ihrer unterschiedlichen Größe getrennt voneinander zur Post befördert wurden und für einen solchen Fall weder eine Kontrolle der tatsächlichen Durchführung der Postaufgabe durch den Mitarbeiter (etwa durch Anfertigung einer Liste) vom Rechtsanwalt angeordnet noch durch den Mitarbeiter aus eigenem erfolgte, spricht für das Vorliegen eines solchen Organisationsmangels (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 96/02/0608). Dies stellt ein den bloß minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden dar.

Da dem Wiedereinsetzungsantrag aus dem dargelegten Grund gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben war, erweist sich die frühestens am 11. Oktober 2007 zur Post gegebene Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid der belangten Behörde als verspätet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 6. März 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte