Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, gelangte am 22. Jänner 2002 in das Bundesgebiet und stellte am 28. Jänner 2002 einen Asylantrag.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in einer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26. März 2002 an, dass sein Vater sich vor einem Jahr von einem Freund, einem General im Verteidigungsministerium, Geld ausgeborgt habe. Sein Vater habe dieses Geld jedoch nicht zurückzahlen können. Ende September 2001 sei sein Vater dann verschwunden. Er selbst sei verschleppt und drei Tage lang von einigen Personen festgehalten worden. Dabei sei er geschlagen und mit einem Messer am rechten Bein verletzt worden. Man habe ihn gefoltert, um den Aufenthaltsort des Vaters zu erfahren. Seine Mutter habe dann eine Anzeige bei der Polizei erstattet und "Personenschutz" verlangt. Zur Beschreibung der Täter wäre er nur unter "Garantie" polizeilichen Schutzes bereit gewesen. Die Polizei hätte dies abgelehnt, jedoch versprochen "der Sache nachzugehen". Er wäre daraufhin nicht bereit gewesen, die Täter zu beschreiben. Seine Mutter hätte der Polizei jedoch den Namen des Generals genannt.
Anfang Oktober 2001 - so führt der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 26. März 2002 weiter aus - seien Leute in seine Wohnung gekommen und hätten seiner Mutter Unterlagen gezeigt, wonach sein Vater die Wohnung diesen Leuten übergeben und diesen Vorgang mit seiner Unterschrift bestätigt hätte. Die Wohnung wäre binnen sechs Tagen zu räumen gewesen. Er habe sich an die Polizei gewendet, um deren Mithilfe bei der Suche nach dem Vater und der Überprüfung der Dokumente zur Wohnungsübergabe zu bekommen. Die Polizei habe die Männer, die in der Wohnung gewesen seien, vorgeladen. Einer dieser Männer wäre auch bei der Entführung im September beteiligt gewesen. Darüber hinaus habe die Polizei jedoch "keine Reaktion" gezeigt und keine weiteren Maßnahmen getroffen. Seine Mutter habe auch einen Brief an die oberste Polizeibehörde und an den Präsidenten von Armenien geschrieben, jedoch keine Antworten erhalten. Sie sei in der Folge in ein Altersheim übersiedelt. Er selbst habe zusammen mit seinem Bruder eine Wohnung gemietet. Sein Bruder sei am 3. Jänner 2002 von einigen Personen auf der Straße zusammengeschlagen und aufgefordert worden, bis zum 15. Jänner 2002 das Geld in Höhe von 50.000,-- US-Dollar zu bezahlen sowie den Vater auszuliefern. Diesen Vorfall hätten der Beschwerdeführer und sein Bruder bei der Polizei angezeigt und diese um "Hilfe und um Schutz" gebeten. Die Polizei habe sie jedoch "ignoriert", weshalb der Beschwerdeführer und sein Bruder keinen Ausweg mehr gesehen und das Heimatland verlassen hätten. Die "armenische Regierung und der gesamte Polizeiapparat" wären nicht zur Hilfe bereit. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte er um sein Leben.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien gemäß § 8 AsylG für zulässig. Nach Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers erachtete das Bundesasylamt das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen für glaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine unter die Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) subsumierbaren Verfolgungsgründe vorgebracht. Eine Verfolgung von Seiten staatlicher Behörden sei nicht behauptet worden. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Furcht vor unbekannten Personen stelle sich als Verfolgung von Seiten Privater dar. Schutz vor solchen Übergriffen würde durch die Sicherheitsbehörden nicht "aus asylrelevantem Grunde" verwehrt. Auch Abschiebeschutz sei dem Beschwerdeführer nicht zu gewähren, weil die Sicherheitsbehörden in Armenien nach den - hinsichtlich ihrer Quellen nicht präzisierten - Länderfeststellungen nicht "gänzlich schutzunfähig oder schutzunwillig" seien. Dem Beschwerdeführer sei deshalb zuzumuten gewesen, sich unter den Schutz der armenischen Behörden zu stellen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer u. a. aus, er habe "zu Recht davon ausgehen" können, "dass die Täter durch die Sicherheitsbehörden geschützt werden". Diese Annahme habe sich auch durch das Verhalten der Sicherheitskräfte bestätigt, die nicht gewillt gewesen seien, den Beschwerdeführer vor den Übergriffen zu schützen. Auch lasse sich dem erstinstanzlichen Bescheid nicht entnehmen, welche Quellen das Bundesasylamt heranziehe, um zu den zur Lage in Armenien getroffenen Feststellungen zu gelangen. Sicher sei jedoch, dass die getroffenen Feststellungen im Widerspruch zu den aktuellen Länderberichten stünden. Zudem handle es sich entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes im Beschwerdefall um asylrelevante Verfolgung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß "§§ 7 und 8 AsylG" ab. In ihrer Begründung schloss sie sich den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens an. