VwGH 2006/15/0130

VwGH2006/15/013020.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der W M & Mitgesellschafter in T, vertreten durch Mag. Alois Huter, Rechtsanwalt in 5730 Mittersill, Zellerstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 8. Februar 2006, GZ. RV/0140-K/05, betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 für 2002, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §108e Abs1;
EStG 1988 §108e Abs2;
EStG 1988 §4;
EStG 1988 §6;
EStG 1988 §108e Abs1;
EStG 1988 §108e Abs2;
EStG 1988 §4;
EStG 1988 §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt ein Sägewerk. Für das Jahr 2002 machte sie eine Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 in Höhe von 50.766 EUR geltend. Das Finanzamt verbuchte die Investitionszuwachsprämie zunächst antragsgemäß auf dem Abgabenkonto.

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Nachschau wurde festgestellt, dass im Investitionszuwachs des Jahres 2002 auch eine im Betrieb der Beschwerdeführerin hergestellte elektronisch gesteuerte Rundholzverarbeitungsanlage enthalten sei. Die gesamte Anlage bilde - wie der Niederschrift vom 12. November 2004 zu entnehmen ist - eine Einheit, die im Betrieb der Beschwerdeführerin aus verschiedenen Einzelteilen zusammengesetzt worden sei. In den Herstellungskosten des Jahres 2002 in Höhe von 478.690,15 EUR seien auch Aufwendungen für diverse Bestandteile enthalten, welche gebraucht zugekauft worden seien. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um zwei Rechnungen, einmal über den Betrag von 177.027,08 EUR und einmal über 33.500 EUR.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Finanzamt dazu die Ansicht, dass selbst hergestellte Wirtschaftsgüter nur dann als ungebraucht im Sinne des § 108e EStG zu werten seien, wenn sie zu mindestens 75 % aus ungebrauchten Bestandteilen bestünden. Dies sei im vorliegenden Fall - da rund ein Drittel an gebrauchten Teilen verwendet worden sei - nicht gegeben, sodass für die Herstellung der Rundholzverarbeitungsanlage keine Investitionszuwachsprämie gewährt werden könne.

Dementsprechend erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002, mit dem es die auf die Anlage entfallene Prämie in Höhe von 47.869,52 EUR zur Nachzahlung vorschrieb.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Beurteilung der Anlage als "gebrauchtes" Wirtschaftsgut. Die Anwendung einer "75%-Klausel" sei gesetzlich nicht verankert. Bei der gegenständlichen Anlage handle es sich um ein einheitliches Wirtschaftsgut, das aus alten und neuen Bestandteilen gefertigt worden sei. Die elektronisch gesteuerte Anlage fräse die vom Rundholz abstehenden Wurzelteile weg, schneide mit zwei großen Sägeblättern entsprechend den vorgegebenen Maßen die Stammenden ab und befördere das zum Schnitt fertig gestellte Rundholz zum Schneiden weiter. Die Anlage sei in ihrer Art einzigartig nach den Ideen der Kunden hergestellt und bei ihrer Inbetriebnahme im Jahr 2002 ungebraucht gewesen.

Im nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung gestellten Vorlageantrag vertrat die Beschwerdeführerin darüber hinaus die Ansicht, es sei - wie näher dargestellt - davon auszugehen, dass der Teilwert der gebrauchten Bestandteile lediglich rund 15%, jener der ungebrauchten Teile hingegen 85% betrage. Es werde beantragt, für die ungebrauchten Teile, in eventu für den gesamten Betrag eine Investitionszuwachsprämie zuzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, das "vordergründig" gestellte Begehren, (nur) die ungebrauchten Teile der Anlage in die Berechnung der Investitionszuwachsprämie einzubeziehen gehe ins Leere, weil die gegenständliche Rundholzverarbeitungsanlage ein einheitliches Wirtschaftsgut darstelle.

