VwGH 2007/08/0249

VwGH2007/08/024911.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Ing. P in S, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 21, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktsservice Kärnten vom 13. September 2007, Zl. LGS/SfA/05662/2007, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe gemäß §§ 38, 9 und 10 Abs. 1 AlVG für die Zeit vom 1. Juni bis 26. Juli 2007 ausgesprochen und das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Gründen für eine Nachsicht verneint.

Der Begründung zu dieser Entscheidung legte die belangte Behörde im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Es sei dem auf Grund seines Antrages vom 25. April 2007 Notstandshilfe beziehenden Beschwerdeführer am 21. Mai 2007 eine Beschäftigung als Maschinenbautechniker beim Unternehmen F. angeboten worden. Bei dem am 22. Mai 2007 zwischen dem Beschwerdeführer und Herrn F. seitens des potenziellen Arbeitgebers geführten Bewerbungsgespräch sei vereinbart worden, dass sich der Beschwerdeführer am 24. Mai 2007 bei diesem melden solle, da für ihn die angebotene Stelle vorgemerkt worden sei. Nach der erfolgten Vorstellung habe Herr F. dem AMS mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 1. Juni 2007 die Beschäftigung aufnehmen könne. Der Beschwerdeführer sei im Beratungsgespräch in der regionalen Geschäftsstelle des AMS am 23. Mai 2007 über die mögliche Beschäftigungsaufnahme informiert worden. Er habe daraufhin am 23. Mai 2007 ein Schreiben folgenden Inhalts an das genannte Unternehmen übermittelt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Der Arbeitsvermittler G. vom AMS ... hat heute mir (dem Beschwerdeführer) gegenüber behauptet, dass meine Bewerbung am Montag 22.05.07 erfolgreich war.

Eine Arbeitsaufnahme sei mit Ihnen bis Freitag 01.06.07 vereinbart worden.

Einem Arbeitsantritt bzw. einer Arbeitsaufnahme in Ihrem Unternehmen stehe nun nichts mehr im Wege.

Ich bin allerdings verwundert darüber, dass mir die Anstellungszusage über das AMS ausgerichtet wurde.

Das AMS begründete diese Behauptung ausdrücklich durch ihre Zusage mich als Maschinenbautechniker im Unternehmen F. .... einzustellen.

Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zum geführten Vorstellungsgespräch und der von ihnen unterzeichneten und mit Firmenstempel versehenen Bestätigung des Unternehmens, wonach ich durch die Vorstellung am 22.05.07 für die ausgeschriebene Stelle (...) lediglich als ein Bewerber von vielen vorgemerkt wurde.

Falls dieser Wiederspruch nicht im Vorfeld abgeklärt werden kann, besteht für mich der Vorwurf der versuchten Täuschung einer Behörde.

Ich möchte Sie nun bitten, falls ein Dienstverhältnis zustande kommt, die Angaben des Ams zu bestätigen. Ich bitte sie mir die Bedingungen für die geschuldete Arbeitsleistung durch einen ausgestellten Dienstzettel zukommen zu lassen. Auch wann konkret der Beschäftigungsanfang für mich vorgesehen ist, damit ich nicht von einer Minute auf die andere meinen Dienst antreten muss.

Ich bitte Sie ausdrücklich um Nachsicht für die Einforderung eines schriftlichen Nachweises, den ich gegenüber dem AMS benötige, entschuldige mich aber auch die entstandenen Mühen.

oder im Gegenzug wenn ich keine Verständigung bis zum möglichen Anstellungstermin am 01.06.07 erhalte, ich davon ausgehen kann, dass der Einstellungsbehauptung des Ams einem Irrtum zugrunde liegt und ich Ihre Bestätigung der Vormerkung als Urkunde den Beamten vorlegen kann.

Ich hoffe somit auch weiterhin durch die Vormerkung in Zukunft mein Können, meine Erfahrung und meine Einsatzfreude unter Beweis stellen zu können."

Weiters habe der Beschwerdeführer ein Schreiben gleichen Datums an die regionale Geschäftsstelle des AMS mit folgendem Inhalt übermittelt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Die am 23.05.07 um 11:30 anwesenden Arbeitsmarktbediensteten G. und S. waren nicht in der Lage das von mir (dem Beschwerdeführer) Gewünschte zu protokollieren, daher bringe ich es wie folgt dar.

Mit Auftragsnummer ... wurde mir am 21.05.07 ein Stellenangebot durch Arbeitsvermittler G. übermittelt, dem ich wie in AV. handschriftlich auf Seite 2/2 der Vorstellkarte vermerkt ist, am 22.05.07 nachzukommen hatte.

(Herr F.) Geschäftsführer der Firma F. hat die Stellenzuweisung als unverbindliche Bewerbung aufgefasst und mich vorgemerkt. (Herr F.) begründete seine Vormerkung damit, dass er viele Bewerber für eine Anstellung in seinem Unternehmen hätte und er sich erst nach Vorliegen aller Bewerbungen für einen Mitarbeiter entscheiden könne. Er hat in der Bestätigung des Unternehmens vorgemerkt angekreuzt.