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe nicht entnommen werden können, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung aus einem vom Schutzzweck der FlKonv umfassten Grund drohe. Auch sei den Berufungsbehauptungen des Beschwerdeführers nicht zu folgen, wonach die armenischen Sicherheitsbehörden nicht gewillt gewesen seien, ihn vor Übergriffen zu schützen. Der Beschwerdeführer habe die Vorfälle zwar bei der Polizei angezeigt, aber bei den Ermittlungen mit der Polizei nicht mitgearbeitet bzw. unter anderem die Täter nicht beschrieben. Zudem würden gegen die Untätigkeit der Sicherheitsbehörden auch die vom Bundesasylamt getroffenen Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sprechen. Daran vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Jahresbericht 2001 des US-Department of State zu Armenien nichts zu ändern. Das Bundesasylamt stütze seine Feststellungen nämlich u.a. darauf, dass Machenschaften der organisierten Kriminalität von der armenischen Regierungspolitik weder unterstützt noch geduldet oder angeregt würden. Zudem sei eine von der Weltbank finanzierte Anti-Korruptions-Kommission eingerichtet worden. Darüber hinaus würde auch in den Printmedien über die Verurteilung ehemaliger Regierungsmitglieder ausführlich berichtet. Diese Feststellungen habe die Berufung nicht in Abrede gestellt. Damit habe das Bundesasylamt unter Anführung von Beispielen unter Beweis gestellt, dass die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Armenien in der Praxis funktioniere. Somit wäre es auch nach Ansicht der belangten Behörde dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, sich vor seinen Verfolgern unter den Schutz der armenischen Behörden zu stellen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die belangte Behörde hat bei Beurteilung der Asylrelevanz der im vorliegenden Fall geltend gemachten Verfolgungsgefahr die Rechtslage verkannt. Sie hätte dabei nämlich auf die Frage eines Zusammenhanges der Verfolgungsgefahr mit der Familienzugehörigkeit des Beschwerdeführers als Zugehörigkeit zu einer bestimmten "sozialen Gruppe" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv eingehen müssen. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidend, ob der Vater des Beschwerdeführers seinerseits aus Konventionsgründen verfolgt worden war (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2007, Zlen. 2006/19/0083 bis 0085, mwN).
Es greift daher zu kurz, wenn die Asylbehörden den Asylantrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abwiesen, sein Vorbringen lasse sich unter keinen Konventionsgrund subsumieren.
Entscheidend ist, ob das weitere Argument der Asylbehörden, die staatlichen Sicherheitsbehörden in Armenien würden dem Beschwerdeführer effektiven Schutz gegen die Verfolgung bieten, den Bescheid zu tragen vermag.
Dabei ist zu beachten, dass die belangte Behörde (durch Verweis auf die erstinstanzlichen Ausführungen) das Vorbringen des Beschwerdeführers über seine Erlebnisse im Herkunftsstaat zur Gänze als wahr unterstellt hat. Damit ist sie auch von der Richtigkeit jener Aussage des Beschwerdeführers ausgegangen, wonach die Polizei sein Ansinnen um Hilfe und Schutz letztlich ignoriert und er keinen anderen Ausweg als die Flucht gesehen habe. Dieser vom Beschwerdeführer erlebten staatlichen Schutzunwilligkeit kann nicht allein mit dem Argument begegnet werden, der Beschwerdeführer hätte sich bei früheren Gelegenheiten gegenüber der Polizei nicht kooperativ gezeigt, zumal die Sicherheitsbehörden letztlich die ihnen fehlenden Informationen doch erhalten haben sollen. Wenn die belangte Behörde trotzdem von der staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit ausgeht, so stützt sie sich dabei nur auf allgemeine Berichte zur politischen Situation im Herkunftsstaat, die im Übrigen - wie schon jene des Bundesasylamtes - ihre Quellen nicht erkennen lassen und sich auch insofern einer nachprüfenden Kontrolle entziehen. Damit lässt der angefochtene Bescheid aber eine Erklärung dafür vermissen, welches konkrete Verhalten der Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde setzen hätte können und sollen, um den nach Auffassung der Asylbehörden möglichen behördlichen Schutz doch zu erhalten. Ohne derartige Erwägungen lässt sich aber nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen die belangte Behörde dem Beschwerdeführer weder Asyl- noch Abschiebeschutz gewährt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 4. März 2008
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