Die "Vorgangsweise, bei hergestellten Wirtschaftsgütern das Ungebrauchtsein davon abhängig zu machen, ob die ungebrauchten Komponenten weitaus überwiegen und dieses weitaus Überwiegen mit dem Erreichen einer 75%-Grenze anzunehmen," erscheine insgesamt unbedenklich. Ein im eigenen Betrieb hergestelltes Wirtschaftsgut, das etwa zur Gänze aus gebrauchten Komponenten bestehe, könne nach der Verkehrsauffassung wohl nicht als ungebraucht gelten, selbst wenn mit der Herstellung ein Wirtschaftsgut anderer Marktgängigkeit geschaffen würde. Für ein solches Wirtschaftsgut würde sicher ein anderer Preis erzielt werden als für das gleiche, aber nur aus ungebrauchten Teilen bestehende Gut. Es sei daher eine Frage der Höhe des Anteiles gebrauchter Komponenten, um ein selbst hergestelltes Wirtschaftsgut insgesamt zu einem gebrauchten oder ungebrauchten zu machen. Dabei erscheine es als durchaus sachgerecht, die Höhe des Anteiles ungebrauchter Komponenten mit "mindestens 75% festzulegen". Dies entspreche der ständigen Verwaltungspraxis, die auf die gesetzlichen Erläuterungen zur früheren Investitionsprämie und die diesbezüglichen Richtlinien zurückgehe (Hinweis auf AÖF 198/1984).

Da § 108e EStG 1988 insgesamt auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abstelle, sei es konsequent, auch bei der Gewichtung der gebrauchten und ungebrauchten Teile der Anlage gleichfalls auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten und nicht auf den Teilwert der einzelnen Komponenten abzustellen. Davon abgesehen sei es auch nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin für die gebrauchten Teile den behaupteten überhöhten Preis bezahlt habe, zumal sich in der Bilanz auch keine entsprechende Teilwertabschreibung ausmachen lasse.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Zuerkennung einer Investitionszuwachsprämie auch in Bezug auf die von ihr geltend gemachten Herstellungskosten für die "Rundholzerneuerungsmaschine" verletzt. Die belangte Behörde sei zu Unrecht vom Vorliegen eines "gebrauchten" Wirtschaftsgutes ausgegangen.

Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

§ 108e Abs. 1 und 2 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"(1) Für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern kann eine Investitionszuwachsprämie von 10% geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden.

(2) Prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter sind ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens.

Nicht zu den prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern zählen:

..."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die von der Beschwerdeführerin hergestellte Anlage zur Holzverarbeitung das Tatbestandselement "ungebraucht" erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Wirtschaftsgut "gebraucht", wenn es schon in einer Weise verwendet wurde, dass darin eine seinen Wert mindernde Benutzung zu erblicken ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1994, 93/15/0218, und vom 22. September 2000, 98/15/0073).

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen darin überein, dass es sich bei der gegenständlichen elektronisch gesteuerten Rundholzverarbeitungsanlage um ein - wenn auch aus mehreren Bestandteilen zusammengesetztes - einheitliches Wirtschaftsgut handelt, das im Betrieb der Beschwerdeführerin hergestellt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Beurteilung vor dem Hintergrund seiner Rechtsprechung, wonach ein einheitliches Wirtschaftsgut vorliegt, wenn verschiedene Bestandteile einer Anlage in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1993, 93/14/0145, vom 27. August 2002, 96/14/0166, und vom 24. September 2007, 2006/15/0333).

Wenn die belangte Behörde bei Beurteilung des im Betrieb der Beschwerdeführerin hergestellten einheitlichen Wirtschaftsgutes als gebraucht auf die Beschaffenheit der einzelnen Bestandteile der Anlage abgestellt und dies damit begründet hat, dass für ein gleiches, aber aus ungebrauchten Bestandteilen bestehendes Gut ein anderer (höherer) Preis erzielt werden könnte, kann ihr in dieser Überlegung nicht gefolgt werden. Auf einen derartigen Vergleich kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an.

Entsteht durch den Prozess der Herstellung ein bisher noch nicht existentes Wirtschaftsgut, das eine andere Verkehrsgängigkeit aufweist als seine Bestandteile, kann das Wirtschaftsgut nicht bereits vor seiner Inbetriebnahme in einer Weise verwendet worden sein, dass darin eine seinen Wert mindernde Benutzung zu erblicken und seine Eigenschaft als ungebrauchtes Wirtschaftsgutes verneint werden könnte (in diesem Sinne auch Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 108e, Tz. 4).

Vom Vorliegen eines gebrauchten Wirtschaftsgutes kann in einem solchen Fall erst dann ausgegangen werden, wenn das aus dem Herstellungsprozess hervorgegangene (neue) Wirtschaftsgut durch seine nach Fertigstellung erfolgte Verwendung eine Wertminderung durch ebendiese Verwendung erfahren hat.

Indem die belangte Behörde im Beschwerdefall auf die Beschaffenheit der einzelnen unselbständigen Bestandteile der Anlage abgestellt hat, hat sie die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Februar 2008

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte