VwGH 2007/05/0182

VwGH2007/05/018210.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der W G in Lilienfeld und 2. des Dr. H G in Sao Paulo, beide vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Juni 2007, Zl. RU1-BR-30/012-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: N GmbH in Marktl, vertreten durch Hofbauer, Hofbauer & Wagner, Rechtsanwälte Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §48;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BauO NÖ 1996 §48;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/05/0128, zu verweisen. Folgendes ist daraus hervorzuheben:

Im vorliegenden Fall wird ein gewerberechtliches Betriebsanlagengenehmigungsverfahren durchgeführt, und zwar kein "vereinfachtes Verfahren" nach der Gewerbeordnung. Die Beschwerdeführer können daher dort den ihnen durch § 48 Abs. 1 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) eingeräumten Immissionsschutz geltend machen, nicht hingegen den Immissionsschutz nach § 48 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 2 BO. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Beeinträchtigung durch Lärmimmissionen unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 2 BO inhaltlich hätte behandeln müssen. Da dies nicht geschehen war, wurde der seinerzeit angefochtene, im Instanzenzug ergangene Baubewilligungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. März 2004, Zl. RO1-BR-30/010-2004, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführer erneut als unbegründet abgewiesen. Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, seitens der Bauwerberin sei im nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/05/0128, fortgesetzten Verfahren der Bericht Nr. 10733-03 der K. GmbH vom 25. August 2006 vorgelegt worden. Zu diesem lärmtechnischen Bericht habe der Amtssachverständige Dipl. Ing. P. mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 eine Stellungnahme abgegeben. Des Weiteren habe die medizinische Amtssachverständige Dr. W. ein Gutachten vom 11. Jänner 2007 erstellt.

Für die belangte Behörde ergebe sich aus dem lärmtechnischen Projekt der K. GmbH vom 25. August 2006 sowie der Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 27. Oktober 2006, dass das schalltechnische Projekt ingenieurmäßig plausibel, umfassend und dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend aufbereitet und ausgearbeitet worden sei. Von der K. GmbH sei nicht nur der unmittelbare Wohnbereich, sondern auch der südwestliche Bereich des Betriebsgrundstückes und der nordwestliche Bereich des Grundstückes der Beschwerdeführer untersucht worden. Aus dem lärmtechnischen Projekt der K. GmbH vom 25. August 2006, aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Schalltechnik vom 27. Oktober 2006 und aus der amtsärztlichen Stellungnahme vom 11. Jänner 2007 ergebe sich in schlüssiger und zweifelsfreier Weise, dass die vom gegenständlichen Bauvorhaben ausgehenden Emissionen unter Berücksichtigung der Widmungsart Bauland-Industriegebiet und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkungen der Bauwerke und deren Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen, Menschen durch Lärm nicht örtlich zumutbar belästigten.

Am 8. Juni 2007, zwei Tage nach Ablauf der Frist zur Abgabe einer Stellungnahme, sei von den Beschwerdeführern eine Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehöhrs vorgelegt worden. Diesbezüglich verweise die belangte Behörde auf das lärmtechnische Gutachten des Dipl. Ing. P. vom 27. Oktober 2006, wo festgehalten worden sei, dass eine messtechnische Erhebung zum Zeitpunkt der Ausarbeitung nicht mehr möglich gewesen sei, da Errichtungsarbeiten an der Pressanlage P3 durchgeführt worden seien. Es seien daher die Schallimmissionswerte auf Basis der Projektunterlagen, Lieferantenangaben, Messwerte, Literatur und Erfahrungswerte zu erheben und entsprechende Immissionsberechnungen vorzunehmen gewesen. Aus den vorliegenden Projekten sei schlüssig abzuleiten, dass alle wesentlichen Lärmeinflussfaktoren berücksichtigt worden seien. Auch sei die Ableitung der Emissionsgrößen für die darauf aufbauenden Berechnungen nachvollziehbar dargestellt worden. Die Schallimmissionsprognoseberechnungen seien nach dem bewährten Ausbreitungsmodell der ÖAL-Richtlinie Nr. 28 vorgenommen worden. Zusammenfassend sei vom Sachverständigen festgehalten worden, dass die schalltechnischen Unterlagen der K. GmbH ingenieurmäßig plausibel, umfassend und dem Stand der Wissenschaft und der Technik entsprechend aufbereitet worden seien.

Das zu bebauende Grundstück Nr. 247/23, KG Marktl, weise die Widmung Bauland-Industriegebiet auf. Auf Grund der lärmtechnischen und luftreinhaltetechnischen Gutachten und des darauf aufbauenden medizinischen Sachverständigengutachtens sei es offensichtlich, dass keine örtlich unzumutbare Belästigung von Menschen durch Emissionen, ausgehend vom Baugrundstück, vorliege. Es fänden sich in den Gutachten keine Hinweise, die eine örtlich unzumutbare Belästigung annehmen ließen, und es bestünden auch keine nachvollziehbaren Gründe, die Gutachten der Amtssachverständigen anzuzweifeln. Die Richtwerte der Verordnung über den äquivalenten Dauerschallpegel für Bauland-Industriegebiet (70 dB/Tag, 60 dB/Nacht) würden durch das gegenständliche Bauvorhaben und dessen Auswirkungen nicht erreicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift vorgelegt, hat jedoch keinen Kostenersatz beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat das fortgesetzte Ermittlungsverfahren im Wesentlichen gemeinsam mit dem Ermittlungsverfahren in jenem Baubewilligungsverfahren geführt, das dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0181, vorangegangen ist. Sowohl die Stellungnahmen der Amtssachverständigen als auch das Vorbringen der Beschwerdeführer bezog sich auf die lärmtechnischen Projekte in beiden Verfahren. Es ist daher diesbezüglich auf die nähere Darstellung in dem genannten Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0181, zu verweisen.

Zum Unterschied von dem in dem zuletzt genannten Erkenntnis behandelten Fall findet im vorliegenden Fall das gewerberechtliche Bewilligungsverfahren aber nicht im vereinfachten Verfahren statt.

Unbeschadet dessen haben die Beschwerdeführer aber mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren die Grundlagen des lärmtechnischen Projektes in Frage gestellt. Die belangte Behörde hat sich in dem hier angefochtenen Bescheid mit diesem Vorbringen der Beschwerdeführer zwar inhaltlich, aber nur in derselben Betrachtungsweise, wie im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0181, dargestellt, auseinandergesetzt. Sie hätte jedoch zu diesem Vorbringen der Beschwerdeführer eine sachverständige Äußerung einholen müssen. Des Näheren wird diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0181, verwiesen.

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. September 2008

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