Zu konkreteren Angaben der Entlohnung, Arbeitszeit, Arbeitsort konnte er nicht bewegt werden. Ich bezweifle, dass die angebotene Stelle den kollektivvertraglichen Richtlinien, körperlichen Fähigkeiten, Gesundheit konkret entsprochen hätte.

Die beim Kontrolltermin am 23.05.07 durch Arbeitsvermittler G. vorgebrachte Behauptung, dass ich durch meine Bewerbung am 22.05.07 bei der Fa. F. eingestellt bin, steht im Widerspruch zum wahren Ergebnis der Vorstellung. Ich werde diesbezüglich nachfragen.

Zu einer neuerlichen Bewerbungsaufforderung durch das AMS am 23.05.07 zur Fa. F. kam es nicht."

Das Unternehmen F. habe mit Schreiben vom 30. Mai 2007 zur Bewerbung bzw. Schreiben vom 23. Mai 2007 Folgendes mitgeteilt:

"Nach dem Bewerbungsgespräch bzw. nach Rücksprache mit dem AMS ... wollten wir Sie (den Beschwerdeführer) ab 1.6.2007 in unsrem Unternehmen als Techniker einstellen bzw. in einem obligaten Probemonat Ihre Fähigkeiten sowie Ihre Eignung überprüfen. Durch Ihr Schreiben vom 23.5.2007 sind wir jedoch zu der Überzeugung gekommen, dass wir von einer Anstellung Abstand nehmen."

In der Niederschrift beim AMS vom 6. Juni 2007 habe der Beschwerdeführer Folgendes angegeben:

"(Dem Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktsservice am 21.5.2007 eine Beschäftigung als Maschinenbautechniker beim Dienstgeber Fa. F. ... mit einer Entlohnung von brutto laut Kollektivvertrag zugewiesen.

Möglicher Arbeitsantritt am 1.6.2007

Ich, (der Beschwerdeführer), erkläre nach Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) - Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für sechs bzw acht Wochen - dass ich zu den nachstehenden Gründen für die Nichtannahme bzw Nichtzustandekommen dieser Beschäftigung befragt wurde und hinsichtlich

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten eines Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und angemessen entlohnt ist; als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung (§ 9 Abs. 2 leg. cit.).

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Auf Grund des § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrechts zugrunde liegenden Gesetzeszweckes, dem arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihn zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf der Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, anderseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wege verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wege vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zu nichte macht (vgl. zu all dem z. B. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0023, mwN).

2. Im konkreten Fall wendet sich die Beschwerde gegen die Annahme eines Mangels an Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers und vermeint, dass der Beschwerdeführer gerade mit dem an den potenziellen Arbeitgeber gerichteten Schreiben vom 23.5.2007 seine Arbeitsbereitschaft bekundet und lediglich höflich um eine schriftliche Bestätigung seiner Einstellung zur Absicherung gegenüber dem AMS sowie um Bekanntgabe der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsbeginnes ersucht habe.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen über den Inhalt seiner Schreiben an den potenziellen Arbeitgeber und das AMS (jeweils vom 23. Mai 2007) sowie seine Angaben anlässlich der (von ihm nicht unterfertigten) Niederschrift beim AMS am 6. Juni 2007. Demnach war ihm der mögliche Arbeitsantritt am 1. Juni 2007 bekannt. Ein objektiver Leser des von ihm an den potenziellen Arbeitgeber gerichteten Schreibens muss(te) insgesamt den Eindruck gewinnen, der Beschwerdeführer bekunde kein wirkliches Interesse an der Aufnahme der angebotenen Tätigkeit, sondern bewerbe sich eigentlich unter Druck seitens des Arbeitsmarktservice und strebe vielmehr nur eine Vormerkung an.

Durch die Wortwahl in diesem Schreiben nahm der Beschwerdeführer jedenfalls in Kauf, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zustande kam. Damit erweist sich die Qualifizierung des Verhaltens des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde als Vereitelung im Sinn von § 10 Abs. 1 AlVG als frei von Rechtsirrtum.

Auch die Verfahrensrüge geht ins Leere: Soweit der Beschwerdeführer hiezu einen Begründungsmangel darin erblickt, dass dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei, dass die belangte Behörde auf seine (nachgereichte) Berufungsbegründung vom 14. August 2007 Bedacht genommen habe, ist ihm zunächst zu entgegnen, dass er es verabsäumt hat, dazu die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen. Im Übrigen ist den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen, dass diese Berufungsbegründung zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung der belangten Behörde vorlag (womit sich auch ein Eingehen auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach ihm andernfalls ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen wäre, da der Berufung eine Begründung gefehlt habe, erübrigt). Darin vertritt der Beschwerdeführer im Wesentlichen den Standpunkt, keine Vereitelungshandlung gesetzt zu haben, bestreitet aber nicht den Inhalt des relevanten Schreibens vom 23. Mai 2007, mit dem sich die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung ausreichend auseinandergesetzt und ihre diesbezügliche Auslegung nachvollziehbar begründet hat.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. September 2008